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Aus: Ausgabe vom 19.10.2024, Seite 14 / Leserbriefe

Aus Leserbriefen an die Redaktion

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Der gute und der böse Mörder

Zu jW vom 15.10.: »In Haft im freien Westen«

Das Urteil gegen den MfS-Mitarbeiter Manfred N. wegen angeblichen Mordes im Jahre 1974 löst – wie nicht anders erwartet – eine neue Welle gegen den »Unrechtsstaat« DDR aus. Besonders das MfS wird als Inkarnation des Bösen dargestellt. Endlich einen Täter des so schlimmen Geheimdienstes gefunden und verurteilt.

Statt eines schlüssigen Beweises in der Sache bewies der Vorsitzende Richter Bernd Miczajka seine richterliche »Unabhängigkeit«, indem er in die mündliche Urteilsbegründung politische Statements einfließen ließ. Wir kennen das bestens aus Hunderten Verfahren gegen DDR-Bürger nach der Zwangsvereinigung.

Unabhängig von der Beweislage misst das Landgericht Berlin nachweislich mit zweierlei Maß. 1999 verurteilte dasselbe Landgericht Berlin Rudolf Müller wegen Totschlags unseres Grenzers Reinhold Huhn zu einem Jahr Freiheitsstrafe auf Bewährung. In der Revision änderte der Bundesgerichtshof 2000 die Entscheidung und verurteilte Müller nun sogar wegen Mordes. Die Strafe auf Bewährung blieb unverändert.

Übrigens werden heute nicht nur Terroristen sofort erschossen. Der DDR stand ein solches Recht selbst bei eindeutigen Terrorhandlungen natürlich nicht zu.

Hans Bauer (Rechtsanwalt, GRH-Vorsitzender), per E-Mail

»Stets bodenständig«

Zu jW vom 16.10.: »Als wir anfingen«

Der einfühlsame Nachruf von Frank Schumann auf Margarete Müller ist sehr berührend. Er erinnert an eine bescheidene und stets bodenständig gebliebene DDR-Politikerin, die noch dazu über großes Fachwissen in der Landwirtschaft verfügte. Beispiele dieser Art wird man heute nicht mehr finden, wo in der Politik oft die Ergatterung bedeutsamer und vor allem gut dotierter Posten mit möglichst großem Einfluss im Mittelpunkt steht und Fachkompetenz – soweit überhaupt vorhanden – eher als Beiwerk hingenommen wird.

Ralph Dobrawa, Gotha

Isolierung gescheitert

Leserbrief zu jW vom 12./13.10: »Neue Allianz am Horn«

Dina Mufti, langjähriger äthiopischer Botschafter, stellte am 11. Oktober in einem Interview fest: »Es sind unsere westlichen Partner, die uns vorschreiben, wen wir als Verbündeten betrachten sollen, und Washington war nicht sehr erfreut über unsere erneuerten Beziehungen zu Eritrea. Es scheint, als ob es uns nicht erlaubt ist, positiv mit Eritrea zusammenzuarbeiten.«

Eine bemerkenswerte Aussage angesichts des Untertitels im jW-Beitrag, wonach das trilaterale Abkommen zwischen Ägypten, Eritrea und Somalia sich »vor allem« gegen Äthiopien richte. Vordergründig mag das so aussehen, aber es wäre interessant gewesen zu erfahren, gegen wen noch. Denn die jüngste Allianz dreier maßgeblicher Staaten am Roten Meer (nur Sudan fehlt) ist vor allem ein Bündnis für (!) etwas: nämlich die »Zurückweisung jeglicher Einmischung in die internen Angelegenheiten der Länder am Horn von Afrika, einerlei unter welchem Vorwand oder welcher Rechtfertigung« (bilaterale Erklärung von Ägypten und Eritrea vom 10. Oktober). Dies richtet sich im Kern gegen die USA, die mit der Befreiungsfront von Tigray, kurz: TPLF, lange Zeit »aufs falsche Pferd« gesetzt haben und denen mit der zunehmenden Zersplitterung Äthiopiens der Verlust ihres Statthalters in einer der strategisch weltweit bedeutsamsten Regionen droht. Eritrea hat erneut klargemacht, dass der Versuch seiner Isolierung (»Containment policy«) final gescheitert ist und Stabilität am Horn von Afrika nur gegen die interventionistische Politik des State Department erreicht werden kann.

Dirk Vogelsang, Lilienthal

Naturdinge

Leserbrief zu jW vom 15.10.: »Eine glatte Drei minus«

Der amtliche Bericht, eine Umwelt-NGO und der Autor sprechen vom »Wald«. Das ist in Deutschland ein Tarnwort für Forst, also einen durch Menschen gepflanzten und bewirtschafteten Baumacker. Durch glückliche Umstände ähneln manche Forste natürlichen Wäldern und heißen dann »naturnah«. Die Anfälligkeit von Forsten für Witterungsphänomene und Insektenfraß war schon im 18. Jahrhundert bekannt.

Der Erlanger Professor Eugen Johann Christoph Esper (1742–1810) kannte 1786 auch das Gegenmittel: »Noch würde (…) die Verfügung für die Zukunft sehr heilsam seyn, wenn vermengte Holzarten, als Fichten, Tannen und Fohren, oder auch Laubgehölze zugleich angelegt würden. So könnte der Schaden dieser Raupen nie beträchtlich werden, da sie sich selten auf einem unter anderen Gattungen stehenden Baum aufhalten, und wenn es sich auch ereignen sollte, würde doch der Verlust sehr unbedeutend seyn.«

Die Forstwirtschaft hat das jahrhundertelang ignoriert, aber heute kann des Jammerns über die Folgen nicht genug sein. Nicht Klimawandel, Dürre und Insekten sind schuld, sondern ein profitgetriebenes Wirtschaftssystem. Auffällig ist des weiteren das Teleologische im Artikel: Jedes Naturding hat seinen Nutzen und Endzweck, zwar nicht im Schöpfungsplan, aber im Klimaschutz. Das bildet die ideologische Unterlage für die profitgetriebene »alternative« Energie- und sonstige Großindustrie: Ein Naturding, das hier nichts nutzt, muss weg, genau wie bei den fossilen Industrien. Nur was Nutzen bringt, hat Existenzrecht, zur Not eben als Totholz, wenn es nicht als Bauholz taugt. So dient Klimaschutz nicht Mensch und Natur, sondern der Erhaltung des nunmehr gewünschten »alternativen« Profitsystems.

Michael Wallaschek, Halle (Saale)

Statt eines schlüssigen Beweises in der Sache bewies der Vorsitzende Richter Bernd Miczajka seine richterliche ›Unabhängigkeit‹, indem er in die mündliche Urteilsbegründung politische Statements einfließen ließ.

Solidarität jetzt!

Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.

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