Je Dollar, desto oller
Von Jörg KronauerMit einem ersten Empfang für die teilnehmenden Delegationen hat am Dienstag im russischen Kasan das diesjährige Gipfeltreffen des BRICS-Bündnisses begonnen. Zu dem Treffen, einschließlich einer Zusammenkunft mit zahlreichen Gastländern am Donnerstag, werden Repräsentanten von insgesamt 36 Staaten erwartet. Zwei Drittel von ihnen wollten ihre Staats- und Regierungschefs entsenden. Hinzu kommen Vertreter von sechs internationalen Organisationen. UN-Generalsekretär António Guterres wird am Donnerstag eintreffen, dem letzten Tag des Gipfels. In Moskau hieß es schon vorab, es handle sich um eine »sehr große Veranstaltung«, womöglich gar um »eine der größten in der russischen Geschichte« – ein durchaus zutreffender Hinweis darauf, dass es dem Westen mehr als zweieinhalb Jahre nach dem Beginn des Ukraine-Kriegs weiterhin nicht gelingt, Russland international zu isolieren.
Größeres Gewicht kommt bei den BRICS-Verhandlungen an diesem Mittwoch wohl vor allem zwei Themen zu. Zum einen steht die Frage nach einer erneuten Erweiterungsrunde des Bündnisses im Raum, das zu Jahresbeginn bereits Ägypten, Äthiopien, Iran sowie die Vereinigten Arabischen Emirate aufgenommen hat. Auch Saudi-Arabien hatte grünes Licht erhalten, hat den Beitritt aber seinerseits bis heute nicht in aller Form vollzogen. Aufschlüsse, wie es mit seiner Mitgliedschaft weitergehe, werde es womöglich in Kasan geben, ließ Putins Sprecher Dmitri Peskow kurz vor Gipfelbeginn wissen. Zahlreiche weitere Staaten wollen den BRICS beitreten, darunter die Türkei. Allerdings gibt es Einwände: Wachse man zu stark und zu schnell, dann drohe das Bündnis handlungsunfähig zu werden – vergleichbar etwa den G77 –, warnte vorab Celso Amorim, außenpolitischer Berater des brasilianischen Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva. Alternativ zur Aufnahme von Neumitgliedern ist die Schaffung eines Formats für »Partnerstaaten« im Gespräch.
Eine bedeutende Rolle soll bei den Gipfelverhandlungen auch das Vorhaben einnehmen, die Dominanz des US-Dollars im globalen Finanzsystem zu brechen. Darauf arbeiten die BRICS bereits seit geraumer Zeit hin – nicht zuletzt, um sich gegen die heute schon bestehenden wie auch gegen die absehbar drohenden Sanktionen der westlichen Staaten zu wappnen, die zur Zeit hauptsächlich die BRICS-Mitglieder Russland, China und Iran treffen. Das Vorhaben ist komplex; große Durchbrüche werden in Kasan noch nicht erwartet. Allerdings werde es wohl kleinere Fortschritte geben, hieß es vorab aus mehreren Quellen. Denkbar wäre etwa die verstärkte Abwicklung des Handels in nationalen Währungen anstelle der Bezahlung in US-Dollar.
Bereits am Dienstag kam Putin am Rande des Gipfeltreffens unter anderem mit Indiens Premierminister Narendra Modi zusammen, mit dem er eine erneute Stärkung der bilateralen Kooperation besprach. Am Mittwoch will Putin mit Irans Präsidenten Massud Peseschkian Gespräche führen; vorab hieß es, beide Seiten wollten förmlich eine umfassende strategische Partnerschaft vereinbaren. Noch unklar war, ob Modi zum ersten Mal seit 2020 mit Chinas Präsident Xi Jinping persönlich zusammentreffen würde. Die Voraussetzung dafür wäre gegeben: Indien und China haben sich am Montag auf ein Abkommen zur Entschärfung ihrer Streitigkeiten um ihre gemeinsame Grenze hoch oben im Himalaja geeinigt. Damit ist der Weg für eine Verbesserung der bilateralen Beziehungen frei.
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Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (23. Oktober 2024 um 10:02 Uhr)Als sich die BRICS-Staaten 2006 zusammenschlossen, herrschte große Skepsis, ob sie angesichts der erheblichen Heterogenität ihrer Mitglieder Bestand haben und das internationale Gleichgewicht beeinflussen könnten. Doch mittlerweile sind sie zu einem unverzichtbaren Bezugspunkt für den sogenannten Antiwesten geworden – eine Gemeinschaft von Ländern, die sich von den traditionellen Machtstrukturen der Weltordnung ausgeschlossen fühlen. Der mittlerweile auf neun Mitglieder angewachsene, informelle Staatenbund versteht sich als Gegenpol zum Westen. Das Treffen in Kasan bietet Putin die ideale Bühne für eine Imagekorrektur, bei der er nicht nur rhetorisch das westliche Narrativ seiner Isolation widerlegen, sondern auch eine Führungsrolle in einer Organisation beanspruchen kann, die darauf abzielt, die durch wachsende Fragmentierung geprägte neue Weltordnung zu beeinflussen. Was die BRICS-Länder vereint, ist die Ablehnung einer Weltordnung, die dem Westen nach wie vor eine überproportionale Bedeutung zuschreibt. Diese ablehnende Haltung, gepaart mit dem durch den Nahost-Konflikt verstärkten Eindruck westlicher Doppelmoral, öffnet den BRICS-Verfechtern – allen voran China mit seinem Bestreben, den Antiwesten anzuführen – Tür und Tor. Der Westen sollte daher die Botschaft aus Kasan nicht ignorieren, sonst riskiert er, in einer Welt aufzuwachen, die ihm entgleitet.
