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Aus: Ausgabe vom 21.10.2024, Seite 7 / Ausland
Krieg in Nahost

Aktionsfreiheit gegen Iran

Nach Hisbollah-Angriff auf seine Villa am Mittelmeer braucht Israels Premier Netanjahu Kritik der US-Regierung kaum noch zu fürchten
Von Knut Mellenthin
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Willkommener Anlass: Die Straße zu Netanjahus Villa in Caesarea nach dem Drohnenangriff am Sonnabend

Nach dem Drohnenangriff der libanesischen Hisbollah auf Benjamin Netanjahus Luxusvilla in der Mittelmeerstadt Caesarea haben israelische Regierungs- und Oppositionspolitiker ihre Kriegsdrohungen gegen Iran verschärft. Der Premierminister selbst erklärte, »die Agenten Irans, die mich und meine Frau zu ermorden versuchten, haben einen bitteren Fehler gemacht«.

Obwohl die Islamische Republik durch eine Erklärung ihres Vertreters in der UNO darauf verwies, dass nur die Hisbollah für den Angriff verantwortlich sei, besteht »ganz Israel« darauf, dass die Hauptschuld den Iran trifft. Knesset-Sprecher Amir Ohana von Netanjahus Likud erklärte: »Damit haben sie einen großen Fehler begangen und werden dafür bezahlen. (…) Meiner Meinung nach werden sie es danach bedauern, dass sie jemals gelernt haben, eine Papierschwalbe zum Fliegen zu bringen, geschweige denn eine Drohne.« Der Führer der säkular-chauvinistischen Partei Jisrael Beitenu, Avigdor Lieberman, rief die Regierung auf, »zu verlangen, dass alle demokratischen Länder sofort diesen Versuch, dem Premierminister und seiner Familie Schaden zuzufügen, verurteilen«. Jetzt sei »der Zeitpunkt gekommen, zu handeln und einen schweren Preis aufzuerlegen«, indem Israel die »strategischen Anlagen« und »die militärische und politische Elite« Irans angreift.

Die Hisbollah hatte am Sonnabend morgen drei Drohnen gestartet, von denen zwei von der Luftabwehr zerstört wurden, während die dritte in der Stadt Caesarea explodierte, wie es zunächst offiziell ohne genauere Angaben hieß. Die in Israel stark beachtete Nachrichtenagentur Axios, die ihr Büro in der Nähe des CIA-Hauptquartiers Langley im Großraum Washington hat, behauptete ohne Nachprüfbarkeit, Netanjahus Residenz sei getroffen worden. Die britische Tageszeitung Guardian sprach von »leichten Schäden« an der Villa.

Die erneuten israelischen Drohungen kommen in einer Situation, in der ohnehin schon seit dem 1. Oktober auf den angekündigten »Gegenschlag« gewartet wird. An diesem Tag hatte Iran rund 200 Raketen abgeschossen, von denen mehr als 20 auf zwei Luftwaffenstützpunkten einschlugen, ohne dass jemand verletzt wurde und ohne dass nachhaltige Schäden entstanden. Die Aktion wurde als Vergeltung für die »gezielte Tötung« des Hamas-Chefs Ismail Hanija, des Hisbollah-Führers Hassan Nasrallah und des Generals der iranischen Revolutionsgarden (IRGC), Abbas Nilforuschan, deklariert.

Der Angriff in Caesarea wird sich wahrscheinlich verstärkend und enthemmend auf den bevorstehenden »Gegenschlag« gegen Iran auswirken. Während die Biden-Administration bisher so tat, als wolle sie Israel bremsen, kann Netanjahu jetzt damit rechnen, freie Hand bei der Auswahl der Ziele zu haben. Dazu gehören möglicherweise Angriffe auf Irans Erdölindustrie und sein Atomprogramm, die Zerstörung von Regierungs- und IRGC-Gebäuden ebenso wie »gezielte Tötungen«.

Seit Freitag sind zwei bestätigt authentische Top-Secret-Dokumente aus dem breiten Reich der US-Aufklärung im Umlauf, die auf den 15. und 16. Oktober datiert sind. Sie enthalten zahlreiche präzise Informationen zum aktuellen Stand der Vorbereitungen der israelischen Streitkräfte auf Angriffe gegen Iran. Nichts davon ist aber geeignet, in den offenen Fragen des Zeitpunkts und der Ziele weiterzuführen. Zuerst verbreitet wurden die Papiere über den Telegram-Account einer Gruppe namens »Middle East Spectator«, die nicht unplausibel dem iranischen Einflussspektrum zugeordnet wird. Für das Leak müssen nicht unbedingt US-Stellen verantwortlich sein, denn die Geheimdokumente gingen auch an die Partner in Großbritannien, Kanada, Australien und Neuseeland.

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