Schlag im Dunkeln
Von Knut MellenthinNach dem Angriff der israelischen Luftwaffe (IAF) auf Ziele im Iran in der Nacht auf Sonnabend widersprechen sich die jeweiligen Darstellungen der Ergebnisse komplett. Es sei »ein ganz normaler Tag« in Teheran gewesen, meldeten iranische Medien am Sonntag. Die eigene Luftabwehr habe die Attacke abgeschlagen und die Kampfflugzeuge des Gegners sogar daran gehindert, in den Luftraum der islamischen Republik einzudringen. Nur einige Radars des Luftabwehrsystems seien beschädigt worden und inzwischen schon wieder repariert. Vier iranische Soldaten seien getötet worden. Dass moderne Kampfflugzeuge es aufgrund der Reichweite ihrer Raketen heutzutage nicht mehr nötig haben, über feindlichem Gebiet zu fliegen, wird offenbar nicht als bekannt vorausgesetzt.
Auf der anderen Seite brachten israelische Medien am Wochenende erstaunliche Siegesmeldungen. Je rechter das Blatt oder der Sender, um so fragwürdiger. Die IAF habe »das Rückgrat der iranischen Raketenindustrie zerstört«, behauptete die Jerusalem Post am Sonnabend. Und an anderer Stelle: Iran habe »eine historische Demütigung« erlitten und stehe nun aufgrund der »Präzisionsschläge« der IAF »ohne Verteidigung« da. Die vorherrschende israelische Darstellung ist, dass die Luftwaffe in drei Wellen angegriffen und zuerst Teile des Luftverteidigungssystems – Radar- und Raketenabschussanlagen, darunter Batterien des in Russland hergestellten S-300-Systems – zerstört habe. Dadurch habe Israel seine Aktionsfreiheit im iranischen Luftraum für künftige Operationen erheblich vergrößert. Später seien unter anderem Fabriken angegriffen worden, in denen Drohnen und Raketen produziert würden. Die Berichte beruhen aber fast ausschließlich auf nicht nachprüfbaren Gerüchten und Insidererzählungen, während das Verteidigungsministerium keine Details meldete. Premierminister Benjamin Netanjahu sagte am Sonntag auf einer Gedenkfeier für die im Gazakrieg getöteten israelischen Soldaten, dass der Angriff der IAF das Verteidigungspotential und die Fähigkeit Irans, Raketen zu produzieren, schwer getroffen habe, ohne konkret zu werden.
In ersten Stellungnahmen verurteilten alle arabischen Staaten der Region, darunter auch Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate, das Vorgehen Israels als Verletzung der Souveränität Irans und des internationalen Rechts, meist ohne namentliche Nennung Israels. Schärfer fielen die Stellungnahmen Syriens und Iraks aus, die im Rahmen des Angriffs auf Iran ebenfalls in der Nacht auf Samstag bombardiert worden waren, sowie die Jemens, Malaysias und Pakistans. China und Russland brachten zunächst nur ihre Besorgnis über die Ausweitung des Krieges zum Ausdruck und riefen beide Seiten zur Zurückhaltung auf. Solche Appelle kamen auch von den USA, der EU und einzelnen europäischen Staaten wie Deutschland und Großbritannien, die gleichzeitig aber »Israels Selbstverteidigungsrecht« hervorhoben.
Unstrittig ist, dass die Aktion der IAF nur militärischen Zielen galt. Aufgrund vorangegangener martialischer Äußerungen israelischer Politiker war zudem mit Angriffen auf Irans Erdöl- und Erdgasproduktion und seine Nuklearanlagen gerechnet worden. Auch »gezielte Tötungen« maßgeblicher Politiker und Militärs der Islamischen Republik wurden für möglich gehalten. Die US-Regierung hatte teils indirekt und hinter den Kulissen, teils aber auch explizit und öffentlich davon abgeraten.
Solidarität jetzt!
Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.
In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.
Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!
-
Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (28. Oktober 2024 um 09:30 Uhr)Vergeltung auf Vergeltung: Propagandaschlacht zwischen Israel und Iran. Der israelische Angriff auf den Iran vom 26. Oktober 2024 wird von beiden Seiten völlig unterschiedlich dargestellt. Die Berichte gehen sowohl über den Erfolg des Angriffs auseinander als auch über die logistische Umsetzung, insbesondere in Bezug auf die Reichweite der israelischen Kampfflugzeuge und die Frage der Luftbetankung. Laut Berichten verlief die Flugroute über Syrien. Eine Betankung in der Nähe der iranischen Grenze, etwa auf halber Strecke, ist angesichts des iranischen S-300-Abwehrsystems weitgehend auszuschließen. Doch wo und wie wurden die israelischen Kampfflugzeuge während dieser Mission betankt? Die Medienberichte scheinen auch eher symbolische Gesten als eine Eskalation widerzuspiegeln. So lief in Iran der Alltag weitgehend unverändert weiter. Es überrascht daher kaum, dass einige israelische Politiker enttäuscht über die aus ihrer Sicht zu schwache Reaktion des Irans waren.
Ähnliche:
- 24.10.2024
Blinken unter Freunden
- 22.10.2024
Angriffsplan geleakt
- 19.10.2024
Neue Phase im Krieg