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Aus: Ausgabe vom 19.10.2024, Seite 8 / Ansichten

Verzweiflungsdrohung

Aufbau von Atomwaffen in der Ukraine
Von Reinhard Lauterbach
NATO-DEFENCE-ZELENSKIY.JPG
Ernst gemeint kann die Drohung mit einem eigenen Atomprogramm nicht sein (Brüssel, 17.10.2024)

Wolodimir Selenskijs großspurig angekündigter »Siegesplan« ist in Wahrheit ein ziemlich kleinlauter Konkursverschleppungsplan. Alle offiziellen Adressaten haben schon abgewinkt, als er die sofortige Einladung der Ukraine zur NATO-Mitgliedschaft, den Abschuss russischer Raketen und Drohnen von NATO-Staaten aus und die Stationierung einer »nichtnuklearen Abschreckungskomponente« auf ukrainischem Boden verlangte und erklärte, alles hänge jetzt von der Bereitschaft der westlichen Partner ab, den Plan zu unterstützen. Das bedeutet nämlich im Umkehrschluss, dass von der Ukraine nichts mehr abhängt, weil sie bald nichts mehr beizutragen haben wird, bis auf immer schlechter ausgebildetes Kanonenfutter.

Und eine Drohung, die Selenskij jetzt beim EU-Gipfel und beim Treffen mit den NATO-Verteidigungsministern erneut aus der Tasche gezogen hat: Wenn die NATO die Ukraine nicht aufnehme, sei sein Land gezwungen, sich neue Atomwaffen zu bauen. Das gehe notfalls binnen Wochen.

Aber eine Frage von Wochen ist der Bau einer Atombombe mitnichten. Man braucht nicht nur ein paar Formeln aus dem Lehrbuch der Kernphysik. Man braucht auch Fachleute, waffenfähiges Uran und eine Anreicherungsanlage dazu, außerdem Trägersysteme. Für nichts davon gibt es Anhaltspunkte, es sei denn einen: Im Februar 2022, Tage vor Kriegsbeginn, hatte Selenskij auf der Münchener »Sicherheitskonferenz« schon einmal mit einer Wiederbelebung des ukrainischen Atomprogramms gedroht; das war einer der Gründe, die Wladimir Putin in seiner Rede zur Eröffnung der Kampfhandlungen ausdrücklich nannte. Vor diesem Hintergrund ließe sich Selenskijs jetzt wiederholte Äußerung in dem Sinne deuten, dass die Ukraine insgeheim seit Jahren an einem Atomwaffenprogramm gearbeitet haben muss und die USA, denen es sonst angeblich so sehr auf die Nichtverbreitung ankommt, dies stillschweigend hingenommen hätten. So, wie sie es auch im Falle Israels geduldet haben.

Wahrscheinlicher ist bis zum Beweis des Gegenteils, dass der gelernte Schauspieler Selenskij sich auf sein Talent zum Chargieren verlassen hat. Ein unberechenbarer und dazu noch atomar bewaffneter Alliierter im heißen Krieg sollte das letzte sein, was die USA brauchen, gerade weil der Ukraine-Krieg für sie ein Stellvertreterkrieg ist, also nicht aus dem Ruder laufen darf. Dass Washington bisher kein Machtwort einlegte, könnte darauf hindeuten, dass die USA Selenskijs Drohung nicht wirklich ernst nehmen. Andernfalls stünde die Frage im Raum, wer hier eigentlich mit dem Atomkrieg spielt.

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