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Aus: Ausgabe vom 19.10.2024, Seite 6 / Ausland
Moldau

Die nächste Schicksalswahl

Moldau: Abstimmung über zweite Amtszeit von Staatspräsidentin Sandu. Referendum zu Politik der Annäherung des Landes an die EU
Von Reinhard Lauterbach
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Von der Leyen am Ziel: Moldaus Präsidentin Sandu begibt sich bereitwillig in den Schoß der EU (Chișinău, 31.5.2023)

Liest man westliche Medienberichte über die an diesem Sonntag anstehende Wahl in Moldau, steht das Schicksal des Landes und seiner 2,5 Millionen Einwohner ein weiteres Mal auf der Kippe. Es gehe um alles, wiederholen Sender wie ZDF und Deutsche Welle die Propaganda der Regierungspartei: die leuchtende Zukunft im Hegemoniebereich der EU – oder die Fortsetzung eines geopolitischen Schwebezustands, der der Republik Moldau seit ihrer Trennung von der Sowjetunion nicht gutgetan habe. Zur Bebilderung dieser These hat die EU-Kommission kurz vor der Wahl noch Infrastrukturhilfen von 1,8 Milliarden Euro lockergemacht und auch Journalistenreisen finanziert, nach denen eine Reporterin der Süddeutschen Zeitung von einem »von Lügen gefluteten Land« schrieb, womit sie natürlich nicht die Brüsseler Versprechungen meinte.

Die 2020 knapp – und wesentlich mit den Stimmen der in der EU lebenden moldauischen Arbeitsmigranten – gewählte Staatspräsidentin Maia Sandu bewirbt sich um eine zweite Amtszeit. Parallel dazu soll ein Referendum ihren Kurs unter die Fittiche Brüssels noch einmal demonstrativ bestätigen. Das zeigt, dass sich die Strategen in Sandus Stab nicht hundertprozentig sicher sind, ob die Amtsinhaberin eine Mehrheit von sich wird überzeugen können. Wenn, dann dürfte das ohnehin erst in der Stichwahl am 3. November der Fall sein; für den ersten Wahlgang werden Sandu Ergebnisse um die 36 Prozent vorausgesagt; das ist die Poleposition, aber doch noch weit von einer Mehrheit entfernt. Zumal sich in der zweiten Runde Sandus taktischer Vorteil relativieren dürfte, dass ihr gegenüber sechs Kandidaten antreten, die von der westlichen Berichterstattung alle als mehr oder minder »prorussisch« eingestuft werden.

Traditionell ist die moldauische Gesellschaft in Zahlen ungefähr gleichmäßig in Westler und Anhänger engerer Beziehungen zu Russland gespalten. Bei näherem Hinsehen verbergen sich dahinter Generationsunterschiede: für Russland ist eher die ältere Generation, deren relatives Gewicht in der Wählerschaft einerseits wächst, gerade weil die Generation ihrer Kinder oder Enkel zu Hunderttausenden als Arbeitsmigranten in die EU gegangen ist. Andererseits liegt es in der Natur der Sache, dass die ältere und noch vom Leben in der Sowjetunion geprägte Generation nach und nach verstirbt. Dass das Milieu der Arbeitsmigranten für die EU-Anbindung stimmen wird, ist zu erwarten: legale Arbeit in den vor allem südeuropäischen EU-Staaten ist bei einer EU-Mitgliedschaft von Moldau unkomplizierter.

Auch viele Angehörige der älteren Generation sind von Überweisungen ihrer im Ausland arbeitenden Kinder abhängig und könnten sich deshalb veranlasst sehen, ihnen zuliebe für die EU-Anbindung zu stimmen. Zumal die vor allem über russischsprachige soziale Netzwerke verbreitete Anti-EU-Propaganda vielfach auf plumpste Klischees setzt: etwa die Behauptung, bei einem EU-Beitritt müssten sich alle moldauischen Kinder einer Geschlechtsumwandlung unterziehen. Ein gewisses prorussisches Reservoir könnten Wähler aus Transnistrien darstellen, die in Moldau wahlberechtigt sind – sofern sie sich denn aufraffen und zur Abstimmung den Grenzfluss Dnister überqueren.

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