Den Haager Koalition ohne Tabus
Von Gerrit HoekmanKonservative und Ultrarechte in der EU liefern sich ein Duell um die härtere Asylpolitik. Nur noch wenige regen sich über inhumane Abschiebepläne auf. Fast alle europäischen Regierungen suchen inzwischen hastig nach »Partnerländern« außerhalb der EU, in die Migranten abgeschoben werden könnten.
Am Donnerstag vergangener Woche tagte in Brüssel der EU-Gipfel. Der neue niederländische Premierminister Dick Schoof lud gleich bei seiner ersten Teilnahme zu einem separaten Treffen mit Italien und Dänemark unter der Überschrift »Innovative Lösungen für die Migration« ein. Das Thema elektrisierte die geladenen Gäste: Österreich, Polen, Ungarn, Tschechien, Slowakei, Malta, Zypern und Griechenland wollten ebenfalls an der Diskussion teilnehmen. Auch Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) gesellte sich hinzu.
Schoof glaubt, dass die EU-Kommission die neuen Ideen zunehmend mit Wohlwollen betrachtet. »Ich halte es für bedeutsam, dass von der Leyen an der Konsultation teilgenommen hat«, sagte der niederländische Regierungschef gegenüber der Tageszeitung Trouw. Unübersehbar suchen von der Leyen und die konservative Europäische Volkspartei (EVP) zunehmend den Schulterschluss mit den europäischen Rechten, um im EU-Parlament Mehrheiten zu organisieren. Von der Leyen selbst schlug Raffaele Fitto, einen engen Vertrauten der italienischen Ministerpräsidentin Giorgia Meloni, für einen ihrer Stellvertreterposten vor. »Die Testphase der Kooperation mit Meloni soll als Blaupause für den zukünftigen Aufbau einer Mitte-rechts-Koalition auf europäischer Ebene dienen«, heißt es im von der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung herausgegebenen IPG-Journal.
Beim Thema Asyl scheint es keine Tabus mehr zu geben. Die dänische Regierung schlägt vor, endgültig abgelehnte Asylsuchende in einem Gefängnis im Kosovo zwischenzulagern. Die niederländische Regierung hatte schon im vergangenen Monat »das strengste Asylregime aller Zeiten« angekündigt, und plant, Geflüchtete nach Uganda zu deportieren. Von dort aus sollen sie dann in ihre afrikanischen Heimatländer rückgeführt werden. »Da es sich um Asylbewerber handelt, die alle Rechtsmittel ausgeschöpft haben und grundsätzlich in ihr Herkunftsland zurückkehren müssen, ergibt das tatsächlich ein ganz anderes Bild, als wenn man von Asylbewerbern spricht, die noch einen Asylantrag stellen müssen«, so Schoof über die Idee in Abgrenzung zum italienischen Vorgehen in Albanien. Dort hat die Regierung Meloni zwei Asylzentren eingerichtet, in die Geflüchtete gebracht werden sollen, sobald sie in Italien an Land gehen. In den hermetisch abgeriegelten Einrichtungen müssen die Menschen warten, bis über ihren Antrag entschieden ist. Allerdings hat ein Gericht in Rom bereits entschieden, dass zwölf Insassen zurück nach Italien gebracht werden müssen, weil ihre Herkunftsländer nicht sicher sind.
Die niederländische Außenhandelsministerin Reinette Klever hielt sich vergangene Woche zu einem viertägigen Besuch in Uganda auf, das jetzt schon 1,75 Millionen Geflohene aus den Nachbarländern beherbergt. Uganda sei eben ein »gastfreundliches Land«, meinte Klever. Regierungschef Schoof wurde anscheinend nicht einmal über den »Uganda-Plan« informiert. »Nicht jede Idee muss sofort im Kabinett besprochen werden«, so Schoof gegenüber dem Nachrichtenportal Metro. Der parteilose Ministerpräsident ist ohnehin nur ausführender Frühstücksdirektor.
In bezug auf die Asylpolitik zieht der ultrarechte Geert Wilders hinter den Kulissen die Strippen. Auch wenn er kein Mitglied der Regierung ist, sitzt er quasi mit am Kabinettstisch, denn Außenhandelsministerin Klever und Marjolein Faber, die Ministerin für Asyl und Migration, besetzen für Wilders Partei wichtige Posten. »Afrikanische Asylsuchende, die alle Rechtsmittel ausgeschöpft haben, gehen nach Uganda. Weniger Asylsuchende, mehr Niederlande!«, schrieb Wilders vergangene Woche beim Kurznachrichtendienst X. »Darüber haben wir überhaupt nicht geredet«, wunderte sich Ugandas Außenminister Jeje Odongo am Freitag beim niederländischen Radiosender NPO 1. Sein Land sei aber zu Vorgesprächen bereit. Im vergangenen Jahr stoppten die Niederlande noch jede Zusammenarbeit mit Uganda, weil Präsident Yoweri Museveni ein Gesetz erließ, das Homosexuelle lebenslang ins Gefängnis bringen kann.
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