Labour und die Löcher
Von Christian BunkeDer Termin ist traditionell im britischen Parlamentskalender verankert: Die alljährliche Budgetrede zum Staatshaushalt im Londoner Unterhaus. Erstmals seit mehr als zehn Jahren wird sie am Mittwoch gegen 12.30 Uhr Ortszeit wieder von einer sozialdemokratischen Finanzministerin gehalten werden. In den Führungsetagen der britischen Gewerkschaftsbewegung verbinden sich damit Hoffnungen nach Finanzspritzen für die kurz vor dem Bankrott stehenden englischen Kommunen, verstärkten staatlichen Investitionen und einem Ende der Austeritätspolitik.
So erhielt Ministerin Rachel Reeves am 24. September Post von Matt Wrack, dem Generalsekretär der Feuerwehrgewerkschaft FBU. Darin beschrieb Wrack eindrücklich die Auswirkungen der von konservativen britischen Regierungen seit 2010 zu verantwortenden Einsparungen auf die englischen Berufsfeuerwehren. Einer von fünf Jobs sei seitdem bei den Feuerwehren gestrichen worden. Löschzüge würden in den Garagen nutzlos herumstehen, es gebe nicht genug Personal, um sie zu betreiben. »Unter den Tories haben die Feuerwehren 30 Prozent ihrer staatlichen Finanzierung verloren«, so Wrack. »Als Finanzministerin können Sie nun ein Budget abliefern, welches das Ende des katastrophalen Zeitalters der Austerität einläutet«, schreibt Wrack, um noch kurz darauf hinzuweisen, dass seine Gewerkschaft in der Vergangenheit durchaus Streikbereitschaft gezeigt habe.
Die von der Labour-Partei im Vorfeld der Budgetrede betriebene Veröffentlichungspolitik lässt jedoch nicht darauf schließen, dass mit einem Ende der Sparpolitik zu rechnen ist. Eher wurde die Bevölkerung in den vergangenen Wochen auf neue Härten eingestellt. »Wir müssen realistisch damit umgehen, wo wir als Land stehen«, sagte Premierminister Keir Starmer in einer von zahlreichen britischen Medien kolportierten Rede am Montag: »Wir sind nicht im Jahr 1997, als die Wirtschaft ordentlich gelaufen ist, aber die öffentlichen Dienstleistungen schwer belastet waren. Und wir sind nicht im Jahr 2010, als die öffentlichen Dienste stark, aber die öffentlichen Finanzen schwach aufgestellt waren. Das sind heute noch nie dagewesene Zeiten.«
Konkret spricht die britische Regierung von einem 22 Milliarden Pfund schweren »schwarzen Loch« in den öffentlichen Finanzen, welches von der konservativen Vorgängerregierung hinterlassen worden sei. Mit dieser Sprachregelung bedient sich die Labour-Regierung direkt beim konservativen Vokabular. Die Austeritätspolitik der vergangenen 14 Jahre wurde von den Tories immer mit der »wirtschaftlichen Inkompetenz« der britischen Sozialdemokraten begründet, die das Land zuletzt von 1997 bis 2010 regiert hatten. Die Rettung der aufgrund des globalen Bankencrashs von 2008 am Rande des Abgrunds stehenden Finanzbranche hatte damals nicht nur in Großbritannien die Staatskasse mit neuen Milliardenschulden belastet. Letztlich handelte es sich dabei um eine in der jüngeren Vergangenheit in dieser Form noch nie dagewesene Privatisierung öffentlicher Gelder. Um dies zu verschleiern, wurde von den Tories das Märchen der verantwortungslosen sozialdemokratischen Ausgabenpolitik entwickelt, womit diese im Jahr 2010 die Wahlen gewinnen konnten. Labour wendet die konservative Sprachregelung nun gegen die Tories, um geplante Kürzungen und Steuererhöhungen in Höhe von 40 Milliarden Pfund zu rechtfertigen.
Tatsächlich wird das neue Budget eine Mischung aus Investitionsanreizen für Teile der Privatwirtschaft, Steuererhöhungen und fiskalischen Tricksereien beinhalten. Die mediale Vorbereitung darauf war auch von medialen Missgeschicken geprägt. So berichteten britische Medien Ende vergangener Woche von neuen angeblich im Budget als Ankündigung enthaltenen Freihäfen. Über das Wochenende erfolgte bereits das Dementi aus dem Finanzministerium, es habe ein »Versagen« in der internen Kommunikation gegeben. Für ein negatives Echo in der englischen Öffentlichkeit sorgte am Vorabend der Budgetrede die Ankündigung, die Preisdeckelung für Bustickets im öffentlichen Nahverkehr von zwei Pfund auf drei Pfund anzuheben. Eine stattliche Preissteigerung, die vor allem Pendler betreffen dürfte.
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