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Aus: Ausgabe vom 23.10.2024, Seite 7 / Ausland
Italien

Melonis Dekret

Italien: Regierung legt sichere Herkunftsstaaten per Dekret fest. Asylsuchende könnten so weiter in Albanien interniert werden
Von Gerhard Feldbauer
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Gerichtsbarkeit vorerst erfolgreich ausgehebelt: Giorgia Meloni am vergangenen Mittwoch in Brüssel

Trotz der Entscheidung eines Gerichts in Rom, das die Unterbringung von Asylsuchenden in Albanien am Freitag als »unrechtmäßig« einstuft hat, hält die faschistische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni an ihrem Vorhaben fest. Nicht nur verkündete Innenminister Matteo Piantedosi sofort nach der Bekanntgabe, in Berufung gehen zu wollen, am Montag erließ das rechte Kabinett auch ein Notdekret.

Das Dekret erhebt die bisherige vom Außenministerium erstellte Liste der sicheren Herkunftsstaaten in den Rang eines nationalen Gesetzes, an das sich auch die Gerichte halten müssen. Einzig die bisher als sicher geltenden Länder Kamerun, Kolumbien und Nigeria wurden von der Liste gestrichen. Damit soll wohl einem kürzlich ergangenen Urteil des Europäischen Gerichtshofs Rechnung getragen werden. Doch Staaten wie Bangladesch, Tunesien und Ägypten werden weiterhin als sichere Herkunftsländer eingestuft. Das Gericht in Rom hatte sein Urteil damit begründet, dass die Herkunftsländer der Asylsuchenden nicht als sicher gelten könnten. Italien müsse daher auf seinem Territorium den Asylanspruch prüfen.

Italien und Albanien hatten vor einem Jahr die Einrichtung von durch Italien betriebenen Lagern für Asylsuchende in dem Nicht-EU-Land vereinbart. Die Asylzentren werden nach italienischem Recht und mit italienischem Personal betrieben. Zwölf Männer aus Bangladesch und Ägypten waren am Mittwoch mit dem ersten Schiff nach Albanien gebracht worden. Sie wurden nach dem Urteil Ende vergangener Woche nach Italien zurückgebracht. An Bord des ersten Schiffs nach Albanien waren ursprünglich sogar 16 Menschen gewesen. Vier von ihnen mussten jedoch sofort nach Italien die Rückfahrt antreten, da sie angaben, minderjährig zu sein oder medizinisch versorgt werden zu müssen.

Italien ist das erste EU-Land, das Asylverfahren in einem Drittstaat durchführen will. Viele EU-Politiker haben bereits Interesse an dem »italienischen Modell« gezeigt, darunter Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) und Großbritanniens neuer Premier Keir Starmer (Labour). EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte sogar bereits geäußert, eine Ausweitung des »Albanien-Modells« auf die gesamte EU in Betracht zu ziehen.

Menschenrechtler kritisieren die Lager in Albanien als »italienisches Guantánamo«. Eine Gruppe albanischer Aktivisten protestierte bei der Ankunft der Asylsuchenden in der vergangenen Woche mit einem Transparent, das Meloni und Albaniens Ministerpräsident Edi Rama in der Uniform der Gefängnispolizei zeigt. Sidorela Vatnikaj, eine der Aktivistinnen, warnte, das Abkommen werde zum »gefährlichen Präzedenzfall für Europa«. Albaniens Premier Rama versuchte abzuwiegeln, er habe Anfragen aus anderen EU-Ländern, Asylsuchende in Albanien unterzubringen, zurückgewiesen, und verwies darauf, dass Italien eine Ausnahme sei.

Auch in Italien schlägt das Thema weiter hohe Wellen. Die Oppositionsparteien forderten Meloni am Dienstag auf, im Parlament nähere Informationen über das »Phantomdekret« darzulegen. »Wir bitten um eine dringende Unterrichtung durch die Ministerpräsidentin über das gestern vom Ministerrat verabschiedete Dekret, ein Geisterdekret, das nicht einmal die Mitglieder der Regierung sehen konnten«, so Chiara Braga, die Vorsitzende der sozialdemokratischen Parlamentsfraktion.

Abgeordnete von Sozialdemokraten, Fünf-Sterne-Bewegung (M5S) sowie Alleanza Verdi e Sinistra (Grüne und Linke) wollen im EU-Parlament eine Anfrage stellen und verlangen, dass die EU ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Rom wegen des Migrationsabkommens mit Albanien in die Wege leitet.

In der EU gibt es keine einheitliche Liste sicherer Herkunftsstaaten, jedes Land entscheidet eigenständig. Wie der staatliche italienische Fernsehsender RAI am Dienstag berichtete, erklärte der Sprecher der EU-Asylagentur, Anis Cassar, zur Definition: »Die EU-Asylagentur arbeitet eng mit den italienischen Behörden sowie mit den zuständigen Behörden aller Mitgliedstaaten zusammen, um sie bei der ausgewogenen und rechtzeitigen Umsetzung der Rechtsvorschriften zu unterstützen.«

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