Rosa-Luxemburg-Konferenz am 11.01.2025
Gegründet 1947 Mittwoch, 18. Dezember 2024, Nr. 295
Die junge Welt wird von 3005 GenossInnen herausgegeben
Rosa-Luxemburg-Konferenz am 11.01.2025 Rosa-Luxemburg-Konferenz am 11.01.2025
Rosa-Luxemburg-Konferenz am 11.01.2025
Aus: Ausgabe vom 17.10.2024, Seite 1 / Titel
Flüchtlingslager

Jenseits von Afrika

Albanien statt Ruanda: Erste Migranten im italienischen Internierungslager angekommen. Antifaschistischer Autor kritisiert auf Buchmesse Meloni
Von Arnold Schölzel
Shëngjin am Mittwoch: Ein kleiner Schritt für den Migranten, ein großer Schritt zurück für die Menschheit
Shëngjin, Albanien, am Mittwoch: »Der europäische Traum endet hier« – Protest mit Fotos von Meloni und Rama
Shëngjin, Albanien, am Mittwoch: Drohnenaufnahme des exterritorialen italienischen Internierungslagers für Migranten

Das neue Lagerzeitalter der Westeuropäer ist eröffnet. Am Mittwoch hat die italienische Marine erstmals Migranten in ein Nicht-EU-Land gebracht – nicht ins afrikanische Ruanda, wie es Großbritannien vorhatte, sondern nach Albanien. In einem dort von Italien gebauten und unterhaltenen Internierungslager – die früher bei allen Kolonialmächten gebräuchliche Vokabel »Konzentrationslager« ist seit 1945 verpönt – sollen die 16 Männer aus Ägypten und Bangladesch ein Asylverfahren nach italienischem Recht durchlaufen. Sie kamen morgens in der Hafenstadt Shëngjin an und wurden von Sicherheitskräften in ein »Aufnahmezentrum« gebracht, so dpa. Die Männer hätten zuvor versucht, in einem Flüchtlingsboot »irregulär« nach Europa einzureisen.

Sie sollen später ins Hauptlager in Gjadër im Landesinnern Albaniens überführt werden. Dort will Rom exterritorial Asylanträge im Schnellverfahren prüfen und Abschiebungen schneller abwickeln. Diejenigen, die Anspruch auf Asyl haben, werden nach Italien überstellt. Wer abgelehnt wird, soll zurück in sein Herkunftsland. Damit wird eine von Italiens faschistischer Ministerpräsidentin Gior­gia Meloni und ihrem albanischen Amtskollegen Edi Rama 2023 getroffene Vereinbarung umgesetzt. Rama, dessen Land zwischen 1939 und 1943 von den Mussolini-Faschisten besetzt war, die dort Konzentrationslager errichtet hatten, bewies am Mittwoch in der Berliner Zeitung Flexibilität in Geschichtsfragen. Zur Begründung fürs Abkommen erklärte er: »Die Italiener haben uns in schweren Zeiten immer zur Seite gestanden.« Er hat, wie er an anderer Stelle erklärte, viele Anfragen für solche Lager erhalten, aber alle abgelehnt. Für Italien mache er eine Ausnahme. Die Regierung in Rom, die alle »direkten und indirekten Kosten« trägt, beziffert diese über einen Zeitraum von fünf Jahren auf etwa 670 Millionen Euro.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) bezeichnete das Verfahren als »interessantes Modell«. Sie kündigte an, Erfahrungen daraus in ihre Überlegungen einzubeziehen. Die Vize­unionsfraktionsvorsitzende Andrea Lindholz (CSU) äußerte: »Es spricht einiges dafür, dass die Zusammenarbeit von Italien und Albanien Menschen ohne Schutzbedarf künftig davon abhält, sich auf den gefährlichen Weg über das Mittelmeer zu machen.« Auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zeigte sich interessiert. In einem Bericht regte sie am Dienstag an, »mögliche Wege für die Entwicklung von Rückführungszentren außerhalb der EU zu erkunden«. Laut einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs kann ein Land nur dann als sicher gelten, wenn es dort keine Verfolgung oder Folter gibt. 15 der 22 von Italien als sicher eingestuften Herkunftsländer erfüllen diese Bedingungen nicht.

