Kunstgießerei vor dem Aus
Von Susanne KnütterNächstes Jahr würde die Kunstgießerei in Lauchhammer 300 Jahre alt werden. Nach eigenen Angaben ist sie damit die älteste Kunst- und Glockengießerei in Deutschland. Hier wurden so bedeutende Mahnmale wie die »Trümmerfrau« für Dresden oder die »Widerstandskämpfer« von Fritz Cremer für die Gedenkstätte Auschwitz und seine bekannte Buchenwaldgruppe gegossen. Nun allerdings könnte Schluss sein. Die Gießerei hat Insolvenz angemeldet, wie der RBB am 11. Oktober berichtete. Allerdings formiert sich Widerstand. »Die Köpfe sind unten. Alle sind sehr schockiert«, sagte Marion Baur von der DKP in Lauchhammer am Freitag gegenüber jW. Die kommunistische Partei hatte zuvor vor dem Werkstor und auf dem Marktplatz der gut 14.000 Einwohner zählenden Gemeinde »Kunstgussort Lauchhammer« Unterschriften für den Erhalt des Betriebs gesammelt hat. »Aber die Beschäftigten freuen sich über die Solidarität und Unterstützung.«
Die Beschäftigten? 26 sind es noch an der Zahl. Bevor die Treuhand 1993 die Gießerei an hessische Glockengießer verscherbelte, arbeiteten dort noch 75. Das waren mehr als in anderen Betrieben in der südbrandenburgischen Region. In der DDR gab es in Lauchhammer noch eine große Eisengießerei, Braunkohletagebau und -kokerei und das Schwermaschinenbaukombinat Takraf mit 12.000 Arbeitsplätzen. In den 1990ern waren 60 bis 80 Prozent der Menschen dann plötzlich ohne Arbeit.
Für die verkleinerte Kunstgießerei lief es dann zunächst vergleichsweise gut. »Fördermittel für die Gemeinden sprudelten«, berichtete Die Welt 2004. Kirchen wurden restauriert, für Kunst am Bau gab es Geld. Und vor allem das Glockengeschäft boomte. Anfang der 2000er wurde es schwieriger, in der Konkurrenz zu bestehen. Allerdings: Erst 2023 hat die Kunstgießerei 1,5 Millionen Euro in den Umbau ihrer Schmelzöfen gesteckt, wie die Lausitzer Rundschau berichtete. Dafür gab es eine Staatsbeihilfe von knapp einer halben Million Euro, wie bei North Data einzusehen ist.
Aber nun soll es an Aufträgen mangeln, wie der Insolvenzverwalter laut RBB angibt. Der Geschäftsführer der Kunstgießerei wollte sich am Freitag dazu gegenüber jW nicht äußern. Allerdings wies er die Vorwürfe der örtlichen DKP zurück, eine Reihe von Anfragen nach »Schinkel-Möbeln« seien »nicht oder ausweichend beantwortet« worden. Anfragen würden in jedem Fall beantwortet, so Maxim Engelmann. Das treffe auch auf die Nachfrage nach einer lebensgroßen Statue zu, die schon vor zwei Jahren eingegangen sei. Der potentielle Auftrag sei vom britischen Gewerkschaftsbund gekommen, der eine Skulptur zu Ehren einer nordirischen Gewerkschafterin fertigen lassen wollte, so Baur gegenüber jW. In jedem Fall seien das nicht die Gründe für die Insolvenz, so Engelmann.
Die Gründe liegen tiefer. Daher fordert die DKP außerdem Hilfe von Land und Bund sowie schließlich die Verstaatlichung der historischen Kunstgießerei. Es »muss und es kann verhindert werden, dass dieser Stadt endgültig das Herz aus dem Leib gerissen wird, eure Arbeit muss und kann erhalten werden«, hieß es in dem Flugblatt der kommunistischen Partei.
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Allerdings sind dazu einige Korrekturen bzw. Ergänzungen notwendig: Lauchhammer hat seit 1953 Stadtrecht, daher ist die Bezeichnung »Kunstgussstadt Lauchhammer« korrekt.
Die Kunstgießerei, ohne die es den Ort, später die Stadt Lauchhammer gar nicht gäbe, hatte zur Übernahme durch den hessischen Gießereibetrieb 42 Mitarbeiter. Von einem »Verscherbeln« kann in diesem Zusammenhang allerdings keine Rede sein, da es großer Anstrengungen von vielen engagierten Menschen bedurfte, um diese Übernahme zu bewerkstelligen. Geplant war durch die Treuhand ein Verscherbeln der Gießerei nach
Südkorea. Die Übernahme durch den hessischen Gießereibetrieb brachte den Beschäftigten Sicherheit, die Wiedereinführung des traditionellen Glockengusses (der zu DDR-Zeiten nicht mehr erfolgte) und eine Aufwärtsentwicklung in den Aufträgen. In der DDR gehörte die Kunstgießerei zum BFG Bagger-, Förderbrücken- und Gerätebau, einem Teilbetrieb des TAKRAF-Kombinates und hatte im Jahr 1990 eine Mitarbeiterzahl von 3425. Dazu zählte eine Eisengießerei und eine Badewannengießerei. Lauchhammer hatte damals neben Tagebauen, der Großkokerei und mehreren Brikettfabriken auch eine Schuhfabrik und Möbelindustrie, insgesamt knapp 15.000 Industriearbeitsplätze.
Eine Insolvenz ist nicht gleichbedeutend mit dem »Aus« des Betriebes und dem Abbau der Arbeitsplätze, zumal man wissen sollte, dass die Gießerei vor ein paar Jahren noch mit 3 (!) Mitarbeitern arbeitete. Natürlich hat niemand in Lauchhammer Interesse daran, die traditionsreiche Kunstgießerei, deren Anfänge ins Jahr 1725 zurückreichen, zu verlieren. Deshalb gibt es derzeit intensive Gespräche, auch unter Mitwirkung der Stadt, mit potentiellen Investoren.
Auch wenn großes Interesse und Sorge in der Stadt und dem Umland verständlich sind, sollte man mit Aktionen, die die Bemühungen torpedieren können, den Betrieb wieder ins rechte Gleis zu bringen, sehr vorsichtig sein.