Aus Leserbriefen an die Redaktion
Doppelmoral
Zu jW vom 15.10.: »›Kerngedanke‹: NATO übt Atomkrieg«
»Ebenfalls am Montag berichtete die Rostocker Ostsee-Zeitung, dass das 2019 in der Hafenstadt eingerichtete Marinehauptquartier NATO-Kommandozentrum für die Ostsee wird.« Für den kollektiven Westen im allgemeinen und die BRD im besonderen gelten völkerrechtlich abgeschlossene Verträge nichts. Sollte die Meldung zutreffend sein, verstößt das Vorhaben eindeutig gegen den Zwei-plus-vier-Vertrag, den der Westen mit der Sowjetunion geschlossen hat. Demnach ist die Stationierung von ausländischen Truppen auf dem früheren Gebiet der DDR untersagt. Das Völkerrecht wird hierzulande nur dann wie eine Monstranz vorangetragen, wenn es den eigenen Interessen nützt. Dieses Land hat jegliche Berechtigung verloren, sich moralisierend über andere Länder zu äußern. Dass sich die SPD-Dame Manuela Schwesig zur Kumpanei mit den Kriegstreibern des Landes herablässt, ist eine der vielen Enttäuschungen, die ihre Partei mittlerweile unwählbar gemacht hat.
Rainer Erich Kral, Potsdam
Diskrepanz
Zu jW vom 15.10.: »Raus aus der Krise«
Den Thesen zur Linkspartei stimme ich vollauf zu. Wegen der fehlenden Unterstützung der Friedensbewegung war meine Partei, der ich fast 50 Jahre angehöre, bei der Europawahl für mich nicht wählbar. Aus Protest gegen den Bundesvorstand gab ich dem BSW meine Stimme. Michael von der Schulenburg und Fabio De Masi finde ich geeigneter als Martin Schirdewan und Carola Rackete, wenn es darum geht, den kriegslüsternen Falken in der EU die Stirn zu bieten. Abgeordnete, die für Rüstung und Raketen stimmen, sollten ihr Mandat abgeben. Genosse Jan van Akens Haltung zur NATO ist mir zu wenig kritisch. Ines Schwerdtner gewinnt meine Zustimmung nicht, wenn sie polemische Interviews gegen das BSW gibt. Können wir nicht Bündnispartner sein? Ich erlebe eine Diskrepanz zwischen Basis und Führung der Partei. Michael Brie schreibt von den Mitgliedern, die lokale Strukturen konsolidieren, und denen, die den Parteitag abwarten, bevor sie vielleicht doch die Partei verlassen, wie es nicht wenige und nicht die schlechtesten bis jetzt schon gemacht haben. Vom Parteitag muss ein Signal ausgehen, dass die Basis ernstgenommen wird, dass wir als Sozialisten dem Frieden, dem Osten und den Abgehängten überall wieder eine starke Stimme sind. Ich erkenne allerdings bis jetzt keine Kraft in der Partei, die dazu fähig ist, den Laden in diesem Sinn klug und weise zusammenzuhalten. Ich bitte die Delegierten, eine solche Kraft zu unterstützen, falls sie im Gegensatz zu meiner pessimistischen Erwartung dennoch erscheint. Ungeachtet des Ergebnisses des Parteitages werde ich meine Mittel und Fähigkeiten für Aktionen vor Ort einzusetzen. Ich befürchte allerdings, dass ich meine 50 Jahre Mitgliedschaft nicht vollkriegen werde, dass es mir irgendwann sinnvoller erscheinen könnte, meinen Parteibeitrag direkt für Flugblätter, Plakate und Veranstaltungen einzusetzen, statt mit ihnen auch einen Parteivorstand zu finanzieren, der nicht wirksam und konsequent genug gegen Krieg und Ungerechtigkeit auftritt.
Frank Havemann, Neustrelitz
Gewaltlosigkeit
Zu jW vom 8.10.: »Kirchliche Mobilmachung«
Kirche und Militär – das ist bis heute eine unselige Verknüpfung. Jesus Christus lehrte und lebte die Gewaltlosigkeit. Trotzdem unterstützen evangelische und katholische Kirche mit der Militärseelsorge die Bundeswehr, also eine Organisation, die dem Führen von Kriegen und damit dem Verstoß gegen das fünfte Gebot (»Du sollst nicht töten«) dienen soll und ja auch schon gedient hat und dient. Durch die Bereitstellung von Militärpfarrern, die von der Bundeswehr bezahlt werden, tragen die Kirchen auch die zunehmende Militarisierung der deutschen Innen- und Außenpolitik mit, statt sie um des Friedens willen deutlich zu kritisieren. Ich fühle mich da an das Sprichwort »Wessen Brot ich esse, dessen Lied ich singe« erinnert. Alle Friedensappelle der Kirchen sind unglaubwürdig, solange sie die Bundeswehr durch die Militärseelsorge unterstützen, statt Soldaten wie allen anderen Menschen Seelsorge im Heimatort durch ortsansässige Gemeindepfarrer und -pastoren anzubieten.
Joachim Fischer, Bremen
Doppelmoral II
Zu jW vom 15.10.: »In Haft im freien Westen«
Die bundesdeutsche Justiz kann ein weiteres, politisch motiviertes Urteil ihr eigen nennen. Nachdem man bereits Erich Honecker, Heinz Kessler, Egon Krenz, diverse Soldaten der Grenztruppen der DDR vor die Schranken (west-)deutscher Gerichte gezerrt hat, hat es erneut einen Angehörigen der ehemaligen Sicherheitsorgane der Deutschen Demokratischen Republik getroffen. Ich höre noch die frohlockenden Worte einer ZDF-Nachrichtensprecherin, die sich schon vor Wochen, und mitten im Prozess, sicher war, dass es sich hier um einen »Mörder« handele, dessen man nun endlich habhaft geworden sei, und einer Verurteilung wegen Mordes nun nichts mehr im Weg stünde. Aber: Gilt nicht, zumindest bis zur rechtskräftigen Verurteilung eines vermeintlichen Täters, die Unschuldsvermutung? Im wesentlichen und nach den Buchstaben des Gesetzes schon. Jedoch scheint jedwede Unschuldsvermutung obsolet, wenn es um einen – offensichtlich politisch motivierten – Prozess gegen einen Angehörigen der Staats- und Sicherheitsorgane der DDR geht. Wie bundesdeutsche Gerichte mit zweierlei Maß messen, zeigte unter anderem der erste Prozess gegen den Doppelmörder Werner Weinhold, der zwei Angehörige der Grenztruppen der DDR aus einem Hinterhalt und in zweifelsfreier Tötungsabsicht ermordete, einen Freispruch »erster Klasse« erhielt und vor laufender Kamera noch im Gerichtssaal beglückwünscht wurde und mit einem Blumenstrauß und als freier Mann das Gericht verlassen durfte. Jeder möge sich sowohl über das eine als auch das andere Urteil sein eigenes bilden und sich die Frage stellen, aus welcher Motivation heraus (west-)deutsche Gerichte ihre Urteile fällen.
Gerhard R. Hoffmann, Halberstadt
Vom Linke-Parteitag muss ein Signal ausgehen, dass die Basis ernstgenommen wird, dass wir als Sozialisten dem Frieden, dem Osten und den Abgehängten überall wieder eine starke Stimme sind.
Solidarität jetzt!
Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.
In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.
Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!