Berliner Hochschulgesetz für’n Eimer
Von Max OngsiekBerlin ist der größte Universitätsstandort in Deutschland. Das liegt wahrscheinlich weniger am postulierten »Arm, aber sexy«-Image, sondern an der als attraktiv beworbenen Hochschullandschaft dort (Stichwort: Exzellenzinitiative). Im Sommer hatte Wissenschaftssenatorin Ina Czyborra (SPD) noch erklärt, die Metropole müsse »Standort für internationale Spitzenforschung bleiben«. Jetzt zucken die Nachwuchsforscher zusammen: Die Entfristungsregelung im Berliner Hochschulgesetz soll gekippt werden. Doch wie passt das zusammen?
Die Novellierung des Berliner Hochschulgesetzes (BerlHG) im September 2021 durch die Koalition aus SPD, Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen, galt seinerzeit als großer Wurf. Denn als »erstes und einziges Bundesland« habe Berlin seinen promovierten wissenschaftlichen Beschäftigten, sogenannten Postdocs, »eine planbare Perspektive in der Wissenschaft in Aussicht gestellt«, hatte Tobias Schulze, wissenschaftspolitischer Sprecher der Linke-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus, noch im Juli 2023 herumposaunt.
Der Senat habe in Paragraph 110 Absatz 6 seiner Reform festgelegt, dass »Postdocs« ein unbefristetes Anstellungsverhältnis angeboten werden müsse, wenn das im Arbeitsvertrag benannte Qualifikationsziel erreicht würde, kritisierte die Gewerkschaft Verdi in einer Mitteilung am Freitag. Allerdings hatte der Berliner Verfassungsrechtler Matthias Ruffert, Lehrstuhlinhaber für Öffentliches Recht und Europarecht an der Berliner Humboldt-Universität, schon in einer Stellungnahme vom November 2021 festgestellt, dem Land Berlin fehle für eine entsprechende »Anschlusszusage« die Gesetzgebungskompetenz: »Im Fall eines zulässigen Rechtsstreits vor dem Bundesverfassungsgericht hätte die Regelung keinen Bestand und würde für nichtig erklärt.«
Laut Verdi gab die Senatsverwaltung nun in einer Sitzung des Forums »Gute Arbeit an Berliner Hochschulen« überraschend bekannt, eine »Aufweichung« der Entfristung zu planen, obwohl es in der Sitzung eigentlich um eine Umsetzung des Paragraphen 110 Absatz 6 gehen sollte. Nicht nur würden so die »Versprechen des Staatssekretärs Henry Marx gebrochen«, der noch Anfang des Jahres eine Umsetzung der entsprechenden Entfristungsregelung angekündigt hatte, so Verdi empört. Auch der »Fortschritt, der durch die BerlHG-Reform in der letzten Legislaturperiode unter ›Rot-Grün-Rot‹ erreicht wurde«, würde vom »CDU/SPD-Senat wieder rückgängig gemacht«.
Obwohl in der Anhörung im Wissenschaftsausschuss 2023 das ursprüngliche Einführungsdatum von 2023 auf 2025 verschoben wurde, versicherte die SPD damals, die neue Koalition brauche lediglich mehr Zeit für eine gute Umsetzung des Paragraphen, stelle die Regelung aber grundsätzlich nicht in Frage, kritisierte Jana Seppelts, zuständige Verdi-Landesfachbereichsleitung für Bildung, Soziales und Wissenschaft. Dass der Wissenschaftssenat unter Senatorin Czyborra nun »die Zukunftsperspektiven der ›Postdocs‹ angreift und damit die dauerhafte Bindung hochqualifizierter Wissenschaftler*innen gefährdet, ist nicht akzeptabel«, so Seppelts.
Auf jW-Anfrage begründete die Berliner Senatsverwaltung für Wissenschaft, Gesundheit und Pflege ihre Entscheidung gegen die Entfristung mit einer erfolgten »Rechtsprüfung«. Der Bund habe mit dem Wissenschaftszeitvertragsgesetz (WissZeitVG) als »Sonderbefristungsrecht für die Wissenschaft« abschließend von konkurrierender Gesetzgebung im Arbeitsrecht Gebrauch gemacht. Die aktuell diskutierten Änderungsvorschläge zur Novellierung des WissZeitVG verstärkten zudem »die verfassungsrechtlichen Bedenken«, so die Senatsverwaltung: »Auch wenn dies sehr bedauerlich ist, bringt uns dies dazu, von der gegenwärtigen Regelung Abstand nehmen zu müssen.« Allerdings sei nun geplant, »den Anteil unbefristet Beschäftigter im wissenschaftlichen Mittelbau spürbar zu erhöhen«.
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