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Aus: Ausgabe vom 29.10.2024, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Uran aus dem Niger

Neue Herren des Urans

Bergbau in Niger: Frankreichs Orano-Konzern gibt auf, Kanada und Türkei springen ein. Schwere Umweltschäden drohen
Von Georges Hallermayer
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Radioaktive Belastung des Wassers: Zehn- bis hundertfach höher als die WHO-Grenzwerte (Uranmine im nigrischen Arlit)

Orano wirft das Handtuch: Ab dem 31. Oktober stellt der französische Energiekonzern die Uranproduktion in Niger gänzlich ein. Damit schließt die nigrische Übergangsregierung ein weiteres Kapitel von 60 Jahren neokolonialer Abhängigkeit von Frankreich. Seitdem die Grenzen mit Benin 2023 geschlossen worden waren, konnten 1.050 Tonnen Uranerz im Wert von 300 Millionen Euro nicht zum 2.000 Kilometer entfernten Hafen in Cotonou exportiert werden. Auch per Luftfracht sei keine Exportgenehmigung zu erlangen, bedauerte das Unternehmen. Der erwartete Gewinn für 2024 wird notgedrungen um 133 Millionen bereinigt werden müssen. Etwa 800 örtliche Beschäftigte von Orano sind betroffen, auch wenn sie bis Ende des Jahres bezahlt werden sollen. Etliche Zulieferbetriebe werden aufgeben müssen. Orano wird wohl Uran aus Kasachstan oder Kanada beziehen. Ein Energieproblem für Europa dürfte nicht zu erwarten sein.

Was mit dem offen gelagerten Atommüll und der Sicherung des Grundwassers für die verstaatlichte Wasserversorgung geschieht, bleibt indes offen – von der radioaktiven Verseuchung aus den vergangenen Jahrzehnten ganz zu schweigen. Wird Orano weiterhin in die Pflicht genommen werden?

Seit 2021 läuft eine mit Orano vereinbarte zehnjährige Sanierungsphase für die stillgelegte Orano-Mine »Cominak«. In dieser Zeit sollen Umweltschäden behoben und Gefährdungen ausgeschlossen werden. Die nach zwei Jahren vorgelegte Zwischenbilanz: der Abriss der überirdischen Anlagen und die Planierung des Geländes. Die lokale Umweltinitiative »Aghir Inman« ist äußerst besorgt, 20 Millionen Tonnen verseuchter Abraum, über 120 Hektar ausgebreitet, bedrohen die Gesundheit der 200.000 Einwohner von Arlit. Zwar wurden die 35 Meter hoch aufgeschütteten Hügel von Orano für 150 Millionen Euro mit einer zwei Meter dicken wasserundurchlässigen Erdschicht bedeckt, aber die französische Behörde Criirad (Commission de recherche et d’information indépendantes sur la radioactivité Association Française) schätzt die Gefahr als »ein Damoklesschwert für die Trinkwasserversorgung der Region«. Eine Studie von Criirad belegt in der Stadt Arlit eine zehn- bis hundertfach höhere radioaktive Belastung des Wassers, als die WHO-Grenzwerte erlauben. Der unter freiem Himmel gelagerte Atommüll gibt radioaktives Gas, Radon, ab, und der Wüstenwind bläst feinen Staub von kontaminierten Schwermetallpartikeln in die Luft.

Nach der Beendigung westlicher Truppenpräsenz versucht Niger, seine Souveränität auf wirtschaftlichem Gebiet zu erlangen. So setzt die Übergangsregierung auf Diversifikation, auch in der Uranproduktion.

Dem kanadischen Kernenergie- und Rüstungsunternehmen Global Atomic wurde vom Staatschef Abdourahamane Tiani die Unterstützung für das strategisch wichtige Dasa-Uranprojekt »im Einklang mit den geltenden Vorschriften und im Sinne einer Win-win-Situation« zugesichert. Gobal Atomic hält 49 Prozent an Befesa Silvermet Turkey, dem Marktführer im Recycling des bei der Stahlproduktion anfallenden EAF-Staubs. Im Frühjahr 2026 soll die Uranmine Dasa das begehrte Erz fördern und vor allem Nordamerika und einen europäischen Stromversorger bedienen. Die deutsch-französisch-kanadische CMAC-Thyssen Mining Group ist auch im Geschäft. Sie wurde im September 2021 für die horizontale und vertikale unterirdische Erschließung beauftragt. Das Interesse der USA bezeugt nicht zuletzt ein 295-Millionen-US-Dollar-Kredit der US-amerikanischen Entwicklungsbank für Global Atomic.

Darüber hinaus traf Niger eine Vereinbarung mit der Türkei. Alparslan Bayraktar, der türkische Energieminister, und der nigrische Bergbauminister Colonel Ousmane Abarchi besiegelten vergangene Woche »eine neue Dimension der Zusammenarbeit im Bergwerkssektor«. Das seit 2018 von Rosatom errichtete AKW Akkuyu in der Provinz Mersin geht mit seinem Block eins im Dezember in Betrieb. Das 4.800 Megawatt starke AKW soll ab 2028 zehn Prozent des türkischen Strombedarfs decken, wobei der Atommüll in Russland endgelagert werden soll.

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