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Aus: Ausgabe vom 31.10.2024, Seite 1 / Titel
Volkswagen

Vor Drohkulisse

Zweite Tarifrunde bei Volkswagen: IG Metall geht mit Forderung nach »Zukunftskonzept« in Verhandlungen. Management verbreitet Schreckensszenario
Von David Maiwald, Wolfsburg
Klare Worte, gerichtet an Konzernspitze und Belegschaft: Daniela Cavallo und Thorsten Gröger am Mittwoch in Wolfsburg
Proteststimmung am Dienstag: VW-Kollegen bangen um Existenz des Werks in Osnabrück

Deutliche Worte, klare Fronten, zunächst. »Volkswagen hat die Büchse der Pandora geöffnet und das Vertrauen der Belegschaft verspielt«, sagte IG-Metall-Verhandlungsführer Thorsten Gröger in der mit Presseleuten vollgestopften VIP-Loge im Wolfsburger Fußballstadion am Mittwoch morgen. Vor Beginn der zweiten Tarifrunde mit dem Automobilkonzern am Mittwoch fordert die Gewerkschaft Transparenz. Tarifverträge sind gekündigt, von drei Werkschließungen, die 30.000 Stellen betreffen, Lohnverzicht zur Standortsicherung ist die Rede – VW hatte die »Sozialpartnerschaft« längst in den Wind geblasen. Dann wurde doch bis in den Abend verhandelt.

VW macht Milliardengewinne. Doch weil mit 1,58 Milliarden Euro, nach steuerlichen Abzügen, unterm Strich 64 Prozent weniger Profit als im Vorjahr standen, hatte Finanzchef Arno Antlitz am Mittwoch zunächst »wesentliche und schmerzhafte Entscheidungen« prognostiziert. Die Produktionskosten seien hoch, die Nachfrage klein. Also: »Kosten senken und die Produktivität steigern, gerade in den deutschen Werken«.

Die »Bereitschaft«, ein »tragfähiges Zukunftskonzept für alle Standorte« zu verhandeln, sei Grundvoraussetzung, »die Eintrittskarte, um mit der IG Metall weiterzumachen«, hatte Gröger erklärt. Sonst sei die Gewerkschaft gezwungen, »die weitere Eskalation zu planen«. Im Dezember endet die Friedenspflicht: Die Beschäftigten würden dann »jeden Weg gemeinsam mit uns als IG Metall und als Betriebsrat gehen, um Tarifverträge und Beschäftigungssicherung zurückzubekommen«, so die Betriebsratsvorsitzende Daniela Cavallo.

Nach Schichtwechsel im Stammwerk wurde am Nachmittag deutlich, dass die markigen Worte der Gewerkschafter vor allem die Beschäftigten adressieren. Viele wollen sich nicht äußern, auch auf Nachfrage nicht, verboten sei das. Einer mit dunklen Arbeitsspuren auf der hellgrauen Werkshose reagiert dann doch, schnippt mit einer abwinkenden Geste die Zigarettenkippe weg, deutet dann mit einer knappen Kopfdrehung über die Schulter Richtung Werk. »Jeder hat da Angst um seinen Arbeitsplatz«, sagt er. In welchem Bereich er tätig ist, will er nicht sagen.

Es gehen Gerüchte um. Etwa, »dass die gehen müssen, die krank waren«, wie ein Montagekollege erklärt. »Bei uns soll das Ziel bei 25 Prozent stehen«, sagt etwa ein »Indirekter«, also ein nicht in der Produktion Beschäftigter. Er meint den Umfang des Stellenabbaus in seiner Abteilung. »Die sind bei uns schon seit Jahren dran: Wenn einer geht, wird die Stelle nicht nachbesetzt.« Ein abweisendes Kopfschütteln, das folgende Lächeln wirkt zynisch; »ich hab’ von dem Thema mittlerweile einfach nur noch die Schnauze voll«. »Ohne klare Angaben will ich mich nicht verrückt machen lassen«, sagt ein »Kraftwerker« und hastet weiter, die Treppen zum Parkhaus hoch.

Nicht trotz, sondern vor allem wegen der Unklarheiten der Konzernleitung ist den Beschäftigten bange. »Die Leute dachten, hier geht es einfach immer so weiter; sie arbeiten hier bis zur Rente und die Kinder am besten auch«, sagt ein Kollege »aus der Komponente«. Es sei für viele einfach schwer vorstellbar, dass ganze Werke auf dem Spiel stehen sollen. »Die wissen gar nicht, wie sich so etwas anfühlt.« Die Forderungen der IG Metall hält er für »vollkommen richtig«. Ein Ergebnis der Verhandlungen sollten Volkswagen und die IG Metall erst nach jW-Redaktionsschluss bekanntgeben.

