Jetzt bist du dran!
Gegründet 1947 Dienstag, 22. Oktober 2024, Nr. 246
Die junge Welt wird von 2964 GenossInnen herausgegeben
Jetzt bist du dran! Jetzt bist du dran!
Jetzt bist du dran!
Aus: Ausgabe vom 22.10.2024, Seite 8 / Ansichten

Europas Swing State

Wahlen in Moldau
Von Reinhard Lauterbach
OLDOVA-ELECTION.JPG
Stimmabgabe auch zu Hause: Mobile Wahlurne im Einsatz in Chișinău (20.10.2024)

Das Ergebnis von erster Wahlrunde und EU-Referendum vom Sonntag ist für die moldauische Präsidentin Maia Sandu mehr als blamabel. Die britische BBC – seit dem »Brexit« womöglich nicht mehr so EU-besoffen wie die Medien Kontinentaleuropas – schrieb sehr nüchtern, eigentlich hätten die Moldauer, die im Lande leben, mehrheitlich gegen den EU-Beitritt gestimmt, erst die später einlaufenden und ausgezählten Stimmen der Wahllokale im westeuropäischen Ausland hätten das Ergebnis beim Referendum zugunsten des »Ja« gedreht. Und Sandus innenpolitische Leistungsbilanz hat die Wählerinnen und Wähler in Moldau offenkundig auch nicht besonders überzeugt.

Was soll man in dieser Situation von einer Präsidentin halten, die erklärt, sie wolle das vollständige Endergebnis – das ihre Untergebenen auszählen – abwarten und dann »entscheiden«? Welche Entscheidung soll es es da geben? Die zum Rücktritt? Die, das Wahlergebnis nicht anzuerkennen? Sandu beschwerte sich schon vor der Auszählung über angeblichen Stimmenkauf mit Geld »einer ausländischen Macht«: 300.000 Stimmen habe Russland zu kaufen versucht und dafür bis zu 100 Millionen Euro lockergemacht, klagte die Präsidentin. »Fluten von Desinformation« wollten sandufreundliche Medien auch aus Deutschland schon vor der Wahl festgestellt haben – es schien Konsens zu herrschen, dass ein Abstimmungsergebnis, wie es sich am Tag danach abzeichnete, allenfalls finsteren Machenschaften entsprungen sein könne.

Apropos Wahlbeeinflussung von außen: Was soll man denn dann von den 1,8 Milliarden Euro halten, die EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen ein paar Tage vor den Abstimmungen noch aus der Handtasche zog? Ein Vielfaches dessen, was angeblich aus Russland geflossen ist? War das kein versuchter Stimmenkauf? Wurden da keine »blühenden Landschaften« versprochen wie in Ostdeutschland vor 34 Jahren auch schon einmal?

Moldau ist nun einmal ein klassischer »Swing State« – ein Land, das mal so abstimmt und mal so. Ein Land mit zwei ziemlich gleichstarken politischen Lagern, den »Proeuropäern« und den »Prorussen«. Wäre es in dieser Situation nicht das einfachste, die Republik sich selbst und einer von allen Seiten respektierten Neutralität zu überlassen? Nein, das ist nicht vorgesehen. Vor der »Atmosphäre der Unbestimmtheit« hatte Sandu im Wahlkampf gewarnt; aber wie der Philosoph Baruch de Spinoza schon im 17. Jahrhundert geschrieben hat: Jede Bestimmung ist Negation. Entscheidungen implizieren Verluste. Wer das Land in die eine Richtung zerren will, riskiert, die Hälfte davon zu verlieren. Nicht einmal ARD-Korrespondent Björn Blaschke fand in der Auseinandersetzung um Moldau am Montag mehr Inhalt als zwei um Einflusssphären konkurrierende Interessen. Peripherie ist Moldau und wird es bleiben. Die Frage ist nur noch, wessen Peripherie.

Solidarität jetzt!

Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.

Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!

Ähnliche:

  • Ob EU oder rechte Politik: Für Le Pen ist offenbar egal, wo das ...
    18.10.2024

    Leere Parteikasse gefüllt

    Frankreich: Le Pen ließ Brüssel fiktive Assistentenstellen bezahlen. Passives Wahlrecht gefährdet, Ersatzmann steht bereit
  • Da ist einiges durcheinandergeraten. Vorgeblich friedensliebende...
    06.09.2024

    Wo der Daumen links ist?

    Wie tickt die Jugend? Über junge Wähler, Rechtsruck und den Extremismus der Mitte

Regio:

Mehr aus: Ansichten