Begnadigungen auf den letzten Metern?
Von Jürgen HeiserWird US-Präsident Joseph Biden vor dem Ende seiner Amtszeit den indigenen politischen Gefangenen Leonard Peltier (80) begnadigen? Anlässlich des Besuches von Biden in der BRD am Freitag erhob die Solidaritätsbewegung für den seit 48 Jahren in den USA eingesperrten Aktivisten des American Indian Movement (AIM) diese Forderung mit einer Briefkampagne an europäische und US-amerikanische Stellen. Wie jeder US-Präsident könnte Biden jetzt noch bis zum Ende seiner Amtszeit in Fällen, die nach Bundesrecht abgeurteilt wurden, von seinem präsidialen Begnadigungsrecht Gebrauch machen.
Sein Vorvorgänger Barack Obama begnadigte in vergleichbarer Situation im Januar 2017 die beiden politischen Gefangenen Chelsea Manning und Oscar López Rivera. Die Whistleblowerin und der puertoricanische Unabhängigkeitskämpfer konnten am 17. Mai des Jahres unter dem Jubel ihrer Unterstützer ihre Zellen verlassen.
Obama hatte in seiner Amtszeit insgesamt 1.385 Häftlingen ihre Reststrafen erlassen und 212 begnadigt, um ihnen »eine zweite Chance zu geben«. Doch Peltier wartete vergeblich auf seine Entlassung. Auch US-Präsident William Clinton enttäuschte gegen Ende seiner zweiten Amtszeit im Jahr 2000 zuvor geweckte Hoffnungen, er werde Peltier begnadigen. Unter dem Druck einer Massendemonstration von Agenten der US-Bundespolizei FBI vor dem Weißen Haus rückte er von dem Vorhaben ab. Seit Jahrzehnten bestehen erhebliche Zweifel an der Schuld des AIM-Aktivisten, für den Tod zweier Agenten verantwortlich zu sein, doch die Lobby des FBI in Washington nutzt bis heute ihre Macht dazu, Peltier hinter Gittern sterben zu lassen.
Ob Biden sich dem entgegenstellen könnte, ist gerade in diesen Zeiten völlig offen, in denen Organe der Staatssicherheit von Justiz, Polizei und Militär in den USA den Ton angeben. Er »hat von seiner Gnadenvollmacht sparsameren Gebrauch gemacht als seine Amtsvorgänger«, stellte der US-Newsblog Axios bereits am 13. Juli fest. Biden habe »nur 1,6 Prozent der mehr als 8.000 Gnadengesuche genehmigt, die seit Januar 2021 bei ihm eingegangen sind«. Das sei der niedrigste Prozentsatz aller Präsidenten der vergangenen 50 Jahre. Nur George W. Bush und Donald Trump kämen dem mit 1,8 bzw. zwei Prozent nahe.
Ende Juli meldete The Hill, das Newsportal des US-Kongresses, Biden habe zwar »einige weitreichende Massenbegnadigungen und Umwandlungen von Urteilen vorgenommen, aber in Einzelfällen nicht genug getan«. So wurden im Juni rund 2.000 Armeeveteranen begnadigt, die im Lauf von 60 Jahren wegen des »Verbots von homosexuellem Sex« unehrenhaft aus dem Militärdienst entlassen worden waren. Damit berichtige er »ein historisches Unrecht«, zitierte CNN den US-Präsidenten am 26. Juni, der den »Mut und die große Opferbereitschaft« der Soldaten hervorhob, die »an der Frontlinie der Freiheit stehen und ihr Leben riskieren, um unser Land zu verteidigen«.
Zuvor hatte er schon »etwa 6.500 Menschen geholfen«, die nach Bundesrecht wegen Marihuanabesitzes verurteilt worden waren, wie The Hill weiter berichtete. Und im Dezember 2023 wandelte er die Urteile von elf Personen um, die »extrem lange Strafen für Drogendelikte verbüßten« und deutlich niedrigere Strafen erhalten hätten, wenn sie heute wegen desselben Vergehens angeklagt würden. Was indirekt auf die seit der Ära Clinton in den 1990er Jahren verschärften Strafurteile hinweist, die zu »Masseninhaftierungen« führten und eine ganze Generation von schwarzen und hispanischen Jugendlichen in den Knast verbannte. Biden selbst war als US-Senator für diese »Hart gegen Verbrechen«-Kampagne maßgeblich verantwortlich.
Es bitten aber weitere 7.000 Bundesgefangene Biden, diese Befugnis zu nutzen, um sie vor Ende seiner Amtszeit aus dem Gefängnis zu entlassen, wie Reuters Ende September berichtete. Vom Weißen Haus hieß es lediglich, er bleibe »der Reform unseres Strafrechtssystems verpflichtet« und werde Gnadengesuche »in einer durchdachten und wohlüberlegten Weise« prüfen.
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