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Aus: Ausgabe vom 30.10.2024, Seite 4 / Inland
Hochhaus »Weißer Riese«

Razzia gegen Arme

Duisburg: Konzertierte Behördenaktion gegen die Bewohner des »Weißen Riesen« endet mit mehreren Festnahmen
Von Henning von Stoltzenberg
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Ein ganzer Wohnblock im Visier der Staatsgewalt (Duisburg, 29.10.2024)

Am frühen Dienstag morgen fand eine großangelegte Durchsuchungsaktion in einem als »Weißer Riese« bekannten Gebäudekomplex im Duisburger Stadtteil Hochheide statt. Hunderte Einsatzkräfte von Polizei und Ordnungsamt umstellten das Hochhaus, das in den vergangenen Wochen immer wieder, insbesondere in der Springer-Presse, Schlagzeilen gemacht hatte. Zusätzlich waren auch Mitarbeiter der Ausländermeldestelle, der Stadtkasse, der Stabsstelle für Sozialleistungsmissbrauch, der Familienkasse und des Jobcenters vor Ort.

Zuletzt seien Paketboten bei der Auslieferung in dem von rund 1.400 Personen bewohnten Hochhaus mit 320 Wohneinheiten angeblichen Sicherheitsrisiken ausgesetzt gewesen. Eindeutig belegen ließen sich die Vorwürfe wohl nicht, denn nachdem zum Beispiel DHL die Auslieferung über Monate eingestellt hatte, wurde sie Ende September wieder aufgenommen. In der Immobilie wohnen viele prekär Beschäftigte aus Osteuropa mit ihren Familien. Hinter der gestrigen Razzia steckt offiziell eine »großangelegte Meldekontrolle«. Ziel der Aktion sei es, festzustellen, ob in dem Hochhaus Personen wohnen, die sich unberechtigt dort aufhalten und zum Beispiel Sozialleistungen bezögen, die ihnen nicht zustünden, erklärte ein Sprecher. Für die Bewohner kamen die Wohnungskontrollen laut Medienberichten äußerst unvermittelt und wirkten in vielen Fällen einschüchternd.

Nach einer ersten Bilanz gab es mehrere Festnahmen. Insgesamt sei die Aktion aber sehr ruhig abgelaufen, berichtete ein dpa-Fotograf. Die Kontrolleure seien von Tür zu Tür gegangen und hätten abgeglichen, wer dort offiziell gemeldet sei und wer wirklich dort lebe.

Wie dies in der Kürze der Zeit feststellbar sein sollte, wurde von seiten der Stadtverwaltung nicht näher ausgeführt. Darüber hinaus seien nicht alle Bewohner zu Hause gewesen, dem wollen die Beamten nachgehen. Ob also weitere Razzien folgen, bleibt abzuwarten.

Mitglieder des Vereins »Stolipinovo in Europa« übten gegenüber jW deutliche Kritik am konzertierten Vorgehen der verschiedenen Behörden. Der Verein hilft Zugewanderten aus Osteuropa, ihre Rechte in Betrieben und bei Behörden durchzusetzen.

»Von den Behörden werden weder auf Anfrage noch anderweitig statistische Belege für das angebliche Problem des Sozialbetrugs vorgelegt. Die Maßnahmen erscheinen somit weitgehend intransparent und ungerechtfertigt. Insofern basieren das heutige Vorgehen und die generelle Politik nicht auf harten Daten und dienen nicht der Kontrolle und Prävention«, so Vereinssprecherin Polina Manolova. Das Vorgehen diene zur Einschüchterung und Kriminalisierung von Menschen, die sich in einer sozial benachteiligten Situation befänden und die Oberbürgermeister Sören Link (SPD) kürzlich beschuldigt habe, »unsere Nachbarschaften zu zerstören«, ergänzte ihr Kollege Philipp Lottholz.

Manolova veröffentlichte kürzlich mit weiteren Autoren eine Arbeit über »multiple Prekarisierung« an der Universität Duisburg-Essen zur Lebenslage osteuropäischer Migranten am Beispiel der beiden Duisburger Stadtteile Hochfeld und Marxloh. Darin kritisieren sie, dass »Kommunen und ihre Vertretungsorgane seither die ›Zuwanderung aus Südosteuropa‹ problematisieren und sie mit einer Mischung aus Integrations- und Abwehrmaßnahmen bearbeiten, ohne damit die lokalen sozialen Probleme wirksam zu adressieren«.

Das Zusammenspiel von sozialrechtlichem Ausschluss, den Praktiken lokaler Administrationen und einem lokalen Arbeitsmarkt im Graubereich sorgte dafür, dass die Rechte europäischer Bürger systematisch ausgehöhlt und sie damit in die Position bedürftiger Fremder verwiesen würden.

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