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Aus: Ausgabe vom 21.10.2024, Seite 6 / Ausland
»Kurdische Frage«

Kein Frieden ohne Öcalan

Türkische Regierung verwirrt mit Handreichung Richtung Kurden. Zeichen für echte Bereitschaft zu Dialog mit PKK gibt es nicht
Von Tim Krüger
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Im Widerspruch zum Handschlag: Kurdinnen dürfen in Diyarbakır nicht demonstrieren (13.10.2024)

Es war ein mehr als ungewohntes Bild, als der türkische Faschistenführer Devlet Bahçeli bei der Eröffnungszeremonie des türkischen Parlaments am 2. Oktober den Abgeordneten der linken prokurdischen DEM-Partei die Hand reichte. Der Vorsitzende der Partei der Nationalistischen Bewegung (MHP) gilt als ausgemachter Kurdenfeind und bezeichnete die Parlamentsfraktion der DEM bis zuletzt als »Terrornest«. Dass Bahçeli den Abgeordneten der sozialistischen Partei, deren Verbot er noch vor kurzem immer wieder lautstark einforderte, nun freundlich die Hand schüttelte, sorgte nicht nur in der türkischen Öffentlichkeit für Verwirrung.

Bahçeli selbst erklärte, er hätte die DEM-Partei dazu »eingeladen«, eine »Partei der Türkei zu werden«. In der Fraktionssitzung seiner MHP legte Bahçeli am vergangenen Dienstag noch einmal nach. Er hätte die Hand »zum Wohle des Landes« gereicht und die Geste sei »kein taktisches Manöver, sondern ehrlich und wohlüberlegt«. An die DEM gerichtet, belehrte Bahçeli, dass es »entweder Politik oder Terror« geben würde. Die Partei solle »zur Vernunft kommen« und der »Terrorismus« müsse »ausgerottet werden«.

Manche Beobachter wollten im Handschlag Bahçelis schon vorschnell den Beginn neuerlicher Friedensverhandlungen zwischen der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) und der türkischen Regierung kommen sehen. Die Spekulationen überschlagen sich, nachdem auch Präsident Recep Tayyip Erdoğan am vergangenen Wochenende seine Unterstützung für Bahçelis symbolischen Handschlag verkündet hatte. Weiter hatte Erdoğan erklärt, dass es in Zeiten zugespitzter Auseinandersetzungen im Nahen und Mittleren Osten wichtig sei, »Frieden im eigenen Land zu schaffen«.

Tags zuvor hatte die türkische Journalistin Amberin Zaman in einem Artikel auf der Nachrichtenseite Al-Monitor unter Berufung auf anonyme Quellen in der PKK und türkischen Regierungskreisen behauptet, dass es bereits eine erste Kontaktaufnahme zwischen dem in Isolationshaft befindlichen PKK-Vorsitzenden Abdullah Öcalan und der Führung der Organisation in den nordirakischen Kandil-Bergen, gegeben haben soll. Damit stünden Verhandlungen unmittelbar bevor. Bevor die türkische Regierung 2015 die letzten Friedensgespräche abbrach, war Öcalan als Verhandlungsführer der kurdischen Seite aufgetreten.

Doch die Realität sieht anders aus. So ließ Bahçeli bei seiner Rede in der Fraktion keinen Zweifel darüber, wie er sich eine »Lösung« der kurdischen Frage vorstellen würde. Der Staat verhandle nicht mit »Terrororganisationen«, und die PKK-Kämpfer hätten nur die Möglichkeit »vom Berg herunterzukommen und sich zu ergeben«. Bahçeli forderte Öcalan gar dazu auf, die PKK »einseitig aufzulösen«. Der Kovorsitzende der DEM-Partei, Tuncer Bakırhan, entgegenete dem MHP-Vorsitzenden: »Wolle man hören, was Öcalan zu sagen habe«, müsse man erst die seit 43 Monaten andauernde Totalisolation des politischen Gefangenen beenden.

Auch Keskin Bayındır, Kovorsitzender der Demokratischen Partei der Regionen (DBP), unterstrich am Sonnabend, dass »jeder Prozess, bei dem Herr Öcalan nicht der Hauptakteur ist (…) nicht aufrichtig und korrekt« sei. Von einer Bereitschaft zu einer Lösung durch Verhandlungen mit dem politischen Gefangenen fehlt allerdings weiterhin jede Spur. Noch am Wochenende zuvor hatten die türkischen Behörden eine Demonstration für die Freiheit Öcalans in Diyarbakır untersagt. Zehntausende Menschen widersetzten sich dem Verbot und marschierten dennoch.

Der hochrangige PKK-Führungskader Mustafa Karasu warnte in einem Gespräch mit der kurdischen Nachrichtenagentur ANF ebenso vor vorschnellen Schlüssen. Der Handschlag von Bahçeli müsse als Teil der »speziellen Kriegführung« des türkischen Staates gesehen werden. Als Bewegung sei man immer Unterstützerin einer »demokratischen Lösung der kurdischen Frage« gewesen, doch handele es sich beim jetzigen Diskurs um eine »Falle«, so Karasu. Das Regime werde versuchen, »der DEM-Partei Dinge aufzuzwingen, die diese nicht akzeptieren kann«. Mit dem Argument, man hätte »ihnen die Chance gegeben«, sie seien aber nicht darauf eingegangen, könnten die Angriffe gegen die kurdische Freiheitsbewegung weiter intensiviert werden.

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