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Aus: Ausgabe vom 21.10.2024, Seite 1 / Titel
Krieg gegen Palästina

Endgültig menschenleer

Gazastreifen: Israel tötet erneut Dutzende Palästinenser im abgeriegelten Norden. Anzeichen für Umsetzung vom »Plan der Generäle« mehren sich
Von Wiebke Diehl
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Notdürftig aufgebahrt: Opfer des jüngsten israelischen Angriffs auf Beit Lahija (20.10.2024)

Israels Premier hat es am Sonntag noch einmal bekräftigt: Man treffe Entscheidungen über das Vorgehen im Gazastreifen und im Libanon unabhängig von den USA. Zuvor hatte Benjamin Netanjahu mit dem ehemaligen US-Präsidenten und Bewerber für eine neue Amtszeit Donald Trump telefoniert. Dass die israelischen Entscheidungen angesichts von Waffenlieferungen im Wert von mindestens 17,9 Milliarden US-Dollar seit dem 7. Oktober 2023 so unabhängig nicht sein können, liegt auf der Hand. Was die – von den US-Verbündeten gedeckten – Entscheidungen Netanjahus bedeuten, zeigte sich derweil am Wochenende ein weiteres Mal: Allein in der Stadt Beit Lahija im Norden des Gazastreifens wurden 87 Menschen, darunter viele Frauen und Kinder, bei israelischem Beschuss ihrer Wohnhäuser getötet.

Seit 16 Tagen belagern israelische Truppen den Norden der Küstenenklave, wo sich noch etwa 400.000 Menschen aufhalten. Die Bombardierung von Häusern, Notunterkünften und Krankenhäusern wird intensiviert, das Gesundheitspersonal wurde von der Armee mehrfach zur Evakuierung aufgefordert und die Treibstofflieferungen für die Krankenhäuser blockiert. Außerdem hat die Unterbrechung der Kommunikationsmittel seit Freitag deren Funktionsfähigkeit weiter beeinträchtigt. Seit Wochen lässt Israel nahezu keine Lieferungen von Nahrungsmitteln und Trinkwasser in das Gebiet. Das UN-Nothilfebüro OCHA forderte am Sonntag erneut die Öffnung weiterer Grenzübergänge, um die notleidende Bevölkerung versorgen zu können.

Immer akuter stellt sich die Frage, ob Israel zur Umsetzung des Ende September veröffentlichten »Plans der Generäle«, auch »Eiland-Plan« genannt, übergegangen ist, der im Militär und auch in der israelischen Knesset sowie bei Netanjahu immer breitere Zustimmung findet. Weil die Armee auch nach über einem Jahr Gazakrieg ihre militärischen Ziele nicht umsetzen und die Geiseln nicht befreien konnte, schlagen darin hochrangige Reservisten vor, den nördlichen Gazastreifen mit Hilfe einer kompletten Unterbindung der Zufuhr von Nahrungsmitteln, Treibstoff und Wasser endgültig menschenleer zu machen und dann »zu säubern«. Jeder, der bleibe, gelte als Hamas-Kämpfer und könne entscheiden, sich zu ergeben oder zu verhungern.

Zentrale Figur hinter dem Plan ist der pensionierte Generalmajor der Reserve Giora Eiland, der eigentlich als mitte-links gilt und während der Justizreformkrise noch Reservisten bei ihrer Weigerung, sich zum Dienst zu melden, unterstützte. Inzwischen ist Eiland zweifellos ein Hardliner: Am 29. Oktober 2023 forderte er, Gaza vollständig zu zerstören, im Dezember wollte er jegliche humanitäre Hilfe einstellen, damit »ganz Gaza verhungert« und die Bevölkerung infolgedessen gegen die Hamas putsche. Auch Epidemien solle man zu diesem Zweck in Kauf nehmen, die »alten Frauen von Gaza« sind für ihn »Großmütter der Hamas-Kämpfer«. Ebenfalls im Oktober 2023 empfahl das israelische Geheimdienstministerium die »Evakuierung der Bevölkerung des Gazastreifens in den Sinai«.

An diesem Montag wollen Spitzenpolitiker der regierenden Likud-Partei, darunter mit May Golan auch die Ministerin für soziale Gleichstellung, nahe der Grenze zum Gazastreifen unter dem Slogan »Gaza gehört uns, für immer« eine Konferenz abhalten. Dort wollen sie die von ihnen geforderte Neubesiedlung der 2005 geräumten, aber laut Internationalem Gerichtshof und UNO bis heute besetzten, palästinensischen Enklave erörtern.

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