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Aus: Ausgabe vom 29.10.2024, Seite 4 / Inland
Regierungsbildung in Ostdeutschland

Einig auf dem Papier

Parteien in Thüringen und Brandenburg legen Ergebnisse von Sondierungen vor. Gespräche in Sachsen über Dreierkoalition mit BSW gehen weiter
Von Kristian Stemmler
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Robert Crumbach (BSW) und Dietmar Woidke (r., SPD) auf dem Weg zur Verkündung ihres Ergebnisses (Potsdam, 28.10.2024)

In Sachsen wurde noch gesprochen, da stieg in Thüringen und Brandenburg weißer Rauch auf. CDU, BSW und SPD haben sich in Erfurt auf eine gemeinsame Position zur Friedenspolitik und zum Ukraine-Krieg geeinigt, wie aus einem am Montag veröffentlichten Papier hervorgeht. Die drei Parteien haben damit jüngste Streitpunkte ausgeräumt. Die Verhandler der SPD in Potsdam haben nach mehrwöchigen Sondierungsgesprächen am Montag die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) empfohlen, wie der geschäftsführende Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) bekanntgab.

Von einer Blockade durch BSW-Kochefin Sahra Wagenknecht war keine Rede mehr. Dem Passus zur Friedenspolitik im Erfurter Papier fehlte bis jW-Redaktionsschluss am Montag noch die Zustimmung des BSW-Landesvorstandes. Die Parteien hatten ursprünglich bereits ein Sondierungspapier verhandelt, dem die Landesvorstände vor rund anderthalb Wochen zugestimmt hatten. Weil dem BSW die erzielten Ergebnisse zum Thema Frieden aber nicht ausreichten, gerieten die Gespräche ins Stocken.

In Brandenburg einigten sich SPD und BSW auf den Entwurf eines Sondierungspapiers. Die Parteien wollen sich dafür einsetzen, »eine diplomatische Lösung des Ukraine-Konflikts und den Abbau der damit verbundenen Spannungen innerhalb Europas durch Verhandlungen mit den Konfliktparteien mit dem Ziel von Waffenstillstand und dauerhaftem Frieden voranzutreiben«, wie es im Potsdamer Papier heißt. Vor diesem Hintergrund sehe man »die geplante Stationierung von Mittelstrecken- und Hyperschallraketen auf deutschem Boden kritisch«. Es brauche konkrete Angebote, »um wieder zu Abrüstung und Rüstungskontrolle zu kommen«.

Woidke und der BSW-Spitzenkandidat Robert Crumbach zeigten sich zuversichtlich, dass die Spitzengremien ihrer Parteien dem Sondierungspapier am Montagabend zustimmen werden. Es bilde die »Basis«, um in Koalitionsgespräche zu gehen, »die richtige Herausforderung« komme mit diesen Verhandlungen, sagte Woidke in Potsdam. Crumbach erklärte, es habe in den Gesprächen »erhebliche Schnittmengen« gegeben. Die stellvertretende SPD-Landesvorsitzende Katrin Lange ergänzte, die Verhandlungen könnten in der nächsten Woche beginnen. Wagenknecht sitzt nicht direkt mit am Verhandlungstisch, das BSW in Brandenburg stimmt sich aber nach eigenen Angaben eng mit ihr ab. Die Einigung der Brandenburger könnte aus Sicht der BSW-Kovorsitzenden Amira Mohamed Ali eine »Blaupause« für Thüringen und Sachsen sein. Mohamed Ali sprach gegenüber den Zeitungen der Funke-Mediengruppe am Montag von einem »guten Kompromiss«.

In Sachsen setzen CDU, BSW und SPD unterdessen ihre in der vergangenen Woche unterbrochenen Sondierungsgespräche fort. Das teilten die drei Parteien am Montag nach einem Treffen ihrer Spitzenvertreter mit. Die sondierenden Arbeitsgruppen sollen bis zum 7. November Ergebnisse vorlegen. Die SPD hatte die Sondierungsgespräche am Freitag unterbrochen, nachdem BSW-Abgeordnete zuvor im Landtag für einen Antrag der AfD zur Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur Coronapandemie gestimmt hatten. Am Montag trafen sich nun die Spitzen von CDU, BSW und SPD zum klärenden Gespräch. »Das Abstimmungsverhalten im Plenum sowie Missverständnisse im Umgang miteinander wurden dabei angesprochen und ausgeräumt«, hieß es im Anschluss.

Ihre Kampagne gegen Wagenknecht setzte die Union bis zur verkündeten Einigung in Thüringen unbeirrt fort. So warf Andreas Jung, einer der fünf stellvertretenden CDU-Bundesvorsitzenden, der BSW-Koparteichefin morgens vor, bei den Sondierungen in Thüringen und Sachsen »absurde Forderungen« zu stellen. Sie versuche »Verhandlungen, die vor Ort eher pragmatisch geführt werden, zu torpedieren«, behauptete Jung am Montag im ZDF-»Morgenmagazin«. Die von der Union angeheizte Aufregung sei »wahrscheinlich nur Getöse«, vermutete hingegen der Linke-Kobundesvorsitzende Jan van Aken am Montag in Berlin. »Wahrscheinlich werden wir in allen drei Ländern Koalitionsvereinbarungen sehen.« Sollte aber die CDU andere Juniorpartner suchen, sei die Linkspartei zu Gesprächen bereit. Bedingung: eine Einladung der Christdemokraten.

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