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Leserbrief von Holger (22. Oktober 2024 um 22:35 Uhr)Na, vielleicht flüstern sie dem Wladi mal, dass das mit seinem Krieg keine so gute Idee ist. Das wäre schon ein gutes Ergebnis der Zusammenkunft.
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Ulf G. aus Hannover (24. Oktober 2024 um 13:44 Uhr)Ob die russische Entscheidung zur weiteren Eskalation im Donbass gut oder schlecht war, ist nicht so einfach zu beurteilen. Immerhin hatte Selenskij Anfang Dezember 2021 die Rückeroberung der Krim angekündigt (jW, 3.12.2021) – und dies mit einer Beistandszusage der USA von November 2021 im Rücken. Zum Jahreswechsel 2021/2022 hatte Selenskij erneut versprochen, dass ukrainische Soldaten im Verlauf des Jahres 2022 auf der Krim und im Donbass stehen würden, um dort Selfies zu machen. Wie sie dorthin kommen würden, hatte Selenskij auf der Münchner Sicherheitskonferenz am 19.2.2022 erklärt: Zur Not mit Hilfe der ukrainischen Atombombe. Sollte man russischerseits wirklich darauf warten?
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Leserbrief von Ullrich-Kurt Pfannschmidt (23. Oktober 2024 um 12:51 Uhr)Holger, das finde ich auch. Insbesondere hat Indien Russland dementsprechend gemahnt, auch schon bei früheren Treffen. Wenn auch im Diplomatensprech, aber hinter verschlossenen Türen geht es gewiss zur Sache. Auch andere BRICS-Mitglieder und -Anwärter sehen nicht, welchen Vorteil ihnen der Krieg des BRICS-Mitgliedes Russland gegen die Ukraine bringt.
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Leserbrief von Wolfgang Schmetterer aus Graz (23. Oktober 2024 um 11:48 Uhr)Vielleicht sollte irgendjemand dem »Wertewesten« flüstern, dass das mit seinem Krieg gegen Russland keine so gute Idee ist.
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Leserbrief von Holger (23. Oktober 2024 um 14:17 Uhr)Spielen Sie das mal gedanklich durch: Würde der Westen aufhören, die Ukraine zu unterstützen, was passiert dann? Oder: Würde Russland seine Kampfhandlungen in der Ukraine einstellen, was passiert dann? – Das Gerede vom »Krieg gegen Russland« ist irreführend. Es geht nicht darum, Russland »zu erobern« oder was auch immer, nur darum, es zum Abbruch seiner Invasion zu bringen. Das wäre allenthalben gut genug.
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Leserbrief von Wolfgang Schmetterer aus Graz (23. Oktober 2024 um 17:51 Uhr)Sie blenden die Istanbuler Verhandlungen aus dem Jahr 2022 vollkommen aus. Damals gab es gute Chancen für einen Frieden, Russland zog seine Truppen bei Kiew sogar ab. Was passierte? Der »Wertewesten« zeigte sich souveräner, als es die Ukraine je war und torpedierte die Verhandlungen. Aus diesem Grund haben wir noch heute Krieg und Hunderttausende von Toten. Es ging/geht auch nicht darum, Russland zu erobern, sondern darum, es zu schwächen. Russland könnte gar nicht erobert werden.
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Stephan K. aus Neumarkt i.d.OPf. (23. Oktober 2024 um 16:05 Uhr)Die Ukraine erklärt ihre Neutralität, die NATO verzichtet auf das Abstecken immer neuer Claims vor der russischen Grenze – und die Invasion wäre vorbei. Allerdings geht es nicht um die Abwehr einer Invasion, sondern um die Schwächung Russlands. Ansonsten schließe ich mich den hier schon geäußerten Auffassungen an: Die Eskalation des kleinen Krieges zum großen Krieg durch Russland war keine gute Idee. Zum einen nicht, weil der Westen genau das wollte, zum anderen nicht, weil das Elend des Krieges voraussehbar war. Problematisch an dieser Kritik ist nur: Bisher ist noch niemandem eingefallen, mit welchen friedlichen Mitteln Russland NATO-Besen vor seiner Haustür verhindern kann. Glücklicherweise muss der Kritiker einer Sache, sie selbst nicht besser machen können, als das Objekt seiner Kritik.
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Leserbrief von Rainer.M aus Wernigerode (24. Oktober 2024 um 07:13 Uhr)Hallo Herr Stephan K., die NATO verzichtet auf das Abstecken immer neuer Claims vor der russischen Grenze – und die Invasion wäre vorbei.
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