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Aus: Ausgabe vom 22.10.2024, Seite 1 / Titel
Kriegsvorbereitung

NATO-Zentrale Rostock

Neues Marinehauptquartier für die Ostsee eröffnet. BSW befürchtet Bruch des Zwei-plus-vier-Vertrags
Von Philip Tassev
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Früher Volkseigener Betrieb, heute Marinearsenal: die Warnowwerft in Warnemünde (30.1.2024)

Unter den feierlichen Klängen der Militärkapelle ist am Montag von Verteidigungsminister Boris Pistorius und Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (beide SPD) ein neues Marinehauptquartier in Rostock eröffnet worden. In der »Commander Task Force Baltic«(CTFB) sollen in Zukunft 180 Soldaten – davon laut Angaben des Verteidigungsministeriums bis zu 60 Offiziere aus NATO-Anrainerstaaten – gemeinsame Manöver und seegestützte Operationen planen, Einsätze der Seestreitkräfte führen und aus den von den beteiligten Staaten gesammelten Informationen Lagebilder erstellen, und das alles in Zeiten von »Frieden, Krise und Krieg«, wie es Pistorius in seiner Eröffnungsrede formulierte.

Sowohl er als auch Schwesig betonten die zunehmende strategische Bedeutung der Ostsee als »Lebensader« der NATO-Staaten der Region, insbesondere des Baltikums. Rostock sei dabei »das Herz unserer maritimen Stärke«, so der Verteidigungsminister. In der Ostsee werde »die Sicherheit von ganz Europa« verteidigt. »Wir alle wissen«, behauptete Pistorius, dass »Putin« es auf »unsere freie und demokratische Lebensart« abgesehen habe. Die Aufstellung des CTFB unter deutscher Führung sei daher ein Signal, dass »Deutschland« zu seinen »Verpflichtungen« stehe und bereit sei, »Verantwortung zu übernehmen«. Großen Wert legte Pistorius auf die Behauptung, dass es sich bei der neuen Kommandozentrale nicht um einen NATO-Stützpunkt handelt und daher keine internationalen Verträge gebrochen werden. Denn in Artikel 5 Absatz 3 des »Vertrags über die abschließende Regelung in bezug auf Deutschland«, besser bekannt als »Zwei-plus-Vier-Vertrag«, heißt es ausdrücklich, dass auf dem Gebiet der annektierten DDR keine ausländischen Streitkräfte (und keine Atomwaffen) stationiert werden dürfen. Die neue »Task Force« hat neben einem deutschen Kommandanten einen polnischen Stellvertreter, einen schwedischen Stabschef und es ist ihr erklärter Zweck, die Zusammenarbeit und Interoperabilität der Flotten der NATO-Ostseestaaten zu verbessern. Auch sonst ist das Kommando ganz »NATO-mäßig« gebildet, wie es der Bundeswehrgeneral a. D. Egon Ramms bei Phoenix erklärte. Aber »anders als andere auf diesem Kontinent achten wir internationales Recht«, so der Verteidigungsminister. Das CTFB sei ein nationales Hauptquartier, bei dem »selbstverständlich« verschiedene NATO-Länder kooperieren.

Żaklin Nastić, Obfrau im Verteidigungsausschuss und verteidigungspolitische Sprecherin der BSW-Gruppe im Bundestag, sieht das anders: »Die Aufstellung des CTF Baltic in Rostock erfolgt faktisch im Dienst der NATO. Die Bundesregierung muss damit aufhören, vor dem Hintergrund des Krieges in der Ukraine die Aufrüstung im Inland zu forcieren. Der Verweis der Bundesregierung, dies geschehe unter deutscher Führung mit multinationaler Beteiligung, ist nichts als der Versuch, die Regelungen des Zwei-Plus-Vier-Vertrags zu unterlaufen.« Die Beteiligung von elf weiteren NATO-Staaten zeige dies deutlich. Dabei sei es in der gegenwärtigen kriegerischen Weltlage wichtiger denn je, »besonnen zu handeln und abzurüsten«. Auch nach zweieinhalb Jahren Waffenlieferungen in die Ukraine sei der Krieg nicht beendet worden, so Nastić gegenüber jW. Es brauche daher »dringend Diplomatie, damit der Krieg endlich endet und keine neuen NATO-Zentralen, die möglicherweise einen Bruch des Völkerrechts darstellen«.

