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Aus: Ausgabe vom 25.10.2024, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Bericht des EU-Rechnungshofes

Im Zweifel Staatshilfe

Wirtschaftshilfen in der EU in vergangenen Jahren verdreifacht. BRD hat das meiste Geld in Unterstützung der Wirtschaft gesteckt
Von Sebastian Edinger
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Der Staat hilft, die Gewinne machen weiterhin die Konzerne (Kanzler Scholz bei der Meyer-Werft am 22. August 2024)

In Reaktion auf Coronapandemie und Ukraine-Krieg haben die EU-Staaten ihre Wirtschaftsbeihilfen verdreifacht. Um das zu ermöglichen, hatte die Kommission mehrfach ihre Beihilferegeln gelockert – und letztlich die Kontrolle verloren. Das ist das Fazit einer am Mittwoch in Luxemburg vorgelegten Analyse des Europäischen Rechnungshofs (EuRH) zu Staatsbeihilfen in Krisenzeiten.

Die EU-Verträge sind auf den Schutz des marktwirtschaftlichen Wettbewerbs zwischen Privaten ausgerichtet; die Staaten sollen nur in geringem Umfang eingreifen. Dafür sollen unter anderem strikte Beihilferegeln sorgen, denen zufolge jede finanzielle Unterstützung eines Unternehmens oder einer Branche angemeldet und auf ihre Auswirkungen auf den EU-Binnenmarkt hin überprüft werden muss. In Zeiten immer häufigerer und tiefgreifender Krisen scheitert der Ansatz jedoch zunehmend an der Realität.

Immer wieder wurden die Regeln in den letzten Jahren ausgesetzt und gelockert, erst um gegen Corona anzuinvestieren, dann um die wirtschaftlichen Folgen der Einmischung in den Ukraine-Krieg abzufedern, zuletzt um im globalen Rennen um »grüne« Technologien einen Fuß in die Tür zu bekommen. Die Lockerungen wurden umfassender genutzt, als es den Rechnungsprüfern lieb ist – und längst nicht nur für die vorgesehenen Zwecke. Lagen die registrierten Beihilfen vor Corona noch bei 120 Milliarden Euro, beliefen sie sich 2020 und 2021 auf jeweils rund 320 Milliarden Euro und 2022 auf 230 Milliarden.

Die Bedingungen für die Gewährung der Staatsknete seien »nicht immer klar definiert oder ausreichend auf die am stärksten betroffenen Unternehmen ausgerichtet gewesen«, beklagt der Rechnungshof. Die Kommission habe ihre Genehmigungsverfahren gestrafft, die Kontrollen reduziert – und letztlich die Kontrolle verloren. Die Mitgliedstaaten hätten teilweise Beihilfen gewährt, die nicht im Zusammenhang mit den vorgeschriebenen Zwecken standen. Zudem fehle es an einem »strukturierten Ansatz, mit dem nicht angemeldete Beihilfen aufgedeckt werden könnten«.

Letztlich ist nicht einmal klar, wer wie viel Geld in die Hand genommen hat. Denn die Mitgliedstaaten hätten »keine vollständigen und zuverlässigen Daten über die tatsächlich gewährten Beihilfen« vorgelegt. In Deutschland wurden die gewährten Mittel für Lufthansa, TUI, die Energiewirtschaft und so weiter nicht einmal systematisch erfasst. Statt dessen wurden die Daten nun im Wirtschaftsministerium händisch zusammengetragen. Die EuRH-Prüfer haben dann jedoch Meldefehler von mehr als 30 Milliarden Euro festgestellt, die auf das manuelle Verfahren und eine falsche Auslegung der Meldeleitlinien zurückzuführen waren.

In absoluten Zahlen hat die BRD dem Bericht zufolge mit 73,7 Milliarden Euro mit Abstand am meisten Geld in die Stützung der Wirtschaft gesteckt. Das Gros davon wurde zur Abfederung der Energiepreissteigerungen nach dem Ende der Gaslieferungen aus Russland verwendet. Geholfen hat es wenig: Während die meisten Mitgliedsländer eine Wirtschaftsschrumpfung verhindern konnten und das Inlandsprodukt der EU auch im vergangenen Jahr zumindest noch um 0,4 Prozent wuchs, ist die deutsche Wirtschaftsleistung im Sinkflug.

Anderen EU-Staaten wie insbesondere Frankreich werfen die Rechnungsprüfer vor, die Regellockerungen genutzt zu haben, um einheimische Unternehmen zu übervorteilen. Wobei auch die aus Paris übermittelten Zahlen erheblich von jenen des EuRH abweichen. Die Differenz belaufe sich auf 23 Milliarden Euro und sei unter anderem auf unterschiedliche Berechnungsverfahren zurückzuführen.

Der Bericht zeigt auch, dass die EU-Kommission beim Versuch, die marktradikalen Verträge mit der Realität in Einklang zu bringen, eine immer komplexere und dysfunktionalere Bürokratie geschaffen hat. Die Zahl der Beihilfebeschlüsse sei von 250 auf 950 angestiegen, die Vorschriften seien »komplex und nicht immer in sich stimmig oder ausreichend durch wirtschaftliche Analysen untermauert«, schreiben die EuRH-Prüfer. Bei verlängerten oder nachträglich geänderten Beihilfen komme erschwerend hinzu, dass diese nicht mehr einzelnen Instrumenten zugeordnet werden konnten, da mehrere EU-Leitlinien betroffen sind.

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