»Krill ist ein Kleinkrebs mit globaler Bedeutung«
Interview: Wolfgang PomrehnWorum ging es auf der diesjährigen Tagung der Kommission zur Erhaltung der lebenden Meeresschätze der Antarktis, CCAMLR, die am vergangenen Wochenende im australischen Hobart zu Ende ging?
Vertreterinnen und Vertreter der 27 Mitgliedstaaten haben unter anderem über Fangquoten für Krill, aber auch für Fischarten wie den Schwarzen Seehecht verhandelt. Auch über die Einrichtung von Meeresschutzzonen wurde – wie in jedem Jahr – gesprochen.
Was ist dabei herausgekommen?
In bezug auf die Schutzzonen wieder mal nichts. Es wurde sehr deutlich, dass auch in den nächsten Jahren keine Schutzzonen eingerichtet werden. Viel dramatischer finde ich allerdings die zunehmende Krillfischerei. Krill ist ein Kleinkrebs mit globaler Bedeutung. Zwar wurde die jährliche Höchstmenge von 620.000 Tonnen noch nicht erreicht. Aber in der diesjährigen Fischereisaison wurde die historisch bisher höchste Fangmenge, die mit 500.000 Tonnen in den 1980ern erreicht wurde, überschritten. Gleichzeitig ist mit der diesjährigen CCAMLR-Sitzung eine wichtige Schutzmaßnahme für den Krill abgelaufen, da keine Einigung über eine Verlängerung erzielt werden konnte. Diese hatte bisher dafür gesorgt, dass die jährlich erlaubte Höchstfangmenge über vier verschiedene Regionen verteilt wurde, um die Ökosysteme nicht zu sehr zu belasten. Jetzt könnte die Gesamtmenge in einer einzigen Region gefangen werden, was katastrophal für das Ökosystem wäre. China und Russland waren gegen eine Erneuerung, und da bei CCAMLR alle Entscheidungen im Konsens getroffen werden, gibt es jetzt keine räumlichen Beschränkungen für die Krillfischerei mehr.
Was ist so wichtig am Krill?
Der Antarktische Krill ist der zentrale Nahrungsorganismus im Südpolarmeer, nicht nur für Wale, sondern auch für Fische, Seevögel, Robben und Pinguine. Mit einer Biomasse von bis zu 500 Millionen Tonnen zählt er zu den erfolgreichsten wildlebenden Tieren auf unserem Planeten. Das ist mehr als die Biomasse aller heute lebenden Menschen zusammengerechnet.
Das hört sich nach einem großen Faktor an.
Der Lebensraum des Krill, das Südpolarmeer, ist eine der größten ozeanischen Kohlenstoffsenken für atmosphärisches CO2. Dies ist zu einem großen Teil auch dem Antarktischen Krill zu verdanken. Das pflanzliche Plankton (Phytoplankton) bindet den aus der Atmosphäre im Wasser gelösten Kohlenstoff. Die riesigen Krillschwärme fressen in der Nacht in den oberen Wasserschichten das Phytoplankton und bewegen sich zum Sonnenaufgang in tiefere Wasserschichten, in bis über 200 Meter Tiefe, wo sie die aufgenommenen Mikroalgen verdauen. Mit dem Ausscheiden ihres Kots gelangt der darin eingelagerte Kohlenstoff auf den Meeresboden, wo er dem Kreislauf entzogen ist. Das Kohlenstoffdioxid, CO2, das der Krill durch diesen Prozess in der Tiefsee zu speichern vermag, kommt dem jährlichen CO2-Ausstoß von etwa 35 Millionen Autos gleich, was gut 70 Prozent der in Deutschland zugelassenen Autos entspricht.
Wie wirken sich die globalen Klimaveränderungen auf das Südpolarmeer aus?
Die Antarktische Halbinsel zählt zu den sich am schnellsten erwärmenden Regionen auf der Erde. Dadurch haben wir im Winter eine abnehmende Meereisbedeckung, was dazu führt, dass der Krill sich weiter in den Süden zurückzieht. Früher gab es auch große Schwärme um Südgeorgien, eine Inselgruppe im südlichen Südatlantik. Heute konzentrieren sich die Krillschwärme an der Antarktischen Halbinsel. Die Krillfresser folgen, wenn sie können, den Krillschwärmen, aber wir sehen auch eine Abnahme in den Populationen bestimmter, vom Krill abhängiger Pinguinarten. Außerdem findet im Südpolarmeer die Tiefenwasserbildung statt. Das dort absinkende Wasser treibt die den ganzen Planeten umspannende Zirkulation in den Ozeanen an. Dieses Tiefenwasser wird immer wärmer und dämpft damit die Zirkulation.
Bettina Meyer forscht am Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung in Bremerhaven mit Fokus auf den Antarktischen Krill.
Solidarität jetzt!
Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.
In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.
Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!
Dieser Artikel gehört zu folgenden Dossiers:
Ähnliche:
- 04.10.2023
Nord- und Ostsee geht es schlecht
- 08.06.2020
Tag der Ozeane: WWF fordert Schutz der Ökosysteme
- 23.07.2009
Hier fängt das Mehr an
Mehr aus: Inland
-
Wirtschaftsgipfel ohne Wirtschaftsminister
vom 30.10.2024 -
Bürgermeister ohne Gesprächsbedarf
vom 30.10.2024 -
Razzia gegen Arme
vom 30.10.2024 -
Warnung vor einer Falle
vom 30.10.2024 -
Angst vorm bösen Wolf
vom 30.10.2024 -
Sanierungsfall Baywa
vom 30.10.2024