RTX wäscht sich rein
Von Jörg KronauerEs dürfte eine der höchsten Strafzahlungen in der Geschichte des Unternehmens sein: Der US-Rüstungskonzern RTX, der bis Juli 2023 unter dem Namen Raytheon firmierte, hat sich bereit erklärt, zur Bereinigung eines Korruptionsskandals gut 950 Millionen US-Dollar zu zahlen. Im Kern ging es um Schmiergeldzahlungen an Katar, die RTX/Raytheon tätigte, um Aufträge zur Lieferung unter anderem von »Patriot«-Flugabwehrbatterien zu ergattern. Zudem ging es um überhöhte Rechnungen an den Hauptkunden des Konzerns, das Pentagon.
Korruption ist in der Rüstungsbranche endemisch; auch RTX hat schon des öfteren blechen müssen, um aufgeflogene Fälle von Bestechung beizulegen. Die Summe von knapp einer Milliarde US-Dollar ragt aber trotz allem heraus. Pikant ist die Angelegenheit aber auch aus einem weiteren Grund: Die Vorwürfe betreffen verschiedene Vorgänge aus den Jahren von 2012 bis 2018. Von 2016 bis 2020 gehörte zum Raytheon-Vorstand ein gewisser Lloyd Austin. Seit 2021 amtiert er als US-Verteidigungsminister.
Nun wird Korruption immer wieder gern skandalisiert, vor allem dann, wenn sie – und das war bei RTX/Raytheon in erheblichem Maß der Fall – Steuergelder kostet. Rüstungsgegner in den USA haben die gewaltige Strafzahlung des Konzerns nun aber zum Anlass genommen, um darauf hinzuweisen, dass der eigentliche Skandal ein anderer ist: dass Waffenschmieden, darunter RTX, ihren Profit aus staatlich organisiertem Massenmord ziehen – zur Zeit etwa aus Israels Kriegführung im Gazastreifen und im Libanon.
Der RTX-Konzern bestückt zum Beispiel die US-Kampfjets F-16 und F-35 unter anderem mit Motoren und Radaranlagen; mit den Modellen führen die israelischen Streitkräfte einen beträchtlichen Teil ihrer Luftangriffe auf den Gazastreifen, den Libanon und auch das Westjordanland durch. Bereits im Januar löste ein F-16-Luftangriff auf ein ziviles Gebäude in einer angeblich sicheren Zone im Gazastreifen, in dem britische Ärzte verletzte Einwohner versorgten, in Großbritannien Ärger aus. Zu den Rüstungsgütern, die London Anfang September nicht mehr an Israel zu liefern beschloss, gehören Ersatzteile für den F-16. RTX liefert freilich weiter.
Das gilt auch für die Bomben und für die Raketen, die RTX herstellt. Neben allerlei Raketen hat der Konzern den israelischen Streitkräften vor allem lasergelenkte Bomben der »Paveway«-Reihe und insbesondere bunkerbrechende GBU-28-Bomben geliefert. Bereits von 2004 bis 2015 stellte er laut Angaben des Stockholmer Forschungsinstituts SIPRI 1.200 »Paveway«-Bomben bereit, von 2006 bis 2009 mindestens 150 GBU-28-Bomben.
Laut dem American Friends Service Committee, einer von den Quäkern getragenen Antikriegsorganisation, genehmigte das Pentagon im Jahr 2015 den Verkauf von 2.200 weiteren »Paveway«-Bomben. Sie wurden schon in früheren Kriegen zahlreich gegen Ziele im Gazastreifen eingesetzt, und sie werden auch heute genutzt – sogar bunkerbrechende Bomben, obwohl deren Einsatz in Gebieten mit einer zahlenstarken zivilen Bevölkerung verboten ist: Mit ihnen attackieren die israelischen Streitkräfte unter anderem Tunnel der Hamas und der Hisbollah.
Die Kriege im Nahen Osten lohnen sich für RTX sehr. Das Unternehmen war noch 2023 der zweitgrößte Rüstungskonzern der Welt und ist gegenwärtig die Nummer drei, knapp hinter der Aviation Industry Corporation of China (AVIC). Sein Börsenkurs hat sich seit dem 6. Oktober 2023 knapp verdoppelt. Sein Umsatz lag im zweiten Quartal 2024 um gut acht Prozent über dem Vorjahreswert und erreichte 19,7 Milliarden US-Dollar; im Gesamtjahr dürfte er ähnlich steigen: »war sells« – Krieg zahlt sich aus.
Das tut er aber schon lange. Laut Recherchen von CNN waren Raytheon-Waffensysteme zum Beispiel im Einsatz, als die von Saudi-Arabien geführte Kriegskoalition im Jemen im Jahr 2015 mit einem Luftangriff 15 Mitglieder einer Familie tötete, darunter zwölf Kinder, oder als sie 2018 eine Hochzeitsfeier bombardierte; 21 Zivilisten kamen dabei ums Leben. Die Liste ist lang. Saudi-Arabien konnte aus dem Vollen schöpfen: Raytheon hatte dem Königreich von 2015 bis 2020 für drei Milliarden US-Dollar über 120.000 Bomben und Bombenteile verkauft.
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