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Aus: Ausgabe vom 29.10.2024, Seite 8 / Ansichten

Klassenkampf ums Klima

Treibhausgasemissionen der Superreichen
Von Wolfgang Pomrehn
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CO₂-Schleudern vor Anker (Calvià, 23.10.2021)

Es wird immer wärmer auf dem Planeten, die Treibhausgase in der Atmosphäre nehmen weiter zu und die Folgen sind nicht mehr zu übersehen. Erst vergangene Woche hat ein Tropensturm auf den Philippinen mindestens 116 Menschen getötet, und der nächste rauscht bereits heran. Doch noch immer unternehmen die Staaten viel zu wenig gegen die Klimakrise, wie ein soeben veröffentlichter UN-Bericht zeigt. Um 43 Prozent müssten die Treibhausgasemissionen bis 2030 zurückgehen, wenn die globale Erwärmung auf ein gerade noch vertretbares Maß beschränkt werden soll, hat der IPCC, der Weltklimarat, vorgerechnet. Doch die von den Regierungen versprochenen Maßnahmen werden bis 2030 bestenfalls zu einer Reduktion um 2,6 Prozent führen, so die UN-Analyse.

Dabei verteilt sich die Verantwortung für die heranrollende Katastrophe aus schweren Unwettern, Meeresspiegelanstieg, Dürren, Hitzewellen, Ausbreitung von Krankheiten wie Malaria, gravierenden Ernteausfällen und dem Zusammenbruch der Fischerei recht unterschiedlich. Nicht nur, dass es viele Länder im globalen Süden gibt, die zwar überdurchschnittlich unter den Folgen zu leiden haben, aber nichts zum Problem beitragen. Auch in den wohlhabenderen Ländern gibt es gewaltige Unterschiede.

Die internationale Hilfsorganisation Oxfam hat einmal beispielhaft Investitionsentscheidungen und Privatkonsum der 50 weltweit reichsten Milliardäre unter die Lupe genommen. Heraus kam, dass sie schon in 90 Minuten mehr Treibhausgasemissionen verursachen als der durchschnittliche Erdbewohner in seinem ganzen Leben. Mit 184 Flügen im Jahr verbringen sie 425 Stunden in der Luft und verursachen allein dadurch schon einen Treibhausgasausstoß, für den der Rest der Menschheit im Durchschnitt 300 Jahre benötigt. Elon Musks Privatjets sorgen zum Beispiel laut Oxfam im Jahr für 5.500 Tonnen CO2. Zum Vergleich: Hierzulande liegen die durchschnittlichen jährlichen Emissionen pro Person bei gut acht Tonnen, in den USA in etwa beim Doppelten. Auch bei Hasso Plattner, dem Mitbegründer des deutschen Softwarekonzerns SAP, hat Oxfam nachgezählt und kam auf jährlich 500 Flüge seiner Privatjets, die dabei über 2.000 Tonnen CO2 in die Luft bliesen. Noch schlimmer sind die Superjachten des Geldadels, die zusätzlich zu den Flügen der Superreichen fast dreimal so viele Emissionen im Jahr verursachen wie der Durchschnitt der Menschheit in 860 Jahren. Hinzu kommen die oft sehr klimaschädlichen Entscheidungen über Investitionen.

Trotz aller schönen Versprechungen ist also der grüne Kapitalismus nirgendwo in Sicht. Die Reichen dieser Welt nehmen sich das Recht heraus, weiter in einem unglaublichen Umfang Raubbau am Planeten zu betreiben, während die Habenichtse dieser Welt – im Süden wie im Norden – die Suppe auslöffeln müssen. Klassenkampf von oben in verschärfter Form.

