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Aus: Ausgabe vom 24.10.2024, Seite 8 / Ansichten

Standortsorgen

Minister streiten um Wirtschaftspolitik
Von Daniel Bratanovic
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Spüren schon die »Transformationsschmerzen«: Die Ministerkollegen Robert Habeck und Christian Lindner

Die täglich beklagte ökonomische Misere dieses Landes will nicht vergehen. Der IWF sieht die Bundesrepublik in puncto Wirtschaftswachstum an letzter Stelle unter den Industrienationen, die Bundesbank meldet einen Einbruch bei den ausländischen Direktinvestitionen. Da nun der bürgerliche Staat seine Handlungsfähigkeit maßgeblich aus seinen etatmäßigen Möglichkeiten ableitet, also daraus, in welchem Umfang er vom produzierten gesellschaftlichen Reichtum schöpft, muss ihn das Wohl seines Wirtschaftsstandorts unbedingt interessieren. Das seiner Bevölkerung nur sehr bedingt.

Die anhaltend schlechten Nachrichten jedenfalls sorgen für hektische Betriebsamkeit unter deutschen Ministern, ohne dass freilich irgend etwas passierte. Denn die präsentierten Ansätze widersprechen einander. Der Wirtschaftsminister setzt auf klassisches Deficit spending, will also die akute Wachstumsschwäche des Landes mit schuldenfinanzierten Investitionen beheben: Staatsprämien für alle investitionsbereiten Unternehmen, dazu Staatsausgaben zur Modernisierung der Infrastruktur. Das wiederum lehnt der Finanzminister, der unerschütterlich an das Dogma von den Selbstheilungskräften des Marktes glaubt, rundweg ab und fordert statt dessen eine Senkung der Unternehmenssteuern. Und da geringere Einnahmen verringerte Ausgaben verlangen, ist aus der Sicht eines neoliberalen Überzeugungstäters nur konsequent, dass gleichzeitig beim Bürgergeld gekürzt werden soll. Die Wirtschaftspresse, die seit Jahrzehnten immer die gleiche Laute schlägt, weiß er dabei auf seiner Seite.

Sicher stehen sich dabei zwei Lehrbuchansätze gegenüber: hier die Neoklassik, für deren Anhänger in ihrer antietatistischen Marktanbetung jede Staatsschuld des Teufels ist, dort keynesianische Methoden, wonach Staatsschulden eine den kapitalistischen Gesamtbetrieb stabilisierende Funktion haben. Über dahinterstehende unmittelbare Interessen von Konzernen, Unternehmerverbänden etc., so oder so Kapitalinteressen ist damit noch nichts ausgesagt. Sicher ist nur, die Interessen der Lohnabhängigen kommen in den präsentierten Vorschlägen der Minister nicht zum Ausdruck.

Unabhängig von konjunkturellen Eintrübungen, »Transformationsschmerzen« der deutschen Wirtschaft und außenpolitisch selbstverschuldet hohen Energiepreisen besteht für eine kapitalistische Nation wie Deutschland ein Generalproblem. In dem Maße, wie es den »Schwellenländern« gelingt, mit komplexen Industrieprodukten auf dem Weltmarkt konkurrenzfähig zu werden, steigt die Gefahr einer Absatz- beziehungsweise Überproduktionskrise. Wer produziert zu welchem Produktionspreis und zu welchen Lohnstückkosten wird dann zur entscheidenden Frage. Für die hiesige Klasse der Lohnabhängigen bedeutet das einen verschärften Kampf um die Verteilung der Mehrwertmasse. Ankündigungen wie »Agenda 2030« klingen da wie eine Drohung, gegen die sie sich zur Wehr setzen sollte.

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