Streitpunkt Frieden
Von Karim NatourNachdem die Spitzen von CDU, SPD und BSW am Wochenende den Weg für Koalitionsverhandlungen in Thüringen freigemacht haben, hat die Annäherung der Parteien für die Bildung einer möglichen »Brombeer«-Landesregierung einen Rückschlag erlitten. BSW-Chefin Sahra Wagenknecht forderte am Sonntag eine Distanzierung der CDU in dem Freistaat von ihrem Bundesvorsitzenden Friedrich Merz. Nach der »entsetzlichen Rede von Friedrich Merz«, in der er »faktisch einen Kriegseintritt Deutschlands gegen Russland gefordert« habe, könne man »mit seiner Partei nur in Koalitionen eintreten, wenn die Landesregierung sich von solchen Positionen klar abgrenzt«, sagte sie dem Spiegel.
Der CDU-Chef hatte am Mittwoch im Bundestag die Ampelregierung dazu aufgefordert, »Taurus«-Marschflugkörper an die Ukraine zu liefern. In der am Abend ausgestrahlten ARD-Sendung »Bericht aus Berlin« verteidigte Wagenknecht ihren Vorstoß. Den Eintritt in Verhandlungen habe sie nicht allein abgebremst, es handle sich auch um eine Entscheidung des Thüringer Landesverbands.
Dennoch gingen die Gespräche in Erfurt am Montag weiter, wie Vertreter der drei Parteien erklärten. Das BSW will vor der Aufnahme offizieller Koalitionsgespräche, dass sich die Parteien zu der zur Bedingung erhobenen Friedenspräambel für einen Koalitionsvertrag beraten. Darin sollen ein Bekenntnis für Frieden, diplomatische Bemühungen zur Beendigung des Ukraine-Kriegs sowie ein »Nein« zu der geplanten Stationierung von US-Mittelstreckenraketen in Deutschland festgehalten werden. Diese Positionen würden im Osten von der großen Mehrheit der Menschen unterstützt, sagte Wagenknecht gegenüber dem Spiegel.
Am Freitag war ein gemeinsames Sondierungspapier der »Brombeer«-Parteien vorgestellt worden, auf dessen Grundlage die Verhandlungen in Thüringen stattfinden sollen. Am Sonnabend hatte die SPD als letzte der drei Parteien ihre Zustimmung zu dem Vorgehen erklärt. Steffen Schütz, Landesvorsitzender des BSW in Thüringen, zeigte sich am Montag zuversichtlich und erklärte, noch in dieser Woche könne womöglich eine Einigung erreicht werden – »wenn die Friedensformel in der Präambel klar und eindeutig ist«, sagte Schütz der dpa.
Die CDU in Thüringen wies Wagenknechts Forderung nach einer Distanzierung von ihrem Parteivorsitzenden entschieden zurück. »Friedrich Merz ist unser Kanzlerkandidat und auf dem richtigen Kurs für Deutschland«, schrieb der Landesverband am späten Sonntag abend beim Kurznachrichtendienst X. Wagenknechts Forderungen würden »immer abenteuerlicher«, heißt es in dem vom stellvertretenden CDU-Vorsitzende in Thüringen Christian Hirte gezeichneten Post. Auch CDU-Landes- und -Fraktionschef Mario Voigt verteidigte Merz. Bei X veröffentlichte er ein Foto, auf dem er neben ihm zu sehen ist, und schrieb dazu: »Eine Union.« Im Deutschlandfunk erklärte Voigt am Montag, eine Präambel gegen US-Waffen und Ukraine-Unterstützung vor Gesprächen lehne er ab. Der parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Fraktion im Bundestag, Thorsten Frei, bezeichnete die Forderung nach einem »Nein« zur Raketenstationierung als »geradezu absurd«. Wagenknecht habe die Verhandlungen »torpediert«, erklärte er am Montag gegenüber den Sendern RTL und N-TV.
Auch der neue SPD-Generalsekretär Matthias Miersch äußerte sich kritisch über das BSW. »Wir werden Politik nicht betreiben, indem man sich erpressen lässt«, sagte er der Main-Post und der Augsburger Allgemeinen (Montag). Er wünsche sich, dass in Thüringen, Sachsen und Brandenburg Stabilität einkehre. Man könne aber »nicht auf Gedeih und Verderb« in eine Koalition gehen.
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Marian R. (22. Oktober 2024 um 11:22 Uhr)Eine Friedenspräambel soll es richten – was für ein »scharfes Schwert«! Eine neue SPD bzw. Linkspartei ist geboren und in wenigen Jahren wird auch das BSW zu Recht von der Bildfläche verschwunden sein. Fehler bessern sich nicht durch Wiederholung in neuem Gewand.
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Rainer Erich K. aus Potsdam (22. Oktober 2024 um 08:08 Uhr)Merz ist ein Kriegstreiber und kalter Krieger, der skrupellos den Eintritt der BRD in den Ukraine-Konflikt fordert. Wagenknecht ist daher gut beraten, wenn sie mit einer Partei nicht koalieren will, die diesen Kriegskurs unterstützt. Die Wähler in Thüringen, Sachsen und Brandenburg haben ihre Stimme an das BSW gegeben, weil dort Friedenspolitik und Diplomatie im Wahlkampf an erster Stelle stand. Ein Abweichen davon wäre ein Betrug, den die Wähler nicht tolerieren würden.
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