Schweiz nicht mehr Schlaraffenland
Von Dominic ItenNirgends werden mehr Offshorevermögen verwaltet als in der Schweiz. Das belegt das vor wenigen Tagen publizierte »International Wealth Management Centre Ranking« der Beratungsfirma Deloitte. Doch das Ranking zeigt auch: Der Finanzplatz hat an Dominanz eingebüßt. Mit 2.174 Milliarden US-Dollar an verwalteten Vermögenswerten liegt die Schweiz zwar immer noch vor den Finanzzentren Britannien, USA, Hongkong und Singapur – aber der Vorsprung verkleinert sich.
Für den Bedeutungsverlust macht Deloitte eine Reihe von Ereignissen verantwortlich. Erstens habe »das Image der Schweiz als sicherer Hafen« durch den Crash der Credit Suisse »erheblich gelitten«. Zweitens habe sie mit der »Übernahme von internationalen Sanktionen« ihren »neutralen Standort« für internationale Vermögen beschädigt – damit wird auf die Übernahme der Sanktionen gegen Russland angespielt, welche die westlichen Staaten im Zuge des Ukraine-Krieges verhängt haben. Weiter hätten die schrittweise Aufgabe des Bankgeheimnisses und die Einführung der OECD-Mindeststeuer Anfang 2024 der Attraktivität geschadet.
Die Geschichte des Schweizer Offshoregeschäfts reicht weit zurück. Bereits 1713 etablierte der »Grosse Rat« Genfs, dass Banken gegenüber Dritten Kundeninformationen offenlegen müssen. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts stärkte der Deutsch-Französische Krieg den Schweizer Finanzplatz, weil dieser dem Kapital Zuflucht vor den Wirren des Krieges bot. Erfolgreich zog er ausländisches Kapital an und reinvestierte es außerhalb der Alpenrepublik. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts begannen umliegende Staaten mit dem Erlass strengerer Gesetze und schärferer Regulierungen, während sich die Schweiz als zuverlässige Vermögensverwalterin profilierte. Die Kombination von »schweizerischer Diskretion« mit einer stabilen Währung, konstanten politischen Verhältnissen, einer vermeintlich neutralen Außenpolitik und laschen Steuergesetzen übte auf das Kapital eine starke Anziehungskraft aus – insbesondere während der Weltkriege.
Infolge von Deregulierungen im Finanzsektor, die als Reaktion auf die sinkenden Profitraten in den 1970er Jahren durchgesetzt wurden, wandten sich Investoren und Konzerne weltweit dem Finanzkapital zu. Banken wurden zu Investmentbanken und damit zur Konkurrenz für die Schweizer Finanzinstitute. Zudem begannen sich Hedgefonds und andere Formen der Vermögensverwaltung zu etablieren. Mit der Finanzkrise von 2008, dem Beinahe-Crash der UBS und einer ökonomischen Depression in den kapitalistischen Zentren wurden große Teile des globalen Vermögens in die asiatischen Finanzplätze verschoben. Parallel dazu gewinnen Schattenbanken seit Jahren massiv an Bedeutung, die Kreditvergabe durch Nichtbanken wie etwa Blackrock nimmt zu.
Beim Fall der Credit Suisse oder der Auflösung des Bankgeheimnisses handelt sich nicht um Zufälle, sondern um die Vollstreckung eines Krisenprozesses. Insofern ist mit weiteren Erschütterungen zu rechnen – und die könnten die ganze Schweiz erschüttern: Mit rund neun Prozent Anteil am BIP und rund fünf Prozent Anteil an den Beschäftigten spielt der Bankensektor in der Schweizer Volkswirtschaft nach wie vor ganz oben mit.
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