Der Migrantenabwehr nach außen entspricht in Italien die rigorose Zensur missliebiger Autoren. Am Mittwoch erinnerte der Schriftsteller Antonio Scurati, Autor eines Mussolini-Romans, auf der Buchmesse in Frankfurt am Main daran, wie er daran gehindert wurde, im italienischen Fernsehen zum Tag der Befreiung Italiens vom Faschismus am 25. April zu sprechen. Er hatte Meloni vorgeworfen, »die Geschichte umzuschreiben« und »ihrer neofaschistischen Herkunftskultur« treu zu bleiben. Er sagte nun: »Ich wurde als Feind behandelt, wie ein räudiger Hund.« Andere Autoren aus dem diesjährigen Buchmessegastland Italien äußerten sich in Frankfurt ähnlich.

Solidarität jetzt!

Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.

Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!

  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Joachim S. aus Berlin (17. Oktober 2024 um 12:25 Uhr)
    Über 50 Jahre trägt der »freie Westen« den Begriff der Menschenrechte wie eine Standarte vor sich her, bereit, jedem ins Gesicht zu spucken und in den Hintern zu treten, der sich anders verhält als er. Jetzt wird überdeutlich sichtbar, was ihm die Rechte bedrängter Menschen immer bedeuteten: Nichts!
  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Norbert S. aus München (16. Oktober 2024 um 22:17 Uhr)
    Die Einschläge der Faschisierung kommen, wie von einigen ja schon länger vorhergesehen, näher und näher. Nun also auch KZ außer Landes, wo die Täter noch freier, weil noch weniger beobachtbar ihr Unrecht ausleben können … Aber dann doch mal eine Frage, so für einen Freund, ya know: Dass widerwärtige, weil weitgehend selbstbestimmte Faschist:innen, engagierte Anti-Faschist:innen als Feinde betrachten und sobald sie in Machtpositionen sind, sie selbstverständlich auch so behandeln, sollte nicht verwundern. Nur »Räudige Hunde«, also kranke, hilflose Tiere, die nun wahrlich nichts für ihre Leiden können, sind wie Feinde zu behandeln??! Wow … Hmmmm, also mir fiele dazu der alte Adorno ein: »Die stets wieder begegnende Aussage, Wilde, Schwarze, Japaner glichen Tieren, etwa Affen, enthält bereits den Schlüssel zum Pogrom. Über dessen Möglichkeit wird entschieden in dem Augenblick, in dem das Auge eines tödlich verwundeten Tiers den Menschen trifft. Der Trotz, mit dem er dieses Bild von sich schiebt – ›es ist ja bloß ein Tier‹ –, wiederholt sich unauf­haltsam in den Grausamkeiten an Menschen, in denen die Täter das ›Nur ein Tier‹ immer wieder sich bestätigen müssen, weil sie es schon am Tier nie ganz glauben konnten.«

Ähnliche:

  • Persönlich zur Ware degradiert und extrem ausgebeutet. Afrikanis...
    07.01.2022

    Der Reservearmeemechanismus

    Die Überflussbevölkerung übers Mittelmeer bringen. Zum Zusammenhang von Imperialismus in Libyen und unfreier Arbeit in der italienischen Landwirtschaft
  • Willkommenskultur. Urlauberin an der Küste von Mitilini auf der ...
    19.02.2020

    Einsperren, abschieben, reglementieren

    Die EU ist von einer humanitären Flüchtlingspolitik weiter entfernt denn je. Die Bundesregierung will die bevorstehende Ratspräsidentschaft nutzen, um Internierungslager an den Außengrenzen durchzusetzen
  • Immer wieder versuchen Flüchtlinge, in die spanische Exklave Mel...
    12.01.2019

    Abwehr statt Hilfe

    Transkontinentale Abschottung. Die Europäische Union schleift das Asylrecht und strebt an, kaum noch einen Migranten hinein zu lassen