Vereint gen Osten
Von Jörg KronauerVerteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) und sein britischer Amtskollege John Healey (Labour) haben am Mittwoch in London ein Abkommen über eine umfassende Militär- und Rüstungskooperation zwischen Deutschland und Großbritannien unterzeichnet. Das »Trinity House Agreement« sieht unter anderem gemeinsame Manöver an der NATO-Ostflanke vor, insbesondere in Litauen und in Estland, wo die Bundeswehr bzw. die britischen Streitkräfte im NATO-Rahmen Truppen stationiert haben. Darüber hinaus wird die Bundeswehr Seefernaufklärer des Typs Boeing P-8A »Poseidon« auf den Luftwaffenstützpunkt RAF Lossiemouth im Norden Schottlands unweit Inverness verlegen; dort sollen sie sich an der Überwachung des Nordatlantiks beteiligen und vor allem die Einfahrt russischer U-Boote aus der Barentssee in den Atlantik melden. Laut britischen Quellen handelt es sich um die erste dauerhafte Stationierung deutscher Militärflugzeuge im Vereinigten Königreich überhaupt.
Ferner sieht die »Trinity House«-Vereinbarung eine intensivere Rüstungskooperation vor. Schon länger ist bekannt, dass Deutschland und Großbritannien gemeinsam mit weiteren EU-Staaten Mittelstreckenraketen entwickeln wollen, deren Reichweiten mindestens der Entfernung zwischen Berlin und Moskau entsprechen. Jetzt heißt es, man wolle auch bei der Entwicklung und der Herstellung von Drohnen kooperieren. Zudem sollen Rüstungskonzerne beider Länder in der Artillerieproduktion enger zusammenarbeiten. Bereits heute stellt Rheinmetall den Radpanzer »Boxer« in Großbritannien her. Künftig soll er von Waffenschmieden beider Seiten weiterentwickelt werden. Zudem will Rheinmetall in Großbritannien ein Artillerierohrwerk errichten, das britischen Stahl von Sheffield Forgemasters verarbeiten soll. Von 400 neuen Arbeitsplätzen und einem Geschäft in Höhe von einer halben Milliarde Pfund (knapp 600 Millionen Euro) ist die Rede.
Das deutsch-britische Militär- und Rüstungsabkommen hat verschiedene Hintergründe. Zum einen klagen nicht nur die Bundeswehr, sondern auch die britischen Streitkräfte über Mangel an Personal und Waffen. Beide Seiten suchen nun in den Machtkämpfen nicht nur gegen Russland, sondern auch gegen China die Kräfte zu bündeln. Hinzu kommen Unklarheiten im Hinblick auf einen etwaigen Machtwechsel in den USA; sollte Washington die militärische Präsenz in Europa reduzieren, wäre größere militärische Geschlossenheit dort auch aus britischer Perspektive wünschenswert. Entsprechend hatte bereits der konservative Premier Rishi Sunak am 24. April 2024 Berlin besucht und mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) den Ausbau der Militär- und Rüstungskooperation initiiert, den auf britischer Seite nun Labour-Premier Keir Starmer in trockene Tücher bringt. Starmer strebt außerdem eine umfassendere Kooperationsvereinbarung mit Deutschland an, die um das Militär- und Rüstungsabkommen herumkonstruiert werden soll.
Das »Trinity House Agreement« hat die »Lancaster House Treaties« von 2010 zum Vorbild, die eine enge Militärkooperation zwischen Großbritannien und Frankreich begründeten. Diese war damals vor allem auf Militärinterventionen fernab des eigenen Kontinents orientiert; der Libyen-Krieg, den die Streitkräfte beider Länder gemeinsam führten, galt als ihr erster Praxistest. Die »Trinity House«-Vereinbarung durchliefe ihren Praxistest nach Lage der Dinge dagegen in einem Krieg gegen Russland.
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Joachim S. aus Berlin (24. Oktober 2024 um 13:28 Uhr)Dieses Abkommen zielt vorrangig darauf, und da bin ich anderer Meinung als Istvan Hidy, die Ostsee in ein Binnengewässer der NATO zu verwandeln, in dem sie und nur sie das Sagen hat. Wie meilenweit liegt das von dem Gedanken entfernt, dass die Ostsee ein Meer des Friedens sein sollte. Nun soll sie und wir ausbaden, dass 1990 nicht die Friedenskräfte den Kalten Krieg gewonnen haben, sondern die Kalten Krieger.
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Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (24. Oktober 2024 um 11:20 Uhr)Das Abkommen zwischen London und Berlin soll Europas Fähigkeit stärken, unabhängigere militärische Kapazitäten aufzubauen, etwa durch gemeinsame Rüstungsprojekte und den Ausbau von Langstreckenwaffen. Dabei zielt das Abkommen auch darauf ab, eine stärkere regionale Führungsrolle von Großbritannien, Deutschland und Frankreich innerhalb der NATO zu festigen. Der strategische Hintergrund ist die Ungewissheit über die zukünftige US-Außenpolitik, insbesondere falls Donald Trump wieder Präsident werden sollte. Dies führt dazu, dass Europa sich stärker auf eigene Verteidigungskräfte fokussieren muss. Das Abkommen umfasst Projekte in verschiedenen militärischen Dimensionen (Luft, Land, Meer, Weltraum und Cyber), inklusive der gemeinsamen Entwicklung von Technologien wie Drohnen und Panzern sowie die Modernisierung bestehender Waffensysteme. Zudem wollen beide Länder ihre Kooperation in der Ukraine-Hilfe und bei der Sicherung der NATO-Ostflanke ausbauen. Ein weiteres Ziel ist die wirtschaftliche und sicherheitspolitische Neuausrichtung der britischen Labour-Regierung nach dem Brexit, ohne jedoch in den EU-Binnenmarkt zurückzukehren. Langfristig bleibt unklar, ob dieses Abkommen substanzielle Erfolge zeigen wird, insbesondere da wichtige Themen wie der Austausch von Geheimdienstinformationen oder die nukleare Abschreckung fehlen.
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