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Aus: Ausgabe vom 17.10.2024, Seite 5 / Inland
Flugtaxi-Startup Lilium

Luftnummer vorm Absturz

Flugtaxi-Startup Lilium kann offenbar nicht mit deutschen Staatshilfen rechnen. Investoren verlieren Geduld, Frankreich offeriert »Asyl«
Von Ralf Wurzbacher
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Wer traut sich? Das Elektroflugtaxi hat fünf Sitze, startet senkrecht und fliegt schnell

Dem Münchner Elektroflugzeug-Startup Lilium droht die Bruchlandung, noch ehe auch nur ein Lufttaxi zur Marktreife gelangt ist. Um eine vorzeitige Pleite abzuwenden, bedürfte es dringend staatlicher Beihilfen. Allerdings spricht vieles dafür, dass die Politik die geforderten Kreditbürgschaften nicht bewilligt. Am Mittwoch tagte der Haushaltsausschuss des Bundestags, ein Termin, den Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) im Vorfeld zum »Tag der Wahrheit« erklärt hatte. Wie der Spiegel am Dienstag unter Berufung auf mehrere Vertreter des Gremiums berichtete, soll es das Thema nicht einmal mehr auf die Tagesordnung geschafft haben.

Ob der Bund das Unternehmen tatsächlich hängen lässt, blieb bis Mittwoch abend offen. Die Ergebnisse der Nachmittagssitzung lagen bis Redaktionsschluss nicht vor. Innerhalb der Ampel-Fraktionen bestehen erhebliche Sorgen, dass die Hilfen verpuffen könnten und schon in einem Jahr der nächste Liquiditätsengpass zu erwarten sei. Die bayerische Staatsregierung hatte im September beschlossen, Lilium eine sogenannte Haftungsübernahme für einen Kredit in Höhe von 50 Millionen Euro zu gewähren. Die Entscheidung war jedoch an die Bereitschaft der Bundesregierung geknüpft, sich in gleicher Größenordnung zu beteiligen.

Das 2015 von Absolventen der Technischen Universität München gegründete Startup ist angetreten, die Luftmobilität zu revolutionieren. Dafür wollen rund 500 Luftfahrtingenieure einen Senkrechtstarter in Serie bringen, der bei einem Höchsttempo von 280 Kilometer pro Stunde und einer Reichweite von 250 Kilometern Kunden im urbanen Raum befördern soll. Ein bemannter Erstflug war für das kommende Jahr avisiert, die Markteinführung sollte 2026 erfolgen. Aber sowohl bei Investoren als auch in der Politik schwindet das Vertrauen in das Pioniergetue der Jungunternehmer. Tatsächlich ist Lilium bisher ein Fass ohne Boden. Allein im ersten Halbjahr 2024 wurden rund 200 Millionen Euro verschlungen, womit sich die in neun Jahren gemachten Verluste auf 1,5 Milliarden Euro auftürmen. Der Kapitalbedarf bis zur Musterzulassung soll weitere 300 bis 500 Millionen Euro betragen.

Zuletzt hatte sich unter anderem FDP-Haushälter Frank Schäffler gegen eine staatliche Unterstützung ausgesprochen: Das Risiko für den Bund sei viel zu hoch, befand er. »Wenn Bayern diese Subvention eingehen will, dann soll es dies alleine tun. Mit Steuergeldern des Bundes darf nicht spekuliert werden.« Danach sieht es eher nicht aus. »Dass Bayern Bundesmittel ersetzen würde oder Bayern dann nur alleine ohne Bund losmarschieren würde, sehe ich eher nicht«, äußerte sich FW-Chef Aiwanger. Ein Problem mehr: Wenn die Politik nicht liefert, könnten sich auch private Geldgeber abwenden. Die winken mit einem Paket im Umfang von weiteren 32 Millionen Euro, aber nur, wenn das mit dem Darlehen von Bund und Land hinhaut. Auch dieses Junktim sei »bei einigen Abgeordneten nicht gut angekommen«, schrieb am Mittwoch der Münchner Merkur.

Hinter Lilium stehen etwa 70 Investoren. Stellen die ihr Engagement ein, sei mit drastischen Einschnitten im Geschäftsbetrieb bis hin zur Anwendung des »geltenden Insolvenzrechts« zu rechnen, war in der Vorwoche in Springers Welt zu lesen. Anders als das Parlament macht sich Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) für eine Geldspritze aus öffentlichen Mitteln stark, weil er »großes Potential in dieser Form der Luftmobilität« sehe. Blinden Fortschrittsglauben bringt offenbar das Amt mit. Wissings Vorgänger, Andreas Scheuer (CSU), hatte schon 2019 von Lufttaxis geschwärmt und einen Regelbetrieb binnen vier Jahren prophezeit. Daraus wurde nichts, und dass es mit dem Lilium-Jet in absehbarer Zeit hinhaut, erscheint auch ziemlich unwahrscheinlich.

Vielleicht fahren ja die Franzosen auf die Technik aus Deutschland ab. Nach einem Bericht der Süddeutschen Zeitung (SZ) will Frankreich dem Startup durch einen staatlichen Zuschuss von 220 Millionen Euro auf die Beine helfen. Dafür müsste es jedoch einen wesentlichen Teil seiner Produktion nach Frankreich verlegen.

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  • Leserbrief von Reinhard Hopp aus Berlin (17. Oktober 2024 um 10:15 Uhr)
    Kein Geld für Innovationen, denn die Finanzierung der US-amerikanischen Stellvertreterkriege zu Lasten der deutschen Steuerzahler hat absolute Priorität – Staatsräson gewissermaßen!
    • Leserbrief von Onlineabonnent/in Joachim S. aus Berlin (17. Oktober 2024 um 12:38 Uhr)
      Na ja, mit den Innovationen ist das so ein eigen Ding. In Brandenburg steht nahe des Spreewalds eine riesige ehemalige Luftschiffhalle als dauernde Mahnung dafür, dass sich manch Hochgepriesenes auch schnell zur schlichten Luftblase entfalten kann. Dort kann man jetzt – ein wenig teuer erkauft – wenigstens in Tropenatmosphäre baden. Was aber macht man mit lauter Lufttaxis, die nicht fliegen?
      • Leserbrief von Reinhard Hopp aus Berlin (19. Oktober 2024 um 07:37 Uhr)
        Ein Lufttaxi, das nicht fliegt? Vielleicht baut man es um zur Drohne; ein heutzutage doch sehr stark nachgefragtes Utensil? Und wenn nicht: Scheitern gehört zum Erfolg. Wer das nicht zu akzeptieren vermag, sollte vielleicht gleich im Bett bleiben und das Haus besser erst gar nicht verlassen.

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