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Aus: Ausgabe vom 19.10.2024, Seite 5 / Inland
Tarifautonomie

Galeria macht den Paten

»Angebot« der Bosse: Kaufhauskette will individuell mit Beschäftigten dealen, tritt Tarifautonomie mit Füßen
Von David Bieber
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Galeria-Beschäftigte stehen mit dem Rücken zur Wand: Ausverkauf in einer Karstadt-Filiale in Augsburg

Geht es nach dem Essener Warenhauskonzern Galeria, so soll es für die verbliebenen rund 10.000 Beschäftigten künftig nur noch individuelle Tarifabschlüsse geben. Heißt: ohne regionale Entgelt- oder Manteltarifverträge der Branche und dadurch langfristige Löhne – stark unterhalb der marktüblichen Entgelte, versteht sich. Die Gewerkschaft soll künftig nur noch Zaungast in Tarifrunden sein. Verdi schlägt deshalb Alarm und spricht von »Erpressung« und einem »unzulässigen Eingriff in die Tarifautonomie«.

Denn den Weg, den die angeschlagene Kaufhauskette, die die bisherigen Tarifverhandlungen laut Verdi »terminlos« stellte, gerade versuche einzuschlagen, impliziert die explizite Zustimmung jedes einzelnen Beschäftigen zu dem wohl auf jeden einzelnen zugeschnittenen Angebot. So solle das Verfahren nach Worten des Verdi-Verhandlungsführers Marcel Schäuble weitergehen. »Den Kolleginnen und Kollegen wird die Pistole auf die Brust gesetzt«, kritisierte er gegenüber der WAZ.

»Offenkundig wird damit versucht, die Zustimmung zum Angebot zu erpressen, indem Beschäftigte gegenseitig unter Druck gestellt werden. Dies widerspricht dem Prinzip der individuellen Vertragsfreiheit«, erklärte Verdi-Bundesvorstandsmitglied Silke Zimmer in einer Mitteilung. Sie bewertet das Tarifangebot derweil als »vergiftet und unmoralisch«. Bedingung ist zudem, dass 90 Prozent der Beschäftigten einer Filiale sowie der Gesamtbetriebsrat bis zum 8. November 2024 dem »Angebot« des Essener Warenhauses zustimmen.

Was bietet Galeria konkret den Beschäftigten an? Verdi zufolge sieht Galeria Gehaltssteigerungen in verschiedenen Stufen vor: drei Prozent zum 1. Oktober, 3,3 Prozent zum 1. Januar 2025 sowie jeweils 2,5 Prozent zum 1. Oktober 2025 und 2026. Dabei scheint es der Kapitalseite entgangen oder gleichgültig zu sein, dass die Beschäftigten in den vergangenen Jahren aufgrund der schwierigen wirtschaftlichen Lage mit Insolvenzen, Filialausdünnungen und dem Abbau Tausender Arbeitsplätze auf fast 30 Prozent ihrer Bezüge im Vergleich zum Flächentarifvertrag des Einzelhandels verzichteten. Gleichzeitig sollen die Beschäftigten bis zum 8. November per Unterschrift geänderten Arbeitsbedingungen ­zustimmen. Damit würden sie aber den Rechtsanspruch auf alle bisherigen tarifvertraglichen Leistungen des Einzelhandels aufheben, so Zimmer.

Laut Verdi bewirke das neue Galeria-Angebot nur marginale Verbesserungen. »Damit wird der Abstand zum Flächentarif auf 23 Prozent verfestigt«, heißt es von der Gewerkschaft. Sie wird das Angebot nicht akzeptieren und gibt sich kampfbereit. »Die Beschäftigten bei Galeria haben – anders als die Eigentümer – den Laden seit Jahren am Laufen gehalten. Sie haben ohne Wenn und Aber eine faire Bezahlung verdient«, erklärte Zimmer. Weiterer Kritikpunkt: Es gibt immer noch keinen Plan für Galeria und die Beschäftigten. Verdi bemängelt, dass Galeria immer noch keine Anschlussregelung für den bereits vor zwei Jahren aufgekündigten Sanierungsvertrag vorgelegt oder mit Verdi darüber verhandelt hat.

Galeria Karstadt-Kaufhof hatte im Januar 2024 zum dritten Mal innerhalb kurzer Zeit Insolvenz ­beantragt. Die Warenhauskette war im Zuge der Pleite des ­österreichischen ­Mutterkonzerns Signa und ihres Gründers und Patriarchen René Benko in Schwierigkeiten geraten. Im April übernahm ein Konsortium aus der US-Investmentgesellschaft NRDC Equity Partners und der ­Beteiligungsfirma BB Kapital SA des Unternehmers Bernd Beetz die Kaufhauskette.

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