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Gerdt P. aus 18146 Rostock (22. Oktober 2024 um 14:20 Uhr)
    Bis zu 250 Teilnehmer zählte eine Protestaktion, die am 21.10.24 gegenüber dem Haupttor der Hansekaserne in der Rostocker Kopernikusstraße, in der sich die neue NATO-Kommandozentrale befindet, stattgefunden hat. Schade, dass die jW mit keinem Wort darüber berichtet. Selbst die in dieser Beziehung sonst sehr zurückhaltenden öffentlich-rechtlichen und privaten Medien kamen nicht umhin, wenn auch nur mit kurzen Videoschnipseln oder einigen lapidaren Sätzen den Protest zu erwähnen. Die Demonstranten übergaben am Kasernentor Protestschreiben, die an den Minister Pistorius und die Ministerpräsidentin Schwesig gerichtet waren. Das Friedensbündnis Norddeutschland berichtet auf seiner Website https://www.friedensbuendnis-norddeutschland.de/ und in seinem 3. Newsletter über diese gelungene Aktion. Gerdt Puchta
  • Leserbrief von Klaus Sander aus Rostock (22. Oktober 2024 um 12:38 Uhr)
    Die Ostseewoche Rostock ab 1958 stand im Gegensatz dazu im starken Kontrast zur Aufrüstungspolitik und Kriegsvorbereitung im Ostseeraum von heute. Die Ostseewoche fand an der DDR-Ostseeküste im Bezirk Rostock jährlich unter dem Motto »Die Ostsee muss ein Meer des Friedens sein« statt mit einer Vielzahl von politischen, kulturellen und sportlichen Veranstaltungen – Kundgebungen, Symposien sowie den gewerkschaftlich durchgeführten »Arbeiterkonferenzen der Ostseeländer, Norwegens und Islands«, dem internationalen Jugendtreffen mit Vertretern der Jugendorganisationen der teilnehmenden Staaten, der »Ostseemesse« mit einer Leistungsschau von Firmen an der Ostseeküste, mit Segelregatten, Sport- und Schlager-Festivals, Konzerten und Ausstellungen mit zeitgenössischer Kunst in der dafür erbauten Kunsthalle Rostock, dem Buchbasar auf dem Boulevard der Stadt in der Kröpeliner Straße mit vielen Schriftstellern aller teilnehmenden Länder, die ins Gespräch mit den Lesern kamen und dort ihre Bücher verkauften und vielen weiteren Veranstaltungen. Tausende Gäste aus der Bundesrepublik Deutschland, Dänemark, der DDR, Finnland, Island, Norwegen, Polen, Schweden und der Sowjetunion nahmen jährlich daran teil. Der DDR halfen sie vor allen Dingen bei der Festigung der vielseitigen Beziehungen zu den fünf nordischen Ländern in Frieden und Freundschaft.
  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Andreas E. aus Schönefeld (22. Oktober 2024 um 07:07 Uhr)
    Wahrscheinlich fehlt Herrn Kriegsminister Pistorius die Kenntnis über das gesamte NATO-Vertragspaket. Im sogenannten Aufenthaltsvertrag von 1954 (der nie gekündigt wurde, sondern im Rahmen der Zwei-plus-vier-Verhandlungen und des Einigungsvertrages als weiterhin gültig eingestuft wurde) ist die räumliche Geltung dieses Aufenthaltsvertrages auf die westlichen Bundesländer beschränkt. In der Anlage I Kapitel I des Einigungsvertrages ist ausdrücklich erklärt, dass dieser Vertrag nicht auf das Territorium der ehemaligen DDR ausgedehnt wird. Doch nun entstand das CTFB in Rostock. Laut Pistorius kein NATO-Kommando, aber mit NATO-Soldaten aus Dänemark, Schweden usw. besetzt. Wer hier an ein rein deutsches