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Aus: Ausgabe vom 29.10.2024, Seite 1 / Titel
Arbeiterkampf

Plattmacher VW

Autokonzern will drei Standorte in BRD schließen. Betriebsrat mobilisiert Belegschaft und warnt vor Eskalation. Friedenspflicht endet Anfang Dezember
Von Oliver Rast
Es rumort gewaltig: Zwickauer VW-Arbeiter ziehen im Protestzug am Montag mittag vor das Werkstor
Hiobsbotschaft von Konzernbetriebsratschefin Daniela Cavallo an die Belegschaft im VW-Stammwerk in Wolfsburg
Warnung zum Wochenauftakt: Es soll am westsächsischen VW-Standort in Zwickau nicht beim Pfeifen und Rasseln bleiben
Montag mittag: Jetzt wissen es alle Arbeiter, nicht nur in Zwickau: VW-Bosse betreiben Werksdemontage!

Der Hof vor der Fertigungshalle füllt sich, Montag vormittag, kurz vor elf Uhr. Der Konzernbetriebsrat von Volkswagen (VW) hat die Belegschaft zur »Informationsveranstaltung« mobilisiert. Im VW-Stammwerk im niedersächsischen Wolfsburg. Dort, wo für gewöhnlich die Modelle Golf, Tiguan und Touran vom Band laufen.

Immer mehr Kollegen in Arbeitsklamotten strömen herbei. Erst Hunderte, dann Tausende. Auf dem Hallenbalkon hinter der Metallbrüstung mit Flugrost steht Betriebsratschefin Daniela Cavallo vor dem Mikroständer. Sie spricht, blickt zornig ab und an auf Karteikärtchen, große Schrift, große Zeilenabstände. Darauf Merksätze. Oder besser: die Hiobsbotschaft für die Belegschaft. Cavallo: »Der Vorstand will in Deutschland drei VW-Werke dichtmachen.« Mindestens. Nicht nur das. Laut BR-Chefin sei für weitere Produktionsorte eine »Schrumpfkur« vorgesehen. Auf der Streichliste: Jobs, Produkte, Stückzahlen, Schichten, Montagelinien. »Alle deutschen VW-Werke sind von diesen Plänen betroffen.« Keines sei sicher. Unruhe, Unmut bei den Versammelten – und Unwille, das einfach so hinzunehmen.

Überraschend sind die Horrormeldungen indes nicht. Bereits am Sonntag hatte das Handelsblatt online über die Planspiele von VW berichtet. Von einer »Giftliste« des Volkswagen-Managements um den Vorstandsvorsitzenden Oliver Blume war die Rede. VW beschäftigt deutschlandweit rund 120.000 Arbeiter, davon rund die Hälfte in Wolfsburg. Insgesamt betreibt der Konzern zehn Werke in der BRD mit der Marke VW; sechs in Niedersachsen, drei in Sachsen, eins in Hessen.

Wie begründen die Bosse ihre ­Ratzekahlpolitik? Altbekannt. Zu hoch seien die Kosten an unproduktiven deutschen Standorten, wurde Markenchef Thomas Schäfer am Montag in einer Mitteilung zitiert. »So wie bisher können wir nicht weitermachen.« Ziel bleibe, die Umsatzrendite bis 2026 zu steigern. Nur so ließen sich notwendige Investitionen finanzieren.

Aussagen, die Steffen Schmidt aufregen. Denn: Beschäftigte seien geschockt, so der Sekretär für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der IG Metall (IGM) Wolfsburg am Montag im jW-Gespräch. Wichtig sei nun, nicht in eine Schockstarre zu verfallen, sondern in den Protestmodus zu schalten. In den vergangenen Wochen habe die Gewerkschaft ihre Vertrauensleute zu Betriebsprotesten geschult, betonte Schmidt. Den Auftakt machten Arbeiter in Zwickau, Tausende zogen am Montag mittag vor das Werkstor. Und machten sich Luft.

Die gewerkschaftspolitische Sprecherin der Gruppe Die Linke im Bundestag, Susanne Ferschl, unterstützt das. Zumal VW im vergangenen Jahr noch 18 Milliarden Euro Gewinn dank der Mehrwertproduktion Beschäftigter erzielt habe. Allein 4,5 Milliarden davon seien an Aktionäre verplempert worden, rechnet die Abgeordnete am Montag vor. Konsequenz: Entscheidungen über Beschäftigungs- und Standortsicherung samt strategischem Unternehmenskurs dürften eines nicht: »den Arbeitgebern überlassen werden«. Mehr Mitbestimmung also.

Zusätzlichen Zündstoff erwarten die Metaller bereits am Mittwoch, zur zweiten Runde um den VW-Haustarif. Die Friedenspflicht endet beim Autobauer Anfang Dezember. Danach sind Arbeitsausstände möglich, so wie geschult. Auch BR-Chefin Cavallo kündigte Widerstand an. »Ich kann nur alle an der Unternehmensspitze warnen: Legt euch nicht mit uns, mit der VW-Belegschaft, an.« Beifall der Kollegen im Werkshof. »Wir stehen vor der Eskalation!« Ganz kurz.

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