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Aus: Ausgabe vom 22.10.2024, Seite 8 / Ansichten

Europas Swing State

Wahlen in Moldau
Von Reinhard Lauterbach
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Stimmabgabe auch zu Hause: Mobile Wahlurne im Einsatz in Chișinău (20.10.2024)

Das Ergebnis von erster Wahlrunde und EU-Referendum vom Sonntag ist für die moldauische Präsidentin Maia Sandu mehr als blamabel. Die britische BBC – seit dem »Brexit« womöglich nicht mehr so EU-besoffen wie die Medien Kontinentaleuropas – schrieb sehr nüchtern, eigentlich hätten die Moldauer, die im Lande leben, mehrheitlich gegen den EU-Beitritt gestimmt, erst die später einlaufenden und ausgezählten Stimmen der Wahllokale im westeuropäischen Ausland hätten das Ergebnis beim Referendum zugunsten des »Ja« gedreht. Und Sandus innenpolitische Leistungsbilanz hat die Wählerinnen und Wähler in Moldau offenkundig auch nicht besonders überzeugt.

Was soll man in dieser Situation von einer Präsidentin halten, die erklärt, sie wolle das vollständige Endergebnis – das ihre Untergebenen auszählen – abwarten und dann »entscheiden«? Welche Entscheidung soll es es da geben? Die zum Rücktritt? Die, das Wahlergebnis nicht anzuerkennen? Sandu beschwerte sich schon vor der Auszählung über angeblichen Stimmenkauf mit Geld »einer ausländischen Macht«: 300.000 Stimmen habe Russland zu kaufen versucht und dafür bis zu 100 Millionen Euro lockergemacht, klagte die Präsidentin. »Fluten von Desinformation« wollten sandufreundliche Medien auch aus Deutschland schon vor der Wahl festgestellt haben – es schien Konsens zu herrschen, dass ein Abstimmungsergebnis, wie es sich am Tag danach abzeichnete, allenfalls finsteren Machenschaften entsprungen sein könne.

Apropos Wahlbeeinflussung von außen: Was soll man denn dann von den 1,8 Milliarden Euro halten, die EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen ein paar Tage vor den Abstimmungen noch aus der Handtasche zog? Ein Vielfaches dessen, was angeblich aus Russland geflossen ist? War das kein versuchter Stimmenkauf? Wurden da keine »blühenden Landschaften« versprochen wie in Ostdeutschland vor 34 Jahren auch schon einmal?

Moldau ist nun einmal ein klassischer »Swing State« – ein Land, das mal so abstimmt und mal so. Ein Land mit zwei ziemlich gleichstarken politischen Lagern, den »Proeuropäern« und den »Prorussen«. Wäre es in dieser Situation nicht das einfachste, die Republik sich selbst und einer von allen Seiten respektierten Neutralität zu überlassen? Nein, das ist nicht vorgesehen. Vor der »Atmosphäre der Unbestimmtheit« hatte Sandu im Wahlkampf gewarnt; aber wie der Philosoph Baruch de Spinoza schon im 17. Jahrhundert geschrieben hat: Jede Bestimmung ist Negation. Entscheidungen implizieren Verluste. Wer das Land in die eine Richtung zerren will, riskiert, die Hälfte davon zu verlieren. Nicht einmal ARD-Korrespondent Björn Blaschke fand in der Auseinandersetzung um Moldau am Montag mehr Inhalt als zwei um Einflusssphären konkurrierende Interessen. Peripherie ist Moldau und wird es bleiben. Die Frage ist nur noch, wessen Peripherie.

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Markus P. aus Frankfurt (22. Oktober 2024 um 05:54 Uhr)
    Warum denn Proeuropäer und Prorussen als gegensätzliche Lager? Prorussen (sowas wie ich) sind schon durch den Bezug auf Russland allein Proeuropäer. Die EU-Fläche macht 17 Prozent, ihre Bevölkerung 61 Prozent von Europa aus. Russland andersrum: 17 Prozent von Europas Bevölkerung, 65 Prozent der Fläche. Antirussische EU-Fans einseitig als Proeuropäer zu bezeichnen, ist, als ob man Leute, die für Bayern, aber gegen den Rest von Westdeutschland sind, als Prodeutsche bezeichnete. Noch deutlicher wird es, wenn man zum prorussischen Europa Weißrussland und Serbien dazunimmt und Ungarn entweder beiden oder keinem Lager zurechnet; und das auch, wenn man die Schweiz zur EU-Seite rechnet. Kommt dazu, dass Russland selbst proeuropäisch ist, während die EU prorussische Teile von Europa ablehnt und somit antieuropäisch ist. Wenn überhaupt, muss man von Prorussen/Proeuropäern auf der einen und Antirussen/Antieuropäern auf der anderen Seite reden.
    • Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinrich H. aus Stadum (22. Oktober 2024 um 20:51 Uhr)
      Falsche Landkarte! Europa geht bis zum Dnipro, Herr Habeck weiß das schon seit vor der letzten Bundestagswahl. Und der Herr Borell weiß, wo der Dschungel beginnt. Herr Habeck könnte vielleicht noch den Don als Außengrenze Europas akzeptieren …
      • Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (23. Oktober 2024 um 10:55 Uhr)
        »Für Adenauer begann Sibirien schon über den Rhein!«
        • Leserbrief von Onlineabonnent/in Markus P. aus Frankfurt (26. Oktober 2024 um 01:27 Uhr)
          Da muss man ja mal die bpb loben, von denen habe ich nämlich im Wesentlichen meine Infos zu Europa. Auch die weise Einsicht, dass Europa weder politisch noch geologisch oder geographisch ein wohldefinierter Kontinent ist. Der Dnjepr ist sicherlich heute die Scheide zwischen zwei Europas, dem offenen, verbindenden und dem rassistischen, spaltenden, dem Vielfalt umarmenden und dem der Dschungelangstmacherei eines Wirrkopfes Borell. - bpb | Europa | Flächen und Bevölkerungsdichte | https://www.bpb.de/kurz-knapp/zahlen-und-fakten/europa/70500/flaechen-und-bevoelkerungsdichte/ - bpb | Europa | Bevölkerungsstand und Entwicklung | https://www.bpb.de/kurz-knapp/zahlen-und-fakten/europa/70497/bevoelkerungsstand-und-entwicklung/ Über Adenauers Verbrechen an der jungen bundesdt. Demokratie muss man wirklich mehr berichten. Dieser US-Interessenvertreter und Nazifreund hat auch wesentlich Mitschuld an der heutigen Situation in der Ukraine.
  • Leserbrief von Reinhard Hopp aus Berlin (21. Oktober 2024 um 22:12 Uhr)
    Der nächste vom Wertewesten entzündete »Maidan« kündigt sich bereits an: »Du sollst keine anderen Götter neben mit haben!«

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