Vor Lauterbach war Laumann
Von Susanne KnütterFür Diskussionsstoff im Bundestag sorgte letzte Woche die fehlende Auswirkungsanalyse. Das heißt, wie sich die Krankenhausreform in der Fläche – in jedem Landkreis, in jeder Stadt – auf das jeweilige Haus auswirkt, ist noch immer nicht bekannt. Sogar von Verheimlichung durch den Gesundheitsminister war die Rede. Erst einen Tag zuvor im Gesundheitsausschuss sei ein Blatt Papier hochgehalten worden, das »kursorisch« die Auswirkungsanalyse für das Saarland darstellen sollte, erklärte Tino Sorge (CDU) in der Debatte am 17. Oktober.
Es ist zwar erstaunlich, dass ein Gesetz, dessen Auswirkungen noch nicht ermittelt bzw. öffentlich gemacht worden sind, überhaupt beschlossen werden kann. Andererseits ist die Diskussion eine Scheindebatte. Nicht weil die Länder und damit auch die Unionsparteien die Auswirkungsanalyse verhindert hätten, wie Armin Grau (Grüne) der Opposition vorwarf: Wichtige Daten wie die Anzahl der Ärzte hätte man erst auf Grundlage des Transparenzgesetzes ermitteln können, und das sei von den Ländern und der Opposition »zunächst lange Zeit verhindert worden«. Auch nicht, weil die Länder die Auswirkungen der Reform letztlich mitbestimmen. Sondern weil die Effekte bereits abzusehen sind – am Beispiel Nordrhein-Westfalen. Die dortige Krankenhausreform ist Vorbild für zumindest Teile von Lauterbachs Projekt.
Diesen Sommer wurden den Krankenhäusern in dem bevölkerungsreichsten Bundesland bereits die Leistungsgruppen zugeteilt, die sie in Zukunft noch versorgen dürfen bzw. sollen. Auch hier war das Hauptargument, die Qualität der Versorgung solle verbessert werden. Die Zwischenbilanz des »Bündnisses für ein gemeinwohlorientiertes Gesundheitswesen« in NRW ist vernichtend. Die Reform richte sich nicht gegen die »geheimnisvollen ›kleinen, schlechten Krankenhäuser um die Ecke‹, die niemand kennt und die doch die Reform befeuern, sondern gegen große leistungsfähige kardiologische Interventionszentren, Endoprothetikzentren, Gefäßzentren, Thoraxchirurgien und Perinataleinrichtungen«, schrieb das Bündnis, in dem sich Patienten, Ärzte und Pfleger engagieren, Anfang September auf seiner Internetseite. »Sie sollen schließen und noch größeren Zentren weichen.« Damit verbunden sei die »nicht auf Fakten gestützte Hoffnung, Kosten und Personal einzusparen«.
Die Experten des Bündnisses kritisieren, dass vielen Häusern, die bis dato Leistungsgruppen in der kardiologischen, endoprothetischen, neurologischen oder gynäkologisch-geburtshilflichen Versorgung vorgehalten haben, diese zu Teilen aberkannt wurden. Patienten mit entsprechenden Krankheitsbildern können an einem Standort zwar primär versorgt werden. Zur kompletten Versorgung aber müssen sie in ein anderes Haus transportiert werden. Und zwar per Rettungsdienst. Patienten würden lange Wege zugemutet, und Rettungsmittel sind über lange Zeit gebunden.
Nicht zu unterschätzen sind in Notfällen und zeitkritischen Versorgungssituationen Dauerbaustellen wie die Straßenbrücke zwischen den rechtsrheinischen Städten Emmerich und Rees zum linksrheinischen Kleve. »Die Brücke ist seit Jahren unter Dauersanierung und wird bei schlechten Wetterverhältnissen und Sturm immer wieder gesperrt.«
Das Bündnis machte es noch konkreter: Der gesamte Flächenbereich Geldern, Xanten, Goch, Emmerich und Kleve könne einen zeitkritischen Riss der Bauchschlagader künftig nicht mehr versorgen. »Das bedeutet Lebensgefahr für die Betroffenen.« Auch die Behandlung von unfallbedingten Verletzungen des Brustkorbs oder Gefäßen gehe mit einer Versorgungsverschlechterung einher, weil die Erkrankung in den betrachteten Versorgungsgebieten nur noch in fünf Städten angeboten werde. Die für Schlaganfallpatienten lebenswichtige Versorgung mit Stroke Units wurde reduziert. »Time is Brain«? Offenbar nicht für Landesgesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU).
Und so geht es fort. Die Krankenhausreform ändert genauso wenig am Versorgungsmangel der Kleinsten, wie sie den demographischen Wandel im Blick hat. Künftig gibt es geriatrische Kliniken, die eine allgemeine Neurologie haben, aber weder eine Stroke Unit noch eine Frührehabilitation. Es gibt Häuser, die verbinden allgemeine Neurologie und Stroke Unit, es fehlt aber die Frührehabilitation.
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Leserbrief von Ruddat, Z (24. Oktober 2024 um 10:33 Uhr)Wieder aller Vernunft und Bedarfe sollen Kosten gesenkt werden, im teuersten und ineffektivsten Gesundheitswesen der Welt. Diesen Befund trägt der revolutionäre Gesundheitsminister immer wieder vor. Wem nützt es, dass Kosten in diesem Bereich eingespart werden? Bundesgesundheitsminister und Landesgesundheitsminister werden unter Druck gesetzt von den Arbeitgebern. Krankenhäuser können heute schon nicht kostendeckend betrieben werden. Ebenso in den niedergelassenen Praxen. Dort werden Behandlungen und ambulante Operationen nicht erbracht, da Erstattungen der Krankenkassen unter den entstandenen Kosten liegen.
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