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Aus: Ausgabe vom 25.10.2024, Seite 1 / Titel
Türkei und Kurden

Luftterror aus Ankara

Türkische Armee bombardiert zivile Infrastruktur in Nordsyrien. Erster Besuch bei PKK-Vordenker Abdullah Öcalan nach dreieinhalb Jahren Isolationshaft
Von Tim Krüger
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Schwarzer Rauch steigt auf nach einem Drohnenangriff auf ein Treibstoffverteilungszentrum im Ort Siwêdiyê bei Dêrik (Al-Malikiya) im Nordosten Syriens vom Donnerstag

Es war kurz nach 22 Uhr, als die ersten Bomben und Granaten niedergingen. In der Nacht zu Donnerstag nahm die türkische Armee Ziele auf dem gesamten Territorium der Demokratischen Selbstverwaltung von Nord- und Ostsyrien mit Artillerie- und Luftangriffen unter schweren Beschuss. Auch aus dem Nordirak wurden Luftangriffe gemeldet. Am Donnerstag morgen dauerte die Bombardierung von Zielen in den selbstverwalteten Gebieten in Syrien an.

Berichten der lokalen Nachrichtenagentur Anha zufolge wurden vor allem Gesundheitseinrichtungen, Großbäckereien, Kraftwerke und Ölförderanlagen zerstört. Laut der Pressestelle der »Demokratischen Kräfte Syriens« wurden bis zum Morgen zwölf Zivilisten, darunter zwei Kinder, durch die Angriffe getötet und 25 weitere verletzt. Der türkische Verteidigungsminister Yaşar Güler rechtfertigte am Morgen die Luftangriffe auf die zivile Infrastruktur der Region mit Vergeltung für einen Angriff auf das staatliche Rüstungsunternehmen Turkish Aerospace Industries (TAI) nahe der Hauptstadt Ankara am Vortag.

Am Mittwoch nachmittag waren eine Frau und ein Mann auf das hochgesichterte Gelände der Firma, die Drohnen und Kampfflugzeuge für die türkischen Streitkräfte produziert, eingedrungen und hatten das Feuer eröffnet. Dabei wurden laut türkischem Innenministerium sieben Menschen, darunter die beiden Angreifer, getötet und 22 weitere verletzt. Während die türkische Regierung bereits in Richtung der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) deutete, hat bis Donnerstag nachmittag noch keine Organisation die Verantwortung übernommen.

Brisant sind die Entwicklungen vor allem vor dem Hintergrund der aktuell in der Türkei laufenden Debatte über mögliche Gespräche mit dem seit über 25 Jahren inhaftierten Gründer der PKK, Abdullah Öcalan. So forderte der Führer der faschistischen Regierungspartei MHP, Devlet Bahçeli, am Dienstag, Öcalan solle im Parlament sprechen und die »Auflösung der Organisation« bekanntgeben. Präsident Recep Tayyip Erdoğan unterstützte den Vorstoß des Faschistenführers indirekt und sprach von einem »historischen Fenster«, das man nutzen müsse.

Während manche Beobachter schon vorschnell den Beginn neuerlicher Friedensverhandlungen zwischen der PKK und der Regierung erkennen wollten, zeigte sich die kurdische Seite bisher noch skeptisch über den vermeintlichen Sinneswandel der türkischen Führung. Helin Ümit, Mitglied des Zentralkomitees der PKK, erklärte am Dienstag im Fernsehsender Medya Haber, dass noch »keine guten Absichten und Ernsthaftigkeit« der türkischen Seite erkennbar seien. Auch der Generalkommandant der PKK-Guerilla, Murat Karayılan, äußerte gegenüber der Tageszeitung Yeni Özgür Politika, dass man zwar als »Bewegung nicht gegen einen demokratischen Lösungsprozess« sei, man sich aber »nach so viel Erfahrung« nicht so einfach auf die »übliche Spezialkriegstaktik« einlassen würde.

Tatsächlich gewährte die türkische Justiz nach über 43 Monaten der Totalisolation von Abdullah Öcalan dessen Neffen Ömer Öcalan, Abgeordneter der linken Dem-Partei, Zugang zur Gefängnisinsel İmralı. Der PKK-Vordenker ließ über den Abgeordneten mitteilen, dass seine Isolation weiter anhalte, und er erklärte, »wenn die Bedingungen entstehen«, könne er »diese Phase von der Ebene des Konflikts und der Gewalt auf eine rechtliche und politische Ebene lenken«.

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