Aus Leserbriefen an die Redaktion
»Schlüssel zum Pogrom«
Zu jW vom 17.10.: »Jenseits von Afrika«
Die Einschläge der Faschisierung kommen, wie von einigen schon länger vorhergesehen, näher und näher. Nun also auch ein KZ außer Landes, wo die Täter noch freier – weil noch weniger beobachtbar – ihr Unrecht ausleben können … Aber dann doch mal eine Frage, so für einen Freund, ya know: Dass widerwärtige, weil weitgehend selbstbestimmte Faschisten engagierte Antifaschisten als Feinde betrachten und, sobald sie in Machtpositionen sind, sie selbstverständlich auch so behandeln, sollte nicht verwundern. Nur »räudige Hunde«, also kranke, hilflose Tiere, die nun wahrlich nichts für ihre Leiden können, sind wie Feinde zu behandeln? Wow. Hm, also mir fiele dazu der alte Adorno ein: »Die stets wieder begegnende Aussage, Wilde, Schwarze, Japaner glichen Tieren, etwa Affen, enthält bereits den Schlüssel zum Pogrom. Über dessen Möglichkeit wird entschieden in dem Augenblick, in dem das Auge eines tödlich verwundeten Tiers den Menschen trifft. Der Trotz, mit dem er dieses Bild von sich schiebt – ›es ist ja bloß ein Tier‹ –, wiederholt sich unaufhaltsam in den Grausamkeiten an Menschen, in denen die Täter das ›Nur ein Tier‹ immer wieder sich bestätigen müssen, weil sie es schon am Tier nie ganz glauben konnten.«
Norbert Schreiber, München
»Demoskopisches Senkblei«
Zu jW vom 15.10.: »Raus aus der Krise«
Der wackeren Ulrike Eifler kann man nur die Daumen drücken, dass sie in den Vorstand der Linkspartei gewählt wird. In den vergangenen Jahren wurde der Parteivorstand (PV) allerdings ziemlich einseitig besetzt vom rechten Flügel in Verbindung mit den – aus dem Boden gestampften – sogenannten Bewegungslinken. Langjährig aktive Strömungen wie Sozialistische Linke, KPF und Gewerkschaftsnahe werden konsequent draußen gehalten – im Gegensatz zur inklusiven Praxis früherer Jahre, als selbstverständlich alle relevanten Strömungen im PV vertreten waren. Die immer wieder Sahra Wagenknecht angelastete Parteispaltung geht tatsächlich auf das Konto der entgegengesetzten Delegiertenmehrheiten, die nur noch ihre Leute »durchwählen«. Und dann werden auch noch parteifremde Figuren wie Carola Rackete aufs Schild gehoben, welche sich als wenig populäres, demoskopisches Senkblei erweisen (zwokommasieben Prozent bei der Europawahl).
Hans Wiepert, Berlin
»Raketen sind Magneten«
Zu jW vom 15.10.: »Raus aus der Krise«
Ich kann Ulrike Eifler nur dankbar sein für ihren Artikel. Und gebe zu: Ich bin nicht Mitglied der Linken, bekenne aber, 1983 und 1984 als wehrpflichtiger uniformierter Soldat gegen den NATO-Doppelbeschluss und die damit beabsichtigte Stationierung von Atomraketen in Europa demonstriert zu haben.
Ich bin seinerzeit Vertrauensmann einer Ausbildungskompanie in einem Münsteraner PzAufklLehr-Bataillon gewesen (Boeselager), als im politischen Unterricht der Hauptmann uns Rekruten eindringlich davor gewarnt hat in Uniform an einer der drei parallel unmittelbar bevorstehenden Großdemonstrationen im November 1983 teilzunehmen.
Das ist symptomatisch gewesen für die seinerzeitigen gesellschaftspolitisch weitreichenden Auswirkungen der Friedensbewegung auch in Militärkreise aller Dienstgrade hinein, für die spürbar gewachsene Nervosität der Herren von der Hardthöhe (Wörner/Altenburg).
Ich kann mich im übrigen nicht erinnern, dass auch nur irgendeiner von uns anschließend in den »Bau« gekommen ist. Heute ist die Lage jedoch ungleich brisanter. Diese neuerlichen ohne jegliche öffentliche demokratische Legitimation auf deutschem Boden zu stationierenden strategischen Erstschlagswaffen entsprechen der US-Doktrin des Präventivschlags und werden damit selbst zu treffsicheren Objekten des zu antizipierenden russischen Gegenpräventiveinsatzes – Raketen sind Magneten!
Falls es zu Spannungen und dem kriegerischen Konflikt der USA bzw. China in Süd- bzw. Südostasien käme, dienen diese Waffen in Europa dem In-Schach-Halten des möglichen Bündnispartners von China. Was alles andere als beruhigend ist, denn wie kurz vor dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges bedarf es ja »nur« eines Zwischenfalls wie dem des Attentats von Sarajevo, dann greifen die sogenannten NATO-Allianz- und -Beistandsverpflichtungen.
So ist es also erforderlich, nicht allein den »Berliner Appell« zu unterschreiben, sondern einer umfassenderen internationalen Friedensbewegung neue Stärke zu verleihen – gegen »Kriegstüchtigkeit« und Rüstungswahn aufzustehen. Bilaterale bzw. eskalierende Konflikte – wie gegenwärtig erkennbar – werden nur beendet durch sofortigen Waffenstillstand, vertrauensbildende, friedenskooperative Maßnahmen in Zusammenarbeit mit der UNO, d. h. wirkungsvolle, in zivilgesellschaftlicher Verantwortung durchzuführende, kontrollierbare Abrüstungsschritte auf jeder Seite.
Die zu erreichende Stärke der Friedensbewegung liegt nicht zuletzt in der Einheit der Vielfalt. Und wie Sahra Wagenknecht völlig zu Recht gesagt hat auf der Friedenskundgebung am 3. Oktober in Berlin: Wir müssen mehr werden!
Klaus Brinkop, Hannover
Nachspiel
Zu jW vom 5./6.10.: »Die rätselhafte Hundertjährige«
Wir freuen uns immer, wenn die jW ins Haus kommt, denn darin herrscht kein Kriegsgeschrei (also die Hybris des Westens) wie in fast allen anderen Medien und: Die Politikerinnen und Politiker haben keine Ahnung, was Krieg wirklich bedeutet.
Ich, Dschiggetai, möchte mich auch bei Sören Bär bedanken. Ich spiele gerne die Schachpartien nach. Bevor ich die Züge einsehe, schaue ich, wie ich jetzt ziehen würde. Natürlich nicht immer erfolgreich.
Nina »Ni« Schiertz und »Dschiggetai«, per E-Mail
So ist es also erforderlich, nicht allein den »Berliner Appell« zu unterschreiben, sondern einer umfassenderen internationalen Friedensbewegung neue Stärke zu verleihen – gegen »Kriegstüchtigkeit« und Rüstungswahn aufzustehen.
Solidarität jetzt!
Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.
In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.
Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!