Vermittlerinnen des Wissens
Von Sara Meyer, San Basilio de Palenque.Die afrokolumbianischen Frauen in ihren farbenfrohen, gelb-rot-blauen Rüschenkleidern und den kunstvoll balancierten Obstkörben auf den Köpfen gehören untrennbar zum historischen Stadtbild Cartagenas an Kolumbiens Karibikküste. Es vergeht kaum ein Tag, an dem nicht Touristen für ein Foto neben ihnen posieren. Doch hinter den lebendigen Farben und freundlichen Gesichtern der »Palenqueras« verbirgt sich eine weitgehend unbeachtete Geschichte – eine Geschichte von Überleben, Widerstand und dem Erhalt kultureller Identität.
Die Wurzeln dieser Frauen reichen bis nach San Basilio de Palenque, einem kleinen Dorf, das im Jahre 1619 von entflohenen Sklaven gegründet wurde und heute als erster freier Ort Amerikas nach Ankunft der Europäer gilt. In Palenque entwickelten diese Maroons, stets bedroht von den spanischen Kolonialherren, eine eigenständige Kultur. Ihre Sprache, das Palenquero, ist eine Mischung aus Spanisch, Portugiesisch (die Sprache der Sklavenhändler), Kikongo (eine Bantu-Sprache aus dem heutigen Kongo und Angola) und möglicherweise auch indigenen Sprachen. Fast 200 Jahre lang widersetzten sie sich zahlreichen Versuchen der spanischen Großgrundbesitzer, sie wieder zu versklaven.
Auch wenn die Palenqueras heutzutage Teil der Folklore sind, bleibt ihre Realität oft von Armut und sozialen Ungleichheiten und Ausgrenzung geprägt. Der Verkauf von Obst und Süßigkeiten, eine Tätigkeit, der die Frauen seit mehreren hundert Jahren nachgehen, ist für viele von ihnen nach wie vor eine notwendige Einkommensquelle.
»Die Kleider, die die Farbe der kolumbianischen Flagge tragen, gehören nicht zu unserer Kultur. Die Frauen haben sich diese in Cartagena angezogen, um die Kundschaft auf sich aufmerksam zu machen.« Die Tatsache, dass sich die Frauen gegen Geld in einem Kleid von Touristen fotografieren lassen, werde in der Palenquero-Gemeinschaft kritisch gesehen, man habe Verständnis für die schwere wirtschaftliche Situation der Frauen, aber man heiße es nicht gut, meint der Anthropologe Jesus Perez Palomino, der selbst aus Palenque stammt und die Geschichte seiner Gemeinschaft erforscht.
Die Palenqueras seien mehr als ein Fotomotiv in Cartagenas kolonialer Altstadt – sie verkörpern das Erbe eines historischen Kampfes und die Bemühungen, die kulturellen Wurzeln im modernen Kolumbien zu bewahren. »Die Frauen stellen die tragende Säule unserer Identität dar, sprechen wir von der Palenquera-Frau, meinen wir damit immer unsere Kultur«, erklärt Perez.
Es seien die weiblichen Bewohner Palenques gewesen, die für Kontakte außerhalb des Dorfes sorgten, bestätigt der Anthropologe. »Die Frauen sind mit ihren Kindern losgezogen in die Städte und haben Produkte wie Reis verkauft.«
Diese Traditionen spiegeln sich auch im Dorfbild wider, wo die Außenwände der Häuser mit Gemälden bekannter Palenqueras verziert sind. Die Vermittlung von Wissen liegt ebenfalls fest in den Händen der Frauen, vor allem der Großmütter, die den Kindern auf Veranden und in Hinterhöfen die Kultur und Traditionen lehren. Die einzige Vertreterin des Volkes im kolumbianischen Kongress, Dorina Hernández Palomino, ist Lehrerin.
Perez weist darauf hin, dass es trotz dieser historischen Wertschätzung immer noch Probleme mit dem Machismo gibt, der die Rolle der Frauen im Alltag einschränkt. Aus diesem Grund wurde während des Trommelfestes, dem wichtigsten kulturellen Ereignis des Dorfes, eine Gesprächsrunde ins Leben gerufen, um die Rolle der Frauen aus verschiedenen Perspektiven zu beleuchten. »Dennoch unterscheidet sich die Sicht auf die Frau im Vergleich zum restlichen Kolumbien. Hier wird die Frau geschätzt und als Kopf der Gemeinschaft anerkannt«, fasst Pérez zusammen.
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