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  • Leserbrief von r aus Berlin (29. Oktober 2024 um 17:11 Uhr)
    Keine Tierpopulation würde sich von einer Minderheit ihrer Spezies die eigenen (Über-)Lebensgrundlagen derart gleichgültig und widerstandslos zerstören lassen wie der Mensch, diese selbsternannte »Krone der Schöpfung«.
  • Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (29. Oktober 2024 um 09:18 Uhr)
    Man könnte doch langsam darauf verzichten, diesen »Klassenkampf ums Klima« und den »grünen Kapitalismus« heraufzubeschwören. Solche ideologisch aufgeladenen Schlagwörter lenken nur ab! Was wir erleben, ist ein natürlicher Klimawandel, und auch der 'grüne Kapitalismus' ist doch nichts anderes als ein geschicktes Spiel entwickelter Länder, das vor allem anderen Ländern die Hände bindet. Die sind dann gern mal die Bösewichte, wenn sie nur ansatzweise in dieselbe Richtung gehen, in die sich Europa einst ungehindert ausbreiten durfte. Ein kleiner Vergleich zur Verdeutlichung: In Deutschland, wo über 90 Prozent der Waldflächen einst geopfert wurden, hat niemand gefragt, ob man das »Klima- oder Kapitalismusgerecht« fand. Dass nun Brasilien, Indonesien oder andere »Schuldige« auf den gleichen Pfad möchten? Undenkbar! Jene, die mit der Axt auf dem Rücken geboren wurden, sollen die Natur nun heilig sprechen, während die abgeholzten und bepflasterten deutschen Städte als leuchtendes Beispiel um die Ecke kommen. Welch Ironie – oder heißt es jetzt Nachhaltigkeit? Doch es ist beruhigend zu wissen, dass wenigstens die Reichsten dieser Welt ihrem Alltag ungestört nachgehen und auf 184 Flügen im Jahr, gut klimatisiert, die Welt umrunden. Dass dies in 90 Minuten mehr Emissionen verursacht, als ein Mensch im globalen Süden in seinem ganzen Leben schafft – sei's drum. Grüner Kapitalismus? Nein danke. Vielleicht sollten wir einfach aufhören, anderen zu predigen, was sie besser lassen sollen – und vielleicht lernen, dass die Natur auch ohne Rhetorik ziemlich gut selbst reguliert, wenn man sie lässt!
    • Leserbrief von Onlineabonnent/in Joachim S. (29. Oktober 2024 um 15:53 Uhr)
      Man könnte, lieber Istvan Hidy, aber auch auf die dialektische Wechselbeziehung verweisen, die der Kampf um eine neue Ordnung in den gesellschaftlichen Beziehungen und eine Wiederversöhnung zwischen Mensch und Natur nun einmal haben. Das aus dem Profitmotiv resultierende »Das kann ich mir leisten!« steht nämlich dem im Umgang mit der Natur unbedingt zu beachtenden »Was dürfen wir alle (!) uns eigentlich leisten, um nicht unterzugehen?« ziemlich konträr im Wege. Wer die Umwelt lebenswert erhalten will, muss eine lebenswerte Gesellschaft erstreben. Und wer eine lebenswerte Gesellschaft haben will, muss unbedingt eine lebenswerte Umwelt sichern. Ideologisch aufgeladene Schlagwörter gibt es viele. Der eben beschriebene Zusammenhang gehört nicht dazu.
      • Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (30. Oktober 2024 um 11:24 Uhr)
        Sehr geehrter Herr Joachim S., danke für Ihre Anmerkung. Sie beschreiben den Wunsch nach einer »Wiederversöhnung zwischen Mensch und Natur« als eine gesellschaftliche Aufgabe – und betonen damit genau den Punkt, den ich kritisch sehe. Eine Veränderung von Gesellschaftsordnungen und Verteilungsmechanismen ist durchaus zu diskutieren, doch der natürliche Klimawandel und die Umweltzerstörung gehen weit über ideologische Entwürfe hinaus. Mein Punkt war, dass die Fixierung auf Kapitalismuskritik von den strukturellen Ursachen und von Lösungen ablenkt, die ohne Klassenkampf-Rhetorik mehr bewirken könnten. Das Bild eines »grünen Kapitalismus« ist oft pauschalisierend und schiebt Schuldzuweisungen anstatt, konkrete Handlungsstrategien zu fördern. Der Klimawandel ist ein naturwissenschaftliches und globales Problem – es betrifft uns alle, unabhängig vom politischen System oder dem individuellen Konsumverhalten.
    • Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinrich H. aus Stadum (29. Oktober 2024 um 15:34 Uhr)
      Richtig, Herr Hidy! Die Natur reguliert sich selbst und gegen die physikalischen Gesetze ist kein Kraut gewachsen. Das Basisszenario der Selbstregulierung sieht so aus: Die globale Durchschnittstemperatur nimmt weiter zu, große Teile der Erdoberfläche werden unbewohnbar, die Weltbevölkerung nimmt ab. Wenn noch Weltbevölkerung nach dem mit dem Schrumpfungsprozess einhergehenden Konflikten übrig bleibt, wird sie an einigen Stellen überleben können. Über Zahlen will ich nicht spekulieren, aber mehrere Milliarden Menschen dürften dabei draufgehen.
      • Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (30. Oktober 2024 um 11:27 Uhr)
        Sehr geehrter Herr Heinrich H., danke für Ihre Antwort. Sie skizzieren ein düsteres Szenario der Selbstregulierung der Natur, in dem große Teile der Menschheit unweigerlich untergehen müssten. Es gibt jedoch keinen deterministischen Automatismus, dass ein solches Basisszenario unvermeidlich ist, sondern vielmehr ein Spektrum an Möglichkeiten, das sich durch menschliches Handeln beeinflussen lässt. Mein Argument zielte darauf ab, dass eine dramatische und undifferenzierte Schuldzuweisung an »reiche« Länder und deren Bevölkerung die Debatte oft einseitig belastet und notwendige Entwicklungen behindert. Technologischer Fortschritt, internationale Kooperation und politische Reformen könnten weitaus konkreter zur Linderung beitragen als eine Schicksalsgläubigkeit, die die Natur allein regeln lassen will.
        • Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinrich H. aus Stadum (2. November 2024 um 07:06 Uhr)
          Wieder richtig! Kooperation und Reformen könnten etwas bewirken. Nur findet beides nicht statt. Der technologische Fortschritt ist weit genug gediehen. Die reichen Länder belasten seit dem Beginn des Kapitalozän vor zweihundert Jahren die Atmosphäre mit Treibhausgasen und haben gleichzeitig den Rest der Welt kolonialisiert, welche Differenzierung soll man da bei der Schuldzuweisung vornehmen?
  • Leserbrief von Hagen Radtke aus Rostock (28. Oktober 2024 um 21:02 Uhr)
    Vielen Dank für diesen Artikel! Man darf ihn nur bitte nicht fehlinterpretieren. Laut Oxfam verursachte das reichste 1% der Weltbevölkerung im Jahr 2019 allein durch ihren Privatkonsum 16% der Emissionen. Das ist zwar viel, aber doch recht wenig im Vergleich zu dem, was eingespart werden muss. Ohne massive Reduktionen auch beim Normalbürger kommt man leider nicht weit. Es wäre also falsch, hier nur mit dem Finger zu zeigen und zu sagen: »Sollen die doch erst mal sparen.« Jede Ökonomie muss grün werden, um die Folgen der Klimakrise abzumildern, ob sozialistisch oder kapitalistisch. Und das kostet auch in jeder Wirtschaftsform Wohlstand, weil es zusätzliche Investitionen erfordert. Aber diese Kosten sind immer noch viel geringer als die eines ungebremsten Klimawandels – außer vielleicht für Siebzigjährige wie den typischen Milliardär, der sagen kann, ich bin sowieso bald weg.

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