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Aus: Ausgabe vom 26.10.2024, Seite 3 / Schwerpunkt
jW gegen BRD

Staat gegen Pressefreiheit

Die BRD will der jungen Welt den »Nährboden entziehen«. Die Zeitung wehrt sich vor Gericht
Von Nick Brauns
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Am 18. Juli fand vor dem Verwaltungsgericht Berlin der Prozess »jW gegen BRD« statt

Als einzige Tageszeitung wird die junge Welt seit vielen Jahren im sogenannten Verfassungsschutzbericht des deutschen Inlandsgeheimdienstes als das »bedeutendste und auflagenstärkste Medium im Linksextremismus« aufgeführt. Begründet wird dies damit, dass es sich um eine »eindeutig kommunistisch ausgerichtete Tageszeitung« handele, deren Berichterstattung sich an ihrem marxistischen Selbstverständnis mit einer fundamentalen Kapitalismuskritik orientiere.

Die Geheimdienstaktivitäten bereiten der jungen Welt erhebliche Nachteile im Wettbewerb. So werden ihr mit Verweis auf die Nennung im Geheimdienstbericht etwa das Anmieten von Werbung in Bahnhöfen, im öffentlichen Nahverkehr oder im öffentlich-rechtlichen Rundfunk verweigert. Auch die redaktionelle Arbeit wird behindert, da Autoren und Gesprächspartner von einer Kooperation abgeschreckt werden und Institutionen Auskünfte verweigern. Solche Attacken auf die journalistischen und ökonomischen Grundlagen der Zeitung sind erklärte Absicht. Es gehe darum, der Zeitung hinsichtlich Relevanz und Wirkmächtigkeit »den weiteren Nährboden entziehen zu können«, erklärte die Regierung im Mai 2021 auf eine parlamentarische Anfrage. Darauf verklage die Verlag 8. Mai GmbH, in der die jW erscheint, im September 2021 die Bundesregierung wegen Verletzung von Grundrechten. Sie stützte sich dabei auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das im Falle der weit rechts stehenden Wochenzeitung Junge Freiheit 2005 eine Nennung in Verfassungsschutzberichten als unzulässige Einschränkung der Pressefreiheit gesehen hat. Für die jW soll dieses Urteil allerdings nicht gelten, da es sich bei ihr aus staatlicher Sicht nicht um ein journalistisches Produkt, sondern ebenso wie beim Verlag und der Genossenschaft um »extremistische« Personenzusammenschlüsse mit »umstürzlerischen Zielen« handele.

Eine einstweilige Verfügung hatte das Verwaltungsgericht Berlin im März 2022 zurückgewiesen. Zur Verhandlung in der Hauptsache kam es fast drei Jahre nach Klageeinreichung am 18. Juli 2024 – in der Zeit waren drei neue Verfassungsschutzberichte mit Nennung der jW erschienen. In der mündlichen Urteilsbegründung am Prozesstag wurde die Klage des Verlages abgewiesen.

Die Zeitung sei nicht nur marxistisch, sondern gar marxistisch-leninistisch, behauptete der Richter unter Verweis auf das KPD-Verbotsurteil von 1956. Dabei verstieg er sich zu der absurden Behauptung, »Lenin ist jemand, der die FDGO in energischster Weise bekämpft, indem er eine Einparteiendiktatur in Russland errichtet hat.« Der russische Revolutionsführer starb fast drei Jahrzehnte bevor das Bundesverfassungsgericht das Konstrukt der freiheitlichen demokratischen Grundordnung prägte.

Solidarität jetzt!

Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.

Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!

  • Leserbrief von Rechtsanwalt Prof. Dr. Jörg Arnold aus Freiburg (26. Oktober 2024 um 19:21 Uhr)
    Es zeigt sich in eklatanter Weise wieder einmal, wie tief der Antikommunismus in einigen Teilen der Justiz der Bundesrepublik nach wie vor verwurzelt ist. Das betrifft nicht nur die Strafjustiz, sondern wird im Falle der jungen Welt unter Zuhilfenahme des Verfassungsschutzes auf den Gebieten der Presse- und Meinungsfreiheit ausgetragen. Man könnte umgekehrt auch sagen, dass der Verfassungsschutz in dem Verwaltungsgericht Berlin eine Justizinstitution gefunden hat, die dessen Diktion umsetzt. Eine antikommunistische »Dialektik« sozusagen. Die jW ist eine Tageszeitung mit antikapitalistischer und marxistischer Ausrichtung. Was ist daran verfassungswidrig oder sogar verfassungsfeindlich? Die vom Verfassungsschutz und von dem Verwaltungsgericht Berlin vorgenommene Stoßrichtung des Marxismus-Leninismus mit der Zielstellung der Gewalt für den Umsturz der zutiefst kapitalistischen Bundesrepublik wird der JW bewusst angedichtet, da man offenbar meint, damit vielleicht etwas näher an die behauptete Verfassungsfeindlichkeit heranzurücken. Einerseits zeigt das nur, dass eine Geburtsurkunde der Bundesrepublik, nämlich die Totalitarismustheorie hier »fröhliche« Urzustände feiert, andererseits ist die Bezugnahme des Richters Dr. Peters auf Lenin an Peinlichkeit nicht zu überbieten. Seines Zeichens Vizepräsident des Berliner Verwaltungsgerichts ist es schade, dass jemand mit dieser Vita offenbar über so viel antikommunistisch historisches, politisches und juristisches Denken verfügt, noch dazu als Lehrbeauftragter an der Juristischen Fakultät der Universität Potsdam (https://www.kbw.de/dozent/dr-wilfried-peters_182629). Ich hoffe, realiter behaupten zu dürfen, dass dies nicht »gesetzmäßig« für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der BRD ist. An gesellschaftskritische Verwaltungsrichter, wie der Neuen Richtervereinigung geraten, hätte die Entscheidung durchaus auch anders ausfallen können. Auch deshalb sollte die jW sich juristisch weiter zur Wehr setzen.

Dieser Artikel gehört zu folgenden Dossiers:

  • #keinMarxistillegal

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    Als einzige Tageszeitung wird die junge Welt durch den Verfassungsschutz überwacht

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