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Aus: Ausgabe vom 23.10.2024, Seite 3 / Schwerpunkt
KHVVG

Für die Abrissbirne

Krankenhausreform beschlossen. Fehlanreize zu immer mehr Behandlungen bleiben. Quantitative Qualitätsstandards sorgen für Klinikschließungen
Von Susanne Knütter
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»Einmal durch den Berufsverkehr in die Stadt auf der anderen Seite des Rheins – und schon geht es Ihnen viel besser!«

Auch zwei Abgeordnete der Ampelkoalition stimmten am 17. Oktober gegen die Krankenhausreform. Einer davon war Wolfgang Kubicki von der FDP, der andere Erik von Malottki von der SPD. In seiner persönlichen Erklärung, die jW vorliegt, spricht letzterer sich für eine Reform der Gesundheitsversorgung aus. Denn das gegenwärtige System wird weder den Patienten noch den Beschäftigten gerecht. Eine Reform müsse allerdings »alle Menschen in allen Landesteilen« berücksichtigen. »Mit Blick auf den ländlichen Raum und dünn besiedelte Flächenländer, gerade in Ostdeutschland, sehe ich diese Berücksichtigung als nicht ausreichend an.« Malottki spricht aus der Erfahrung mit der Schließung der »Extremfrühchenstation« am Dietrich-Bonhoeffer-Klinikum in Neubrandenburg. Seit Anfang 2023 gilt für die Klinik ein Behandlungsverbot von Frühgeborenen mit weniger als 1.250 Gramm. Krankenhausgesellschaft, Ärzteverbände und Krankenkassen schreiben eine Mindestfallzahl vor und begründen das mit den hohen Kosten solcher Stationen und der notwendigen Sicherung einer hohen Versorgungsqualität. Da Neubrandenburg die geforderte Anzahl von 14 Fällen pro Jahr nicht erreicht hatte, verlor es die Einstufung als »Perinatalzentrum Level 1«. Dagegen gab es breiten Protest. Weil das Qualitätsargument auf die Klinik nicht zutrifft und betroffene Familien aus der Region nun Entfernungen wie die nach Berlin, Rostock oder Schwerin überwinden müssen. Die geforderte Fallzahl wurde inzwischen sogar noch einmal erhöht. Damit könnten weitere Kliniken die Behandlungsberechtigung verlieren.

Malottki sieht diese »immer stärker zentral vorgegebene Verschärfung von Qualitätsanforderungen auf rein quantitativer Grundlage« kritisch. Denn »regionale Lösungen im Sinne der Menschen vor Ort« würden damit »immer unwahrscheinlicher«. Mit der Krankenhausreform, danach sieht es aus, wird sich das Problem fortsetzen und weiter verschärfen.

Das Bündnis »Krankenhaus statt Fabrik«, das Beschäftigte, Patienten und Experten vertritt, warnte am 18. Oktober: »Der Bevölkerung wird mit der Qualitätserzählung Sand in die Augen gestreut, und sie wird über die wahren Ziele der Reform hinweggetäuscht: eine drastische Verringerung der kleinen Grundversorgungskrankenhäuser und der Krankenhausbetten.« Die angekündigte Vorhaltefinanzierung werde direkt wieder mit dem Fallpauschalensystem (Diagnosis Reated Groups, DRG) gekoppelt, denn sie errechnet sich aus Anzahl und Schwere der Behandlungsfälle und nicht aus den zur Bedarfsdeckung notwendigen Vorhaltekosten des Krankenhauses. Damit schreibe das Bundesgesundheitsministerium dieselben Fehlanreize zu immer mehr Behandlungen auch in die Zukunft fort. Außerdem bleibe der Anreiz, immer mehr Fälle zu behandeln, auch dadurch bestehen, dass der reine DRG-Anteil der Vergütung weiterhin bei 40 Prozent der Einnahmen eines Krankenhauses liegt. Der finanzielle Druck auf die Krankenhäuser werde sich auch deswegen nicht ändern, weil die Gesamtsumme der Finanzmittel (bis auf Förderbeträge für wenige einzelne Bereiche) gleichbleibe. »Die Vorhaltevergütung wird also nur zu einer Umverteilung der Mittel führen, so dass insbesondere kleine Krankenhäuser mit weniger Behandlungsfällen noch weniger Geld erhalten werden als bisher.« Es bleibt bei einer finanziellen und keiner bedarfsgerechten Strukturbereinigung.

