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Aus: Ausgabe vom 23.10.2024, Seite 10 / Feuilleton

Plenzdorf, Kanitz, Waller, Gliege

Von Jegor Jublimov
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Flower-Power-Zeitgeist kollidiert mit sozialistischer Moral: Ulrich Plenzdorf (26. Oktober 1934–9. August 2007)

Kann man sich Edgar Wibeau mit 90 vorstellen? Den aufbegehrenden Jugendlichen, der in Werthers Leiden Parallelen zu seinem Leben entdeckt? Für den Jeans das Nonplusultra sind? Und der laut seinem geistigen Vater Ulrich Plenzdorf jung den Unfalltod sterben muss? Natürlich hat der Autor Züge der eigenen Person in seinen Helden verpackt. Und eben dieser Kreuzberger Sohn von KPD-Genossen, der 1950 von West nach Ost zog und sich zwischen Anpassung und Widerspruchsgeist sozialisierte, wäre am 26. Oktober 90 Jahre alt geworden. Nach seinem Studium an der Babelsberger Filmhochschule hat er Filme für Manfred Krug und Jutta Hoffmann geschrieben. Der größte Erfolg kam 1973 mit dem Film »Die Legende von Paul und Paula«, in dem Flower-Power-Zeitgeist mit sozialistischer Moral kollidierte. Ins Jahr der Weltfestspiele schien er dann doch zu passen. Bis 2005 hat Plenzdorf noch viele weitere Szenarien geschrieben, nach Stoffen von Günter de Bruyn bis zu Erwin Strittmatter. Der frühe Tod seines Helden Edgar blieb ihm erspart. Er starb im August 2007 mit 72 Jahren.

Vor allem durch einen Abenteuerfilm wurde Werner Kanitz bekannt. »Schüsse unterm Galgen« entstand 1968 nach Robert Louis Stevensons Roman »­Kidnapped«. Der Randberliner Kanitz, der am Donnerstag 80 geworden wäre und 1996 starb, hatte noch als Student in dem damals nicht aufgeführten Film »Jahrgang 45« (1966/90) eine Hauptrolle gespielt. Später mischte er in Indianerfilmen und beim »Polizeiruf 110« mit, ehe er 1992 bei »Gute Zeiten, schlechte Zeiten« landete.

In dem Kurzfilm »Materna« über die Notwendigkeit der Berliner Mauer, der zum VII. Parteitag der SED 1967 herauskam, spielte er eine kleine Rolle neben Angelika Waller, die sich damals zu einem vielbeschäftigten Jungstar mauserte. Nach ihrem Verbotsfilm »Das Kaninchen bin ich« (1965/90) hielt Walter Ulbricht die schützende Hand über sie. Ohne ihr großes Talent für komödiantische wie dramatische Rollen wäre ihre Laufbahn, in der sie wesentliche Rollen am Berliner Ensemble gestaltete, nicht möglich gewesen. Lange Jahre war sie Schauspieldozentin in Berlin, und sie tritt gelegentlich noch in Altersrollen vor die Kamera, etwa 2022 als perfide DDR-Richterin in der ZDF-Serie »Letzte Spur Berlin«. Sie wird am 26. Oktober 80 Jahre alt.

»Die Großstadt seh’n für ein paar Tage, / das wird ein Spaß, ganz ohne Frage«, stellten die Mäuse Fix und Fax 1987 in ihrem 351. Abenteuer der Comiczeitschrift Atze fest, der ersten Folge, nachdem Eugen Gliege die Serie vom Erfinder Jürgen Kieser übernommen hatte, als der Mäusevater Rentner geworden war. Nachdem der Verlag Junge Welt die Zeitschrift 1991 einstellen musste, wurde die Auftragslage für Gliege schwierig. Die Liebe zur Karikatur und zu Bildgeschichten, an denen der ehemalige Kunstpädagoge seit 1971 zunächst für den Bauernverlag und den Eulenspiegel gearbeitet hatte, obsiegte. Er zeichnete bald für den Nordkurier und die Märkische Allgemeine. Inzwischen hat der Wahlrathenower gemeinsam mit seiner Frau Constanze eine Reihe von Büchern über Regionen im Osten der Republik geschrieben und gestaltet. Am 23. Oktober wird er 75.

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