Stichwahl in Uruguay
Von Frederic SchnattererKeine Schreihälse à la Javier Milei oder Jair Bolsonaro: Der Politbetrieb im kleinen Uruguay bleibt anders als in den Nachbarländern Brasilien oder Argentinien. Das ist eines der Ergebnisse der Präsidentschafts- und Parlamentswahlen vom Sonntag, bei der in zwei Referenden außerdem über Verfassungsänderungen abgestimmt wurde. Keiner der eher lauwarmen Kandidaten, die im Falle der Regierungsvertreter ein »Weiter so«, auf seiten der sozialdemokratischen Opposition »Ehrlichkeit« versprachen, erreichte die absolute Mehrheit. In der in vier Wochen folgenden Stichwahl dürfte es knapp werden.
Laut vorläufigem Ergebnis kam Yamandú Orsi vom Wahlbündnis Frente Amplio (FA) auf 43,4 Prozent der Stimmen. Die für einen Sieg in der ersten Runde nötige Hälfte der Stimmen verpasste der Sozialdemokrat also deutlich, obwohl manche Umfragen zuvor durchaus Chancen für einen Erfolg in Runde eins vorhergesagt hatten. Auf den zweiten Platz kam mit 26,8 Prozent Álvaro Delgado. Der Wunschkandidat des amtierenden Präsidenten Luis Lacalle Pou, der selbst nicht noch einmal antreten durfte, gehört wie dieser dem Partido Nacional (PN) an. Auf dem dritten Platz landete mit Andrés Ojeda mit 16,2 Prozent der Stimmen ein weiterer Rechtspolitiker. Ojeda gehört dem Partido Colorado (PC) an, einer historisch einflussreichen Partei, die in den vergangenen Jahren jedoch an Bedeutung verloren hatte.
»Heute ist eine Nacht der Freude, eine Feier der Demokratie«, rief Orsi am Sonntag abend (Ortszeit) der Menge zu, die ihn an der Uferpromenade von Montevideo erwartete. Allerdings ist ein Sieg in der Stichwahl am 24. November keineswegs ausgemacht, da sich die Rechtsparteien hinter Delgado sammeln dürften. Der zeigte sich noch am Wahlabend siegesgewiss: »Die Urnen haben gesprochen, und Uruguay hat der Regierungskoalition die meisten Stimmen gegeben«, erklärte der Kandidat der amtierenden Administration. Bereits am Montag werde man sich zusammensetzen, um am Programm der künftigen Regierung zu arbeiten. Sowohl Delgados PN als auch Ojedas PC gehören der Parteienkoalition an, die Lacalle Pou unterstützt.
Auch das Ergebnis der Parlamentswahl war für das FA-Bündnis nicht zufriedenstellend. Zwar erreichten die Sozialdemokraten im Senat laut vorläufigem Ergebnis mit 16 von insgesamt 30 Sitzen eine knappe Mehrheit. Im Abgeordnetenhaus, das 99 Sitze zählt, sah es am Montag allerdings so aus, als hätten es die Rechtsparteien auf mehr als die Hälfte der Mandate geschafft. Zudem entsendet die Gruppierung Identidad Soberana (IS), »Souveräne Identität«, rund um den Anwalt Gustavo Salle erstmals Vertreter in die Parlamentskammer. »Wir haben es in die Höhle der Vaterlandsverkäufer geschafft. Schon allein deswegen kann gesagt werden, dass wir die Geschichte verändern«, erklärte Salle vor euphorischen Unterstützern. Das ultrarechte Bündnis Cabildo Abierto (CA), das 2019 noch mehr als elf Prozent der Stimmen erreichen konnte, brach hingegen ein.
Die in den parallel zu den Wahlen in Volksbefragungen zur Abstimmung gestellten Verfassungsänderungen wurden mehrheitlich abgelehnt. Nur rund 40 Prozent der Wähler stimmten dafür, der Polizei die Befugnis zu erteilen, nächtliche Razzien ohne richterliche Genehmigung durchzuführen. Auch der Vorschlag des Gewerkschaftsdachverbands PIT-CNT, das Renteneintrittsalter von derzeit 65 auf 60 Jahre abzusenken, wurde abgeschmettert. Er sah außerdem vor, die Höhe der Pensionen an die des Mindestlohns zu koppeln und die in Uruguay verpflichtende Einbindung privater Finanzdienstleister in das Rentensystem abzuschaffen. Unterstützt wurde der Vorstoß auch von der Kommunistischen Partei (PCU), die Teil des Frente Amplio ist. Der FA-Kandidat Orsi und sein politischer Ziehvater José »El Pepe« Mujica sprachen sich hingegen gegen den Vorschlag aus, der ihnen »zu weit« ginge.
Der Konservative Lacalle Pou hatte mit seinem Wahlsieg Ende 2019 einer 15jährigen Phase von FA-Regierungen ein Ende bereitet. In seine Amtszeit fallen mehrere Krisen und Skandale, darunter mutmaßliche Verbindungen zum illegalen Drogenhandel oder die heftige Wasserversorgungskrise 2023, unter der vor allem der arme Teil der Bewohner Montevideos litt. Auch ein Anstieg der Kinderarmut und eine Erhöhung des »informellen Sektors« sind Teil seiner Regierungsbilanz. Die sichtbare Gewalt im Land, personal und strukturell, stieg merklich an, obwohl Uruguay weiter zu den »sichersten Ländern« Südamerikas gehört.
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