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Aus: Ausgabe vom 24.10.2024, Seite 5 / Inland
Bürgergeld

Kürzen bei den Armen

Finanzminister will Wohnkosten bei Bürgergeldbeziehern »pauschal« bezahlen. Arme sollten sich »eine kleinere Wohnung« suchen oder anders heizen
Von Gudrun Giese
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Dass in vielen Städten eine neue, kleinere Wohnung teurer ist als die bisherige, ignoriert Lindner

Während der Bundesrepublik von allen Seiten eine lahmende Konjunktur bescheinigt wird, lenken einige Ampelpolitiker den Blick auf die Schwachen der Gesellschaft. Unmittelbar vor seinem Abflug in die USA nahm Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) dafür Bürgergeldbezieher in den Blick. Diese sollten künftig die Wohnkosten pauschal und nicht nach den realen Kosten erstattet bekommen: »Dann können die Leistungsempfänger entscheiden, ob sie eine kleinere Wohnung beziehen und wie sie heizen«, sagte Lindner laut Wirtschaftswoche. Dadurch ließen sich »hier Milliarden Euro einsparen«, meinte der Minister.

Wie er auf so einen hohen Betrag kam, erklärte Lindner nicht. Auch Wohnungsnot scheint dem Finanzminister kein Begriff zu sein, ebenso dass in vielen Städten eine neue, auch kleinere, Wohnung viel teurer ist als das bisherige Domizil. Und seine Bemerkung zum Thema Heizen könnte bedeuten, dass er armen Menschen die Einstellung »Null« am Thermostat empfiehlt. Dabei können sich auch nach bisheriger Regelung Bürgergeldempfänger nicht uferlose Miet- und Heizkosten erstatten lassen.

Einsparungen wären aber auch noch bei anderen Gruppen möglich. Durch einen eigenen Rechtsstatus könne bei den Leistungen für Flüchtlinge aus der Ukraine gespart werden, meinte der FDP-Politiker. Leistungen für Asylsuchende möchte Lindner laut dpa »mit arbeitsmarktpolitischen Instrumenten kombinieren«, die für Bürgergeldbezieher gedacht sind. »Ukrainer müssen wegen des Krieges in ihrer Heimat nicht eigens ein Asylbewerberverfahren durchlaufen (…), sie sollten aber auf der anderen Seite nicht gleich ein Bürgergeld erhalten, das auf ein sozioökonomisches Existenzminimum mit gesellschaftlicher Teilhabe auch ohne Arbeit ausgerichtet ist«.

Doch auch Sahra Wagenknecht vom gleichnamigen Bündnis nahm Arme ins Visier. Es sei »inakzeptabel«, dass etwa jeder zweite Mensch im Bürgergeldbezug ein halbes Jahr nach Aufnahme eines Jobs weiterhin oder wieder auf staatliche Hilfe angewiesen sei. Es könne nicht sein, »dass nach nur sechs Monaten Arbeit jeder Zweite zurück im Bürgergeld ist«, sagte Wagenknecht gegenüber Bild. Doch lange ist bekannt, dass Bürgergeldbezieher oft nur eine Beschäftigung im Niedriglohnsektor finden und ergänzende Leistungen benötigen. Auch Alleinerziehende, die nur eine Teilzeitstelle ausüben können, weil sie Sorgepflichten haben, sind davon betroffen. Der fürs Bürgergeld zuständige Arbeits- und Sozialminister Hubertus Heil (SPD) sehe die Leistung richtig ausgerichtet, damit Arbeitslose langfristig wieder in Lohn und Brot kämen, meldete dpa.

Nach aktuellen Daten bleibe die Mehrheit der Leistungsempfänger, die eine Arbeit aufnehmen, auch nach sechs Monaten beschäftigt, erklärte ein Ministeriumssprecher. Die Quote liege bei rund 64 Prozent und sei damit in den vergangenen Jahren sogar gestiegen. Mit der Forderung nach Sanktionen »für diejenigen, die sich lieber im Modell Bürgergeld plus Schwarzarbeit einrichten möchten«, suggeriert Wagenknecht, Menschen würden es sich im Leistungsbezug bequem machen.

Doch in den zurückliegenden Monaten wurde immer wieder darauf hingewiesen, dass nur ein verschwindend kleiner Teil der Bürgergeldempfänger missbräuchlich Leistungen bezieht. Es gebe keine Hinweise darauf, dass das Bürgergeld Menschen zur schnellen Rückkehr in den Leistungsbezug verleite, hieß es dazu aus dem Bundesarbeitsministerium. Benötigten sie aufstockende Hilfen, habe das vor allem mit niedrigen Löhnen und Teilzeit zu tun. Außerdem müsse in vielen Fällen eine große Familie finanziert werden. Das Erwerbseinkommen reiche dann nicht aus, »um die Hilfebedürftigkeit der gesamten Bedarfsgemeinschaft zu überwinden«, so der Sprecher. Stark betroffen von diesem Dilemma seien Menschen mit Kindern, die zugleich für Niedriglohn arbeiteten.

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinrich H. aus Stadum (23. Oktober 2024 um 20:21 Uhr)
    Die unübertroffene Schwafelkompetenz des Herrn Lindner zeigt dieses Zitat: »Jeder Heizkostenabrechnung liegt deshalb ein Verteilerschlüssel zugrunde, der den prozentualen Anteil der Verbrauchs- und Grundkosten festlegt. Laut § 6 der Heizkostenverordnung darf der Gebäudeeigentümer diesen Verteilerschlüssel bestimmen und er hat dabei laut §§ 7 und 8 den Spielraum, »mindestens 50 vom Hundert, höchstens 70 vom Hundert« verbrauchsabhängig zu verteilen«. (https://www.minol.de/verteilerschluessel.html) Wenn eine Mieterin also nicht mehr heizt, werden trotzdem 30 bis 50 Prozent der auf ihre Wohnfläche anfallenden Heizkosten umgelegt. Auf die thermische Gebäudequalität und den Zustand des Heizsystems hat die Mieterin (faktisch) keinen Einfluss. Wobei nicht heizen oder an der Heizung sparen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu drastischen Gesundheitseinschränkungen führt. Erkältung und Schimmel sind noch die leichteren Folgen. Womöglich kommt der Vermieter und fordert »heizen und lüften« zur Werterhaltung der Immobilie …

    Die Deutsche Unternehmensinitiative Energieeffizienz e.V. (https://deneff.org/prozesswaerme-wird-zur-standortfrage/) bietet Nachhilfeunterricht für Herrn Lindner: »Eine neue Kurzstudie der Hochschule Niederrhein, durchgeführt im Auftrag der Deutschen Unternehmensinitiative Energieeffizienz (DENEFF), zeigt, dass in deutschen Unternehmen durch gezielte Maßnahmen insgesamt bis zu 21 Milliarden Euro jährlich an Energiekosten eingespart werden könnten.« Z.B.: »Die Hälfte der Prozesswärme lässt sich wirtschaftlich einsparen«. Beispiel aus der Kurzstudie: »63 Prozent der wirtschaftlichen Energieeinsparpotentiale (142 TWh/a von 226 TWh/a) sind dabei «marktnah». Das bedeutet, dass die Maßnahmen eine sehr attraktive Rendite haben und sich innerhalb von drei Jahren amortisieren. Damit können bis zu 12,8 Milliarden Euro jährlich an Energiekosten eingespart werden.« (https://deneff.org/wp-content/uploads/2024/09/HSNR2024-Kurzstudie-Prozesswaerme.pdf)

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