Singapurs Gewerkschaftsbund gegen Allianz
Von Thomas BergerEs hätte für die Allianz der ganz große Deal mit Aufstieg zum viertgrößten Kompositversicherer Asiens werden können: Die Übernahme einer Mehrheit bei der Income Insurance in Singapur. 2,2 Milliarden Singapur-Dollar (1,5 Milliarden Euro) wollte der deutsche Versicherungsriese entsprechend seines Angebots vom Juli für 51 Prozent der Anteile zahlen. Daraus wird nichts: Per Gesetz hat eine breite Mehrheit im Parlament des Stadtstaates Singapur die Pläne gestoppt. Der neue Insurance (Amendment) Bill gibt dem zuständigen Ministerium die Handhabe, solche Übernahmen im öffentlichen Interesse zu blockieren, sofern es sich um eine Versicherungsgesellschaft handelt, die entweder selbst eine Genossenschaft oder mit diesem Sektor verbunden ist.
Genau das ist bei Income Insurance der Fall. Die 1970 gegründete Gesellschaft bietet Kranken-, Sach- und Lebensversicherungen zu erschwinglichen Preisen auch für Geringverdiener. Eine »soziale Mission«, nannten es in der Parlamentsdebatte vorige Woche verschiedene Redner. Die wäre gefährdet, hätte man die Übernahme gestattet, so auch Kulturminister Edwin Tong. Income selbst ist zwar seit einigen Jahren kein genossenschaftliches Unternehmen mehr. Allerdings trifft dies auf NTUC Enterprise (NE) zu, das 72,8 Prozent der Anteile hält und im Falle des Allianz-Einstiegs in eine Minderheitsposition gerückt wäre. Hinter NE steht wiederum NTUC, der Gewerkschaftsdachverband. Dessen Vizegeneralsekretär Desmond Tan erklärte auf kritische Nachfragen der Abgeordneten, der NTUC-Vorstand habe selbst erst durch die Parlamentsdebatte von Details des Deals erfahren. Insbesondere von den Plänen der Allianz, binnen drei Jahren nach Übernahme den Kapitalstock von Income Insurance erheblich zu reduzieren und 1,85 Milliarden Singapur-Dollar an die Anteilseigner auszuschütten. Damit hätte der Versicherer nicht mehr genügend Geld zur Erfüllung seiner Aufgaben gehabt.
Dieser Umstand war nach Prüfung durch die Finanzaufsicht (MAS) der entscheidende Grund für das Einschreiten der Regierung. In dem Stadtstaat, der große Stücke auf seinen freien Finanzmarkt hält, ist die politische Intervention bei einem Wirtschaftsgeschäft ein ungewöhnlicher Schritt. Joshua Thomas, ein Parlamentarier der seit Jahrzehnten regierenden People’s Action Party (PAP), betonte nach den Ausführungen von Tan, dass die Unternehmensführung von Income »reichlich Erklärungsbedarf hat«. Ein Eindruck, den viele andere angesichts des Informationsdefizits zwischen Versicherung, Mehrheitseigner NE und Gewerkschaftsspitze teilten. Warum Letztere nicht über alle Details gebrieft worden sei, wollte laut The Straits Times der Oppositionsabgeordnete Leong Mun Wai von der Progress Singapore Party wissen. Die Abgeordneten der sozialdemokratischen Workers Party enthielten sich zwar in der Abstimmung über die Gesetzesergänzung, fanden es aber ebenfalls äußerst richtig, den Deal zu stoppen. Am 15. Oktober gab es zudem ein Gespräch der NTUC-Spitze mit Vizepremier Gan Kim Yong und weiteren Ministern, wie das Nachrichtenportal Channel News Asia (CNA) berichtete.
Der unter »Gründungsvater« Lee Kuan Yew lange eher autoritär geführte Stadtstaat funktioniert in etwa so: Einerseits herrscht Kapitalismus pur, andererseits bzw. aus dem Grund muss die Regierung auf eine soziale Grundabsicherung der Einwohner achten, beispielsweise mit staatlich gefördertem Wohnungsbau, der in der teuren Millionenmetropole bezahlbare Unterkünfte auch für Kleinverdiener garantiert. Die Erwerbslosigkeit ist vergleichsweise gering – Ende 2023 gab es laut Ministerium nur 0,7 Prozent Langzeiterwerbslose, die generelle Rate liegt konstant bei zwei Prozent (insgesamt) bzw. 2,9 Prozent (Staatsbürger). Ab April 2025 soll es mit »Skills Future« allerdings erstmals eine Erwerbslosenunterstützung für alle geben, die nicht mehr als 5.000 Singapur-Dollar verdienen und »schuldlos« ihren Job verloren haben. Es wird angenommen, dass aufgrund des Aufstiegs von KI viele Jobs wegfallen.
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