Hinweis: In einer ersten Fassung war im letzten Satz von Verdi die Rede, es ist natürlich die IG Metall. Wir bitten den Fehler zu entschuldigen. (jW)

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  • Leserbrief von Conrad Fink aus Freiberg am Neckar (31. Oktober 2024 um 11:30 Uhr)
    Eine unglückselige Erfindung mit fatalen Folgen: Carl Benz erhielt am 2. November 1886 für sein Automobil mit Verbrennungsmotor das Patent. Es war die Geburtsstunde des Automobils mit Verbrennungsmotor. Seit 138 Jahren hat sich in der »Automobilität« grundsätzlich nichts mehr geändert – bis heute. In Deutschland wurde das Auto mit Verbrennungsmotor von Anfang an gepampert und zum Wirtschaftsfaktor Nummer 1 unseres Staates hochgejubelt. Die Automobillobby heizte der Politik immer kräftig ein und trieb sie vor sich her. Gemeinsam verhinderte diese Lobby zusammen mit FDP, CDU und CSU eine technologische Anpassung an die Erfordernisse der Zeit. Deutschland hat wie schon bei der Solarenergie den Umstieg auf die Elektromobilität verschlafen und diese Felder China überlassen. Die Arbeitnehmer aus der Automobilindustrie und den Zulieferern, die bald auf der Straße stehen, dürfen sich bei den genannten »Maschinenstürmern« und Blockierern mit dem Wahlzettel bedanken. Auch das Management der deutschen Autobauer hat sich nicht mit Ruhm bekleckert und seinen Ruf weltweit beschädigt. Es sei an den Betrugsskandal mit der Abgasmessung erinnert. Noch heute stehen wegen dieser kriminellen Machenschaften Vorstände vor Gericht.
    Es war ein wirtschaftspolitischer Fehler, die Autoindustrie als stärkstes Standbein unserer Volkswirtschaft auszubauen, was diese sehr anfällig gegen Änderungen der Rahmenbedingungen macht. Auch war abzusehen, dass irgendwann der Bedarf an Autos weltweit gedeckt sein und der Export einbrechen würde. Um das vorherzusehen, braucht man kein Autoboss zu sein.
  • Leserbrief von Frank Lukaszewski aus Oberhausen (31. Oktober 2024 um 09:16 Uhr)
    Man schaue auf die Zahlen: Bei VW verschlechterte sich die operative Rendite von 6,2 auf 3,6 Prozent (Quelle: FAZ). Die Rendite verschlechterte sich – von Verlusten ist keine Rede! Deshalb sollen nun Werke geschlossen und Beschäftigte entlassen werden. Kapitalismus ist eben das beste Wirtschaftssystem.
    • Leserbrief von Ullrich-Kurt Pfannschmidt (31. Oktober 2024 um 12:57 Uhr)
      So wie Sie hätten wohl auch Umweltschützer die Lage beurteilt, allerdings eher positiv! Denn wo weniger produziert wird und gar Werke geschlossen werden (müssen), leidet auch die Umwelt weniger, oder? Ich habe mich ohnehin gewundert, weshalb im Artikel kein einziges Mal der Umweltaspekt angesprochen wird. Anders, als in anderen Artikeln, wenn anklagend auf den Kapitalismus und dessen negative Auswirkungen auf die Umwelt verwiesen wird.
      • Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinrich H. aus Stadum (31. Oktober 2024 um 19:51 Uhr)
        Lieber Herr Pfannenschmidt, wieder mal knapp daneben und doch vorbei. Dem Klima ist es nämlich scheißegal, wo der Motor gebaut wurde, der aus Kohlenwasserstoff Kohlendioxid macht. »Rekord-CO2-Senkung, aber Verkehr hinkt hinterher; erneut ist der gesamte deutsche CO2-Ausstoß massiv gesunken – im Jahr 2023 um 76 Millionen Tonnen im Vergleich zum Vorjahr. Einzig der Verkehrs-Sektor verfehlt die Klimaziele deutlich.« schreibt Auto Motor und Sport am 15.3.2024 (https://www.auto-motor-und-sport.de/verkehr/co2-treibhausgas-thg-bilanz-uba-umweltbundesamt/). Vielleicht lesen Sie mal bei Stefan Krull (https://stephankrull.info/), früher bei VW beschäftigt, zum Thema das eine oder andere nach.

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