Einige Abgeordnete kritisierten in der Bundestagsdebatte den »Transformationsfonds«, der zur Finanzierung der Reform vorgesehen ist. Er umfasst 50 Milliarden Euro, zur Hälfte finanziert von den Ländern, zur anderen von den gesetzlichen Krankenkassen. »Aussagen zur Beteiligung der privaten Krankenkassen bleiben schwammig, der Bund bleibt außen vor«, kritisierte Andrej Hunko (BSW). Wie schon im Fall der Pflegeversicherung »greifen Sie damit erneut tief in die Taschen der gesetzlich Versicherten, die das dann mit weiteren Beitragserhöhungen bezahlen sollen«. Gesagt, getan: Am 16. Oktober verkündete der Schätzerkreis der gesetzlichen Krankenversicherung einen deutlich höheren Beitrag zur gesetzlichen Krankenversicherung. Erwartet wird eine Erhöhung des Zusatzbeitragssatzes um 0,8 Prozentpunkte auf 2,5 Prozent. Ohne die Krankenhausreform würde der Beitragssatz nicht so stark steigen, wie es jetzt erwartet werde, sagte Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) gegenüber Bild am Sonntag.

Der Weg zum KHVVG

Vor gut 20 Jahren wurde die Finanzierung der Krankenhausleistungen komplett auf das Fallpauschalensystem umgestellt. Im Hintergrund beteiligt war auch damals schon der Gesundheitsökonom Karl Lauterbach. Um ihre Betriebskosten begleichen zu können, arbeiteten die Kliniken von nun an daran, die Fallzahlen zu erhöhen. Besonders lukrativ waren und sind Operationen. Nicht nur der Kostendruck stieg, auch die Belastungen für Steuerzahler und der Arbeitsdruck für die Beschäftigten. Immer mehr Pflegekräfte und Mediziner kehrten ihrem Beruf den Rücken.

Infolge der Pandemie gingen die Fallzahlen zurück, und zwar dauerhaft. Im Jahr 2023 lagen sie erneut 20 Prozent niedriger als 2019. Für ein System, dass sich nur trägt, wenn genügend (lukrative) Patientenfälle behandelt werden, der Anfang vom Ende. Dann trafen die drastischen Preissteigerungen die Krankenhäuser. Vom Strom bis zum Skalpell – alles wurde teurer. Auf ihren Investitionskosten, für die die Länder aufkommen müssen, bleiben die Krankenhäuser ohnehin seit Jahren sitzen. Jetzt schreibt die Mehrzahl der Kliniken rote Zahlen. Ein unkontrolliertes Kliniksterben hat längst eingesetzt.

Die Krankenhausreform, wie sie am 17. Oktober vom Bundestag beschlossen wurde, dient nicht als Korrektur dieser Entwicklung. Im Gegenteil. Der Bundestagsabgeordnete Ateş Gürpınar (Die Linke) kommentierte das »Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz« in der Debatte entsprechend: »Bis gestern hat die Regierung dem Sterben der Krankenhäuser tatenlos zugesehen; ab jetzt zerstört sie die Krankenhauslandschaft nach Plan.«

Bundesgesundheitsminister Lauterbach (SPD) verspricht, dass 60 Prozent des Budgets über Vorhaltepauschalen finanziert werden. Länder könnten zusätzliche Kapazitäten für die Schlaganfallversorgung aufbauen und Überkapazitäten bei der Versorgung mit Kniegelenksprothesen abbauen. Bedarf decken und ökonomischen Wildwuchs abbauen, lautet die Devise. Die Qualität soll durch Vorgaben erhöht werden, »z. B. drei Fachärzte für die Leistungsgruppen«. Kleine Krankenhäuser auf dem Land sollen von »zahlreichen Qualitätskriterien« ausgenommen werden, wenn sie auf komplizierte Eingriffe verzichten. Was aber wird, wenn auf dem Land zügig ein komplizierter Eingriff nötig wird, diese Frage ist noch nicht beantwortet. Kern der am 1. Januar in Kraft tretenden Reform ist die Reduzierung der Krankenhauslandschaft um ca. 400 Häuser bundesweit.

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