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Aus: Ausgabe vom 24.10.2024, Seite 4 / Inland
Koalitionsgespräche im Osten

Manöver gegen Wagenknecht

Nach Landtagswahlen: Verhandlungen zwischen SPD, BSW und CDU über Regierungsbildung dauern an. CDU-Generalsekretär kritisiert Parteichefin
Von Kristian Stemmler
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Katja Wolf (BSW) und Mario Voigt (CDU) im Thüringer Landtag (Erfurt, 26.9.2024)

Die Gespräche zur Regierungsbildung zwischen CDU, BSW und SPD werden von einer Kampagne überschattet, die offenbar einen Keil zwischen die BSW-Bundesspitze und den Thüringer Landesverband treiben soll. Auslöser ist dabei die Forderung der BSW-Vorsitzenden Sahra Wagenknecht, die CDU in Thüringen solle sich von Äußerungen des CDU-Chefs Friedrich Merz distanzieren. In den bürgerlichen Medien – so im Boulevardblatt Bild und im Handelsblatt – wurde am Mittwoch kräftig spekuliert, Wagenknecht wolle in Wahrheit keine Regierungsbeteiligung in Sachsen und Thüringen, es war von einem »Showdown« zwischen ihr und Thüringens BSW-Chefin Katja Wolf die Rede.

CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann erklärte am Mittwoch im ARD-»Morgenmagazin«, Wagenknecht sei für ihn eine Kommunistin, die aber kapitalistisch lebe. Die Probleme der Menschen in Thüringen seien ihr »völlig egal«. Wagenknecht spiele ein Spiel und ziehe eine »Spur der Zerstörung« hinter sich. Erst habe sie die SPD, dann die Linkspartei zerstört, wetterte Linnemann. »Mit der CDU wird das nicht passieren«, prophezeite er. Mit Blick auf die BSW-Forderung, den Verzicht auf die Stationierung von US-Mittelstreckenraketen in die Koalitionsvereinbarungen in Thüringen und Sachsen aufzunehmen, erklärte Linnemann, diese Stationierung und die »Westbindung« der BRD gehörten zu den unverrückbaren Positionen seiner Partei. Die CDU habe bestimmte Werte und die ließen sich nicht »verramschen und verkaufen«.

Wagenknecht wiederholte unterdessen ihre Forderungen an den Thüringer CDU-Chef Mario Voigt, sich von Merz zu distanzieren, der vor einer Woche im Bundestag erneut die Lieferung von »Taurus«-Marschflugkörpern an die ­Ukraine gefordert hatte. Voigt werde sich »entscheiden müssen, wem er sich mehr verpflichtet fühlt«, sagte sie am Mittwoch dem Portal web.de News. Auf der einen Seite stünden die Wähler in Thüringen, die eine Stationierung der US-Mittelstreckenwaffen mit großer Mehrheit ablehnten, auf der anderen Seite Merz, »der im Bundestag faktisch einen Kriegseintritt Deutschlands gegen Russland ›binnen 24 Stunden‹ gefordert hat«.

Wagenknecht dürfte bewusst sein, dass Voigt auf diese Forderung nicht eingehen kann. Ihr Manöver hat vermutlich den Zweck, die friedenspolitische Debatte anzukurbeln und die Union auf Bundesebene zu attackieren. Die Auswirkung auf die Verhandlungen in Thüringen und Sachsen dürfte dagegen geringer sein, als gemeinhin suggeriert wird. Thüringens BSW-Chefin Katja Wolf hatte mehrfach deutlich gemacht, dass ihr Landesverband sich den Kurs nicht diktieren lasse. Gegenüber dem MDR hatte sie am Montag erklärt, es werde noch in dieser Woche ein Formulierungsvorschlag für die Friedenspräambel vorliegen, die dem Koalitionsvertrag vorangestellt werden soll.

Auch die sächsische BSW-Chefin Sabine Zimmermann bemühte sich, die Wogen zu glätten. Man habe »keine Standleitung« zu Sahra Wagenknecht, erklärte Zimmermann laut Bild (Mittwoch). Wagenknecht habe »natürlich die bundespolitische Sicht« und als Parteivorsitzende »alle Möglichkeiten, sich dazu zu äußern«. Sachsens SPD-Chef Henning Homann sprach von einem »Kasperletheater, was Sahra Wagenknecht aufführt«. Dieses schade der Regierungsbildung in Sachsen und damit den Menschen im Land. »Deshalb kann ich ihr nur empfehlen, damit aufzuhören«, so Homann.

Unterdessen hat sich Bundeskanzler Olaf Scholz überraschend positiv zu den Verhandlungen zwischen der SPD und dem BSW in Brandenburg geäußert. Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) sei »ein erfahrener Politiker«, sagte Scholz, der seinen Wahlkreis in Potsdam hat, am Mittwoch laut dpa. Woidke führe »sehr pragmatisch die Gespräche«, deshalb könne man darauf vertrauen, dass er »das gut macht«. In Brandenburg loten die SPD und das BSW unter Landeschef Robert Crumbach seit Anfang Oktober eine mögliche Regierungskoalition aus.

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