Kommando glaubt, glaubt auch an den Osterhasen. Hier werden transatlantische »Verteidigungs«strukturen Stück für Stück nach Osten vorgeschoben. Dazu kann man auch die Brigade der Bundeswehr in Litauen zählen; die Vereinbarung Finnlands mit den baltischen Staaten, einen Blockadegürtel im finnischen Meerbusen zu errichten, um der baltischen Flotte Russlands den Zugang zur Ostsee zu verwehren. Die Marschrichtung (oder hier der Kurs) ist eindeutig – 90 Grad geradeaus. Der Ring um Russland wird immer mehr zugezogen. Ich erinnere mich sehr gerne an die Konferenzen der Ostseeanrainerstaaten in den 70er und 80er Jahren des letzten Jahrhunderts und ihrem Motto: »Die Ostsee muss ein Meer des Friedens sein«. Dahin zurück zu kehren, wird immer mehr zum frommen Wunsch. Und vielleicht sollten die Entscheider im Kriegsministerium und in den betreffenden Ausschüssen im Bundestag noch einmal die Eingangsformel des Einigungsvertrages lesen. Oder gilt dieser Vertrag nicht mehr, nur weil einer der Vertragspartner nicht mehr existiert? Hier würde mich mal die Meinung eines Völkerrechtlers interessieren. Aber der Vertrag gilt wohl weiter, denn es gibt immer wieder Änderungen, zuletzt in 2021. Also muss sich auch daran gehalten werden.
  • Leserbrief von Raimon Brete aus Chemnitz (21. Oktober 2024 um 21:16 Uhr)
    Stopp der weiteren Militarisierung des Ostens. Die NATO zertrampelt unter deutscher Führung internationale Abkommen und Absprachen, die Grundlagen für die sogenannte Wiedervereinigung waren, und eskaliert sowie gezielt vorsätzlich die Bedrohungslage gegenüber Russland. Unter einem sozialdemokratischen Kanzler und einem SPD-Verteidigungsminister, der diesen Namen nicht verdient, wird die Kriegshysterie nunmehr im Osten Deutschlands weiter materialisiert. Ein Land wird militarisiert, wo die Friedenstaube eine Heimat hatte und dessen alternatives Gesellschaftsmodell mit einer Losung: »Frieden schaffen, ohne Waffen« regelrecht bekämpft und in die Arme des Kapitals getrieben worden ist. Nicht zu vergessen, dass Helmut Kohl und Michael Gorbatschow am Lagerfeuer den Abzug der sowjetischen Truppen aus Deutschland unter der Zusage eines NATO-freien Ostdeutschlands besprochen hatten. Der »Wertewesten« hat sich an keine der Versprechen gehalten. Jetzt läuft die Propagandamaschine auf Hochtouren, allen voran die bürgerlichen Qualitätsmedien, und malt den Popanz der Bedrohung durch Russland in all seinen Facetten sowie Verdrehungen tagtäglich an die Wand. Dabei stehen die deutschen Panzer in Litauen an der Grenze zu Russland, amerikanische Atomwaffen werden in Deutschland gelagert sowie modernisiert und Langstreckenraketen sollen stationiert werden. In Görlitz plant man den Bau von Panzern statt Straßenbahnen, und Bataillone der Bundeswehr sollen in der Lausitz dauerhaft stationiert werden. In osteuropäischen Staaten wurden US- und NATO-Basen in nicht unerheblichem Umfang etabliert. Deren Raketenspitzen zielen auf Russland. Es ist höchste Zeit, dem mit einer mächtigen Friedensbewegung wirksam zu begegnen, um unserer Kinder und Enkel willen. Raimon Brete, Matthias Schwander und Dietmar Lehmann

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