Wahlkampfmanöver
Von Nick BraunsDie US-Regierung habe Israel »ungewöhnlich scharf« kritisiert und ultimativ mit einer Kürzung der milliardenschweren Militärhilfen gedroht. So wird es in der westlichen Presse kolportiert. Hintergrund ist ein Brief, in dem Außenminister Antony Blinken und Verteidigungsminister Lloyd Austin ihre »tiefe Besorgnis« über die humanitäre Situation im Gazasteifen äußern und von der israelischen Regierung binnen 30 Tagen »dringende und nachhaltige Maßnahmen« zur spürbaren Verbesserung der dortigen Lebenssituation einforderten. Konkret forderten die US-Minister die Einfuhr von mindestens 350 täglichen Hilfsladungen nach Gaza und eine Kampfpause, um die palästinensischen Zivilisten zu versorgen, einhergehend mit der Aufhebung der Evakuierungsbefehle – wenn keine operative Notwendigkeit dafür bestehe, wie sogleich abgeschwächt wird. Verwiesen wurde auf US-Gesetze, die Militärhilfe an Staaten untersagt, die humanitäre US-Hilfslieferungen behindern.
Tatsächlich handelt es sich um ein durchschaubares Manöver im Vorfeld der US-Präsidentschaftswahlen. Die Demokratische Partei von Präsident Joseph Biden steht angesichts der grausamen Bilder aus Gaza und dem Libanon unter Druck ihres linken Flügels sowie eines Teils ihrer Wähler, wo die Forderung nach einem Waffenlieferungsstopp an Israel lauter wird. Die um das Präsidentenamt kämpfende Vizepräsidentin Kamala Harris befindet sich gerade in Michigan auf Wahlkampftour. In diesem »Swing State« werben die Demokraten um die nicht unbedeutsame arabischstämmige beziehungsweise muslimische Wählerschaft. Hier soll Harris mit dem Brief der Rücken gestärkt werden. Selbst unterschrieben hat die Vizepräsidentin, die sich mit Kritik an Israel zurückhält, dagegen nicht, um proisraelische Wähler nicht zu verschrecken.
Die US-Regierung habe Israel zudem »unmissverständlich« mitgeteilt, »dass wir ihre täglichen Angriffe in dichtbesiedelten Gebieten in Beirut ablehnen«, erklärte der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates im Weißen Haus, John Kirby, am Mittwoch. Dass die israelische Luftwaffe an dem Tag erstmals seit knapp einer Woche wieder die Vororte von Beirut bombardierte, kann auch als Votum im US-Wahlkampf verstanden werden. So ist es kein Geheimnis, dass die religiös-faschistischen Desperados von Benjamin Netanjahu im Weißen Haus gerne den nach eigenen Worten »proisraelischsten Präsidenten« Donald Trump sehen wollen, der offen für einen Angriff auf Irans Atomanlagen und damit eine weitere Eskalation in Nahost eintritt.
Ernste Sorgen um die US-Militärhilfen, ohne die weder der völkermörderische Krieg in Gaza noch der Krieg im Libanon möglich wären, muss sich Tel Aviv nicht machen. Zum einen beschwichtigte Kirby, dass das Schreiben keineswegs als Drohung gemeint sei. Und zum anderen endet die darin genannte Frist erst nach dem US-Wahltag vom 5. November, an dem die Karten neu gemischt werden. Das Morden kann also weitergehen.
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