»Diese Beziehungen müssen gekappt werden«
Interview: Henning von StoltzenbergAn der Universität Bonn hat Ihre Initiative das Wintersemester mit einem Protestcamp vor dem Hauptgebäude eröffnet. Was haben Sie sich vorgenommen?
Unser Protestcamp heißt diesmal »Handala Institute for Liberation Studies – Palästina Solidaritätscamp«. Das soll darauf hindeuten, dass wir den Fokus auf Bildung und Workshops legen. Hierbei geht es uns darum, neue Studierende zu Beginn des Semesters über den Genozid in Gaza und den palästinensischen Befreiungskampf aufzuklären. Damit wollen wir eine inhaltlich stabile Grundlage für politische Organisation schaffen. Dafür haben wir umfangreiche Workshops organisiert, in denen es zum Beispiel um neokoloniale Strukturen, die Instrumentalisierung des einseitigen Holocaustgedenkens für Innen- und Außenpolitik geht, aber auch strategische Grundlagen, also wie man zum Beispiel eine Kampagne aufbaut und ein fortwährendes Momentum aufrechterhält.
Im Sommer hatten Sie ein Protestcamp im Hofgarten errichtet, das nach drei Wochen von der Polizei geräumt wurde. Wie kam es dazu?
Wir hatten ein echt großes Protestcamp, das ständig von der Polizei mit neuen Auflagen und Anzeigen schikaniert wurde. Die Uni hat parallel dazu nicht einmal unsere E-Mail mit den Forderungen beantwortet und hat uns auch dann noch ignoriert, als wir uns persönlich beim Rektorat vorgestellt haben. Angesichts der sich verschlimmernden Situation in Gaza hat eine Gruppe von Studierenden nach drei Wochen einen der Haupteingänge der Universität besetzt und blockiert. Daraufhin hat die Unileitung sich dazu entschieden, bei der Polizei einen Strafantrag gegen die Demonstrierenden zu stellen.
Welche Forderungen wurden der Unileitung gestellt?
Einerseits die nach einem Austausch mit der Uni. Nach fünf Stunden wurden die Protestierenden mit einem riesigen Polizeiaufgebot gewaltsam geräumt. Das wurde dann als Ausrede benutzt, um am selben Nachmittag das komplette Camp genauso gewaltsam zu räumen, obwohl es sich um verschiedene Gruppen von Leuten handelte, da die Menschen, die zu dem Zeitpunkt vor Ort waren, kein Teil der Blockade waren.
Und was fordern Sie mit Blick auf Gaza und Israel?
Wir fordern, dass die Uni untersucht und transparent macht, inwiefern sie Beziehungen zu israelischen Unis, Organisationen und Institutionen unterhält, die zu Kriegsverbrechen und der völkerrechtswidrigen Besatzung beitragen. Diese Beziehungen müssen gekappt werden. Beziehungen zu russischen Institutionen wurden nach dem Beginn des Angriffskriegs auf die Ukraine problemlos unterbrochen. Ansonsten fordern wir, dass keine Kriegspropaganda auf dem Campus stattfinden darf. Das heißt, dass keine Personen wie der israelische Botschafter in Deutschland auf den Campus eingeladen werden sollten, um die Agenda der rechtsextremen israelischen Regierung zu bewerben – was in den letzten Semestern unter anderem passiert ist. Und selbstverständlich fordern wir immer noch, dass es zu einem Gespräch mit der Universitätsleitung kommt.
Worauf fußt Ihre Boykottforderung?
Unsere Recherchegruppe hat eine Menge Arbeit in einen 80seitigen Bericht zu den Beziehungen der Uni Bonn zu israelischen Institutionen beziehungsweise Organisationen, die von Kriegsverbrechen profitieren, gesteckt. Allen voran arbeitet die Uni eng zusammen mit der Hebrew University in Jerusalem, die sich auf illegal annektiertem Gebiet in Ostjerusalem befindet und eine Menge zur Annexion von Ostjerusalem beigetragen hat. Erst im Juli bestätigte ein Gutachten des Internationalen Gerichtshofs in Den Haag die Illegalität der Besetzung, die Quasiannexion Ostjerusalems und Apartheidzustände. In einer Resolution der UN-Generalversammlung vom 18. September wird klar dazu aufgefordert, die Beziehungen zu Institutionen, die die Besatzung aufrechterhalten, abzubrechen und Sanktionen zu verhängen.
Katja Ronthaler studiert an der Universität Bonn Politik und Geschichte. Sie ist Sprecherin der »Students for Palestine Bonn«
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