75 Ausgaben junge Welt für 75 €
Gegründet 1947 Sa. / So., 23. / 24. November 2024, Nr. 274
Die junge Welt wird von 2993 GenossInnen herausgegeben
75 Ausgaben junge Welt für 75 € 75 Ausgaben junge Welt für 75 €
75 Ausgaben junge Welt für 75 €
Aus: Ausgabe vom 31.10.2024, Seite 2 / Ausland
Kampf um das Völkerrecht

»Die militärische Zusammenarbeit muss enden«

Organisationen verklagen den niederländischen Staat, weil er sich am Genozid in Gaza beteiligt. Ein Gespräch mit Daan de Grefte
Interview: Annuschka Eckhardt
imago774062255.jpg
Ein Symbolbild

Palästinensische und niederländische Organisationen verklagen den niederländischen Staat, weil er den Völkermord in Gaza und andere Verstöße Israels gegen das Völkerrecht nicht verhindert hat. Was sind die Hauptforderungen an das niederländische Zivilgericht?

Unsere Hauptforderungen lauten wie folgt: ein Ende der niederländischen Beteiligung an Israels völkermörderischem Angriff auf Gaza. Dies beinhaltet einen Stopp des Exports und Transfers von Waffen, Waffenteilen und Gütern mit doppeltem Verwendungszweck. Wir fordern außerdem, dass die militärische Zusammenarbeit zwischen den Niederlanden und Israel beendet wird. Personen, die der Beteiligung an einem internationalen Verbrechen verdächtigt werden, sollen wirksam strafrechtlich verfolgt werden.

Zudem fordern wir, dass das Gutachten des Internationalen Gerichtshofs vom Juli respektiert wird, indem alle Beziehungen zur rechtswidrigen israelischen Besatzung Palästinas, einschließlich der Siedlungen, abgebrochen werden. Dies beinhaltet ein vollständiges Verbot von Investitionen in und Handel mit Siedlungen.

Die Völkermordkonvention verpflichtet die Unterzeichnerstaaten, auch die Niederlande, Genozide zu verhindern. Warum hält sich die Regierung nicht daran?

Es ist eine Mischung aus geostrategischen Interessen der Niederlande und denen ihrer internationalen Verbündeten, dem Kriegsbündnis NATO. Dazu kommt ihre außenpolitische Abhängigkeit von den USA und den politischen Ambitionen der Entscheidungsträger, wie die neue Rolle als NATO-Generalsekretär; kulturelle Bindungen zwischen den Niederlanden und Israel, die hauptsächlich in der Kolonialgeschichte der Niederlande und der Tatsache verwurzelt sind, dass viele Israelis europäische Siedler sind; und klassischer Rassismus, der das palästinensische Volk als Terroristen darstellt und die kolonisierenden, offen rassistischen Zionisten als Freiheitskämpfer.

Im Februar 2024 entschied das niederländische Berufungsgericht, dass ein eindeutiges Risiko schwerwiegender Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht durch israelische Streitkräfte in Gaza besteht. Was ist seitdem passiert?

Damals entschied das Gericht, dass die niederländische Regierung aufgrund des genannten Risikos verpflichtet war, den Export von Triebwerksteilen für Kampfjets nach Israel einzustellen. Nach dieser Entscheidung scheint die niederländische Regierung jedoch damit begonnen zu haben, die Teile in die USA zu exportieren, die sie dann an Israel weiterleiten. Es besteht daher nach wie vor ein eindeutiges Risiko, dass diese Teile letztendlich von Israel für schwere Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht verwendet werden.

In der Klageschrift wird argumentiert, dass die Niederlande den Export und die Weitergabe von Waffenteilen und Dual-Use-Gütern nach Israel verbieten und andere Staaten dazu auffordern müssen, dasselbe zu tun. Was würde passieren, wenn das Gericht zugunsten der Kläger entscheidet?

Falls das Gericht zugunsten der Kläger entscheidet, wird der Richter den niederländischen Staat anweisen, die anfangs dargelegten Forderungen zu erfüllen. Im Endeffekt würde dies bedeuten, dass der niederländische Staat nicht mehr an Israels Verstößen gegen die grundlegendsten Prinzipien des Völkerrechts beteiligt ist.

Welches Ergebnis des Verfahrens erwarten Sie?

Es ist sehr schwierig, das Ergebnis des Verfahrens vorherzusagen, da dieser Fall der erste seiner Art in den Niederlanden sein wird. Wir sind jedoch davon überzeugt, dass die Niederlande derzeit ihre Verpflichtungen verletzen, was katastrophale Folgen für die besetzte palästinensische Bevölkerung hat.

Die Niederlande haben auch Erfahrung mit der Kolonisierung anderer Staaten – ein Grund, gegen Apartheid zu kämpfen?

Dieser Teil ihrer Geschichte sollte für die Niederlande ein Grund sein, bei der Bekämpfung aktueller Formen kolonialistischer Unterdrückung und Apartheid eine Vorreiterrolle zu übernehmen. In der Praxis scheint jedoch das Gegenteil der Fall zu sein. Es ist auffällig, dass die überwiegende Mehrheit der Staaten, die Israel offen unterstützen, selbst auf Kolonialisierung, Sklaverei und Völkermord aufgebaut ist.

Daan de Grefte arbeitet im Team »Crimes and Complicity« des European Legal Support Center (ELSC), das sich auf strategische Prozessführung konzentriert

Solidarität jetzt!

Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.

Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!

Ähnliche:

Mehr aus: Ausland