Aus Leserbriefen an die Redaktion
Ein besonderer Schatz
Zu jW vom 19./20.10.: »Berge, Pferde, Jurten«
Schon als Russischstudentin an der Universität zu Köln war ich vom Werk Tschingis Aitmatows begeistert, ohne dass seine Novellen und Romane eine größere Rolle an der sehr konservativen Slavischen Fakultät in Köln unter der Leitung von Professor Wolfgang Kasack gespielt hätten. Anfang der 1980er Jahre wechselte ich an die Ruhruniversität Bochum (ohne »zu«), wo Professor Karl Eimermacher das Slavische Institut leitete – welch ein wohltuender Unterschied zu Köln! Auf der Grundlage des Werks des sowjetischen Literaturwissenschaftlers Juri Lotman (1922–1993) – »Die Struktur des künstlerischen Textes« (1973) und »Das Problem des künstlerischen Raums in Gogols Prosa« (1974) (Hrsg.: Prof. Karl Eimermacher) – wurden verschiedene Staatsexamensarbeiten zur »Raum-Zeit-Analyse« im Werk zeitgenössischer sowjetischer Autoren verfasst: Daniil Granin, Juri Trifonow und von mir 1985 zu den Novellen und Romanen Tschingis Aitmatows »Der erste Lehrer«, »Der weiße Dampfer«, »Abschied von Gülsary« und »Ein Tag länger als ein Leben«. Von Irmtraud Gutschke halfen mir damals bereits zwei Artikel aus dem Neuen Deutschland: »Verantwortung tragen und tätig sein« (1982) und »Idee von der Unsterblichkeit des Menschengeschlechts hüten« (1983).
1986, im Rahmen der »Woche des Sozialismus«, welche von der DKP durchgeführt wurde, begleitete ich eine Delegation sowjetischer Künstlerinnen und Künstler durch die BRD. Der krönende Abschluss dieser Woche bestand für mich in einer kurzen, persönlichen Begegnung mit Tschingis Aitmatow und seiner Frau in ihrem Kölner Hotel, wo er mir bei einer Tasse Tee meine Examensarbeit signierte – ein Schatz, den ich bis heute hüte.
Vor kurzem überraschte mich mein kirgisischer Nachbar, mit dem ich mich schon über Aitmatow unterhalten hatte, mit einem kleinen Geschenk: Er war in Kirgistan und brachte mir die Erzählung »Dshamilja« mit – ein willkommener Anlass, Aitmatows Werk erneut zu lesen.
Nina Wilhelms, Krefeld
Eine Woche Ostsee
Zu jW vom 22.10.: »NATO-Zentrale Rostock«
Die »Ostseewoche Rostock« (ab 1958) stand im starken Kontrast zur Aufrüstungspolitik und Kriegsvorbereitung im Ostseeraum von heute. Die »Ostseewoche« fand an der DDR-Ostseeküste im Bezirk Rostock jährlich unter dem Motto »Die Ostsee muss ein Meer des Friedens sein« statt mit einer Vielzahl von politischen, kulturellen und sportlichen Veranstaltungen, Kundgebungen, Symposien sowie den gewerkschaftlich durchgeführten »Arbeiterkonferenzen der Ostseeländer, Norwegens und Islands«, dem internationalen Jugendtreffen mit Vertretern der Jugendorganisationen der teilnehmenden Staaten, der »Ostseemesse« mit einer Leistungsschau von Firmen an der Ostseeküste, mit Segelregatten, Sport- und Schlagerfestivals, Konzerten und Ausstellungen mit zeitgenössischer Kunst in der dafür erbauten Kunsthalle Rostock, dem Buchbasar auf dem Boulevard der Stadt in der Kröpeliner Straße mit vielen Schriftstellern aller teilnehmenden Länder, die ins Gespräch mit den Lesern kamen und dort ihre Bücher verkauften, und vielen weiteren Veranstaltungen.
Tausende Gäste aus der Bundesrepublik Deutschland, Dänemark, der DDR, Finnland, Island, Norwegen, Polen, Schweden und der Sowjetunion nahmen jährlich daran teil. Der DDR half die »Ostseewoche« vor allen Dingen bei der Festigung der vielseitigen Beziehungen zu den fünf nordischen Ländern in Frieden und Freundschaft.
Klaus Sander, Rostock
Genau umgekehrt
Zu jW vom 21.10.: »Verschwunden und doch da«
Ein Buchautor sollte eigentlich nicht auf eine Rezension antworten. Aber manchmal muss er das, weil ihm Worte in den Mund gelegt werden, die genau das Gegenteil von dem aussagen, was er meint. Gerd Bedszent behauptet in seiner Rezension zu meinem Buch »… erkämpft das Menschenrecht« (junge Welt vom 21. Oktober), dass die russische Sozialdemokratie »ihre Wurzeln nicht in der Arbeiterklasse gehabt« habe, »sondern in Gruppen bürgerlicher Intellektueller«. In Wirklichkeit schrieb ich: »Der Erfolg der bolschewistischen Partei ist nicht den Intellektuellen geschuldet (ausgenommen einige wenige, besonders Lenin selbst), sondern den politisch gebildeten ArbeiterInnen« (S. 114).
Marcel van der Linden, Amsterdam (Niederlande)
Umgelegt
Zu jW vom 24.10.: »Kürzen bei den Armen«
Die unübertroffene Schwafelkompetenz des Herrn Lindner zeigt dieses Zitat: »Jeder Heizkostenabrechnung liegt deshalb ein Verteilerschlüssel zugrunde, der den prozentualen Anteil der Verbrauchs- und Grundkosten festlegt. Laut Paragraph 6 der Heizkostenverordnung darf der Gebäudeeigentümer diesen Verteilerschlüssel bestimmen, und er hat dabei laut den Paragraphen 7 und 8 den Spielraum, ›mindestens 50 vom Hundert, höchstens 70 vom Hundert‹ verbrauchsabhängig zu verteilen« (www.minol.de/verteilerschluessel.html).
Wenn eine Mieterin also nicht mehr heizt, werden trotzdem 30 bis 50 Prozent der auf ihre Wohnfläche anfallenden Heizkosten umgelegt. Auf die thermische Gebäudequalität und den Zustand des Heizsystems hat die Mieterin (faktisch) keinen Einfluss. Wobei nicht heizen oder an der Heizung sparen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu drastischen Gesundheitseinschränkungen führt. Erkältung und Schimmel sind noch die leichteren Folgen. Womöglich kommt der Vermieter und fordert »Heizen und Lüften« zur Werterhaltung der Immobilie …
Die Deutsche Unternehmensinitiative Energieeffizienz (Deneff) bietet Nachhilfeunterricht für Herrn Lindner: »Eine neue Kurzstudie der Hochschule Niederrhein, durchgeführt im Auftrag der Deutschen Unternehmensinitiative Energieeffizienz (…), zeigt, dass in deutschen Unternehmen durch gezielte Maßnahmen insgesamt bis zu 21 Milliarden Euro jährlich an Energiekosten eingespart werden könnten.« Zum Beispiel: »Die Hälfte der Prozesswärme lässt sich wirtschaftlich einsparen.« (…)
Heinrich Hopfmüller, Stadum
Wenn eine Mieterin also nicht mehr heizt, werden trotzdem 30 bis 50 Prozent der auf ihre Wohnfläche anfallenden Heizkosten umgelegt.
Solidarität jetzt!
Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.
In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.
Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!