Litauen bleibt auf NATO-Kurs
Von Reinhard LauterbachLitauen steht nach der zweiten Runde der Parlamentswahlen vor einem Regierungswechsel. Dabei konnten die bisher oppositionellen Sozialdemokraten ihren Stimmenanteil stark erhöhen. Ihre Fraktion wuchs von 13 auf 52 der 140 Parlamentssitze, also auf das Vierfache. Der hohe Zuwachs ist offenbar insbesondere einem Abkommen der Sozialdemokraten mit anderen Oppositionsparteien über die gegenseitige Unterstützung in der zweiten Runde, in der Direktkandidaten gewählt wurden, geschuldet. Der Aufwärtstrend der Partei war aber auch schon in der ersten Wahlrunde vor zwei Wochen sichtbar geworden. Die Wahlbeteiligung war mit 41 Prozent relativ niedrig.
Designierte Ministerpräsidentin ist die bisherige EU-Abgeordnete Vilija Blinkevičiūtė. Anvisierte Koalitionspartner der litauischen Sozialdemokraten sind die »Demokratenunion im Namen Litauens« und die »Partei der Bauern und Grünen«. Die Namen der Parteien sind allerdings irreführend: Im EU-Parlament gehört die »Demokratenunion« der Fraktion der Grünen an, die »Partei der Bauern und Grünen« gehört hingegen gemeinsam mit der polnischen PiS und den Fratelli d’Italia von Giorgia Meloni zur rechten Fraktion der »Europäischen Konservativen und Reformer«.
Die bisher regierende konservative »Vaterlandspartei« räumte ihre Niederlage ein. Ministerpräsidentin Ingrida Šimonytė und Außenminister Gabrielius Landsbergis kündigten beide ihren – zumindest vorläufigen – Rückzug aus der Politik an. Die im EU-Parlament mit den Christdemokraten liierte »Vaterlandspartei« war mit 28 Sitzen weit hinter den Sozialdemokraten geblieben und konnte sich somit auch keine Hoffnungen mehr machen, den Machtverlust mit Hilfe von Koalitionspartnern abzuwenden. Außerhalb der gegenwärtigen Koalitionsspekulationen steht die neugegründete nationalistische Partei »Morgenröte von Nemunas«, die auf 20 Mandate und damit den dritten Platz kam. Ihrem Vorsitzenden und Spitzenkandidaten Remigijus Žemaitaitis waren im Wahlkampf Antisemitismus und prorussische Positionen vorgeworfen worden. Er hatte unter anderem erklärt, Litauen solle die Ukraine nicht zu Lasten der eigenen Bevölkerung unterstützen.
Die Sozialdemokraten hatten ihren Wahlkampf stark auf innenpolitische Themen konzentriert, insbesondere auf die zeitweise hohe Inflation und die soziale Ungleichheit. Sie hatten höhere Löhne und Renten und eine Senkung der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel versprochen. Gleichzeitig kündigten sie aber an, die Ausgaben für die »Sicherheit« Litauens mindestens in der bisherigen Höhe zu belassen. Litauen gibt nach NATO-Standards derzeit 3,2 Prozent seines Bruttoinlandsproduktes für den Militärhaushalt aus, der Anteil soll auf 3,5 Prozent steigen. Wie die Sozialdemokraten ihre Sozialausgaben finanzieren wollen, wenn sie gleichzeitig den Rüstungsetat erhöhen wollen, haben sie bisher nicht deutlich gemacht.
Litauen grenzt im Süden an das russische Gebiet Kaliningrad und im Osten an Belarus. Die stark antirussische Orientierung der litauischen Politik ist in der Gesellschaft offenbar Konsens; drei Viertel der Litauer haben im Mai bei einer Umfrage erklärt, sie befürchteten einen russischen Angriff auf Litauen, wenn die Ukraine den Krieg verliere. Litauen ist außerdem einer der Hauptstützpunkte der prowestlichen Opposition aus Belarus. Die in Vilnius untergekommene »Oppositionsführerin« Swetlana Tichanowskaja beklagt allerdings in letzter Zeit, dass unter dem Eindruck der Konflikte in der Ukraine und im Nahen Osten das westliche Interesse am Regime-Change in Belarus zurückgehe. Vermutlich eine vorübergehende Durststrecke.
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