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Aus: Ausgabe vom 31.10.2024, Seite 4 / Inland
Bayerischer Folterknast

Gegen die Wand gelaufen

Nach Durchsuchung in bayerischer JVA wegen Foltervorwürfen: Zustände dem Justizministerium lange bekannt
Von Fabian Linder, Augsburg
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Hinter diesen Mauern sollen Gefangene schwer misshandelt worden sein (Gablingen, 28.10.2024)

Tage nach einer Durchsuchung in der bayerischen Justizvollzugsanstalt (JVA) Gablingen kommen neue Details rund um die Vorwürfe, es habe dort Folter und Misshandlungen von Häftlingen gegeben, ans Licht. So sind nach Recherchen des Bayerischen Rundfunks dem zuständigen Justizministerium die Anschuldigungen seit mindestens einem Jahr detailliert bekannt gewesen. In einem dem BR vorliegenden Schreiben hatte sich eine ehemalige Gefängnisärztin bereits vor einem Jahr an das Fachreferat für den Justizvollzug gewandt und über die »menschenunwürdigen Verhältnisse« in sogenannten besonders gesicherten Haftzellen (BgH) geklagt. Eine Sprecherin des Justizministeriums bestätigte das am Dienstag. Die Eingabe sei ernst genommen und die Augsburger Staatsanwaltschaft für Vorermittlungen eingeschaltet worden.

Dennoch dauerte es ein ganzes Jahr, bis es mit der Razzia sowie Disziplinarverfahren und Betretungsverboten für mehrere Bedienstete zu einem ernsthaften Einschreiten kam. Kurios ist vor allem die zwischenzeitliche Einstellung des Verfahrens im August und die Wiederaufnahme kurze Zeit später durch den Eingang weiterer Hinweise. Laut Staatsanwaltschaft habe die betreffende Ärztin »die von ihr geschilderten Vorfälle nicht näher konkretisieren, insbesondere keine Namen von betroffenen Gefangenen nennen« können.

Aus dem Brief der Ärztin an das Ministerium gehen weitere Details zu den physischen und psychischen Belastungen der Betroffenen hervor. So sei es aufgrund mangelhafter Hygiene und einer Unterbringung über die vorgesehene Maximaldauer in den BgH-Zellen »zu Ekzemen, Exanthemen und vor allem ausgeprägtem Juckreiz mit Kratzexkoriationen« gekommen. Auch seien Gefangene in dieser Situation gegen die Wand gelaufen, was zu Verletzungen wie Platzwunden geführt habe. Hinsichtlich der psychischen Folgen der unzulässigen Haftbedingungen sieht die Ärztin, dass »vor allem die schwächsten Gefangenen in eine solch desolate Lage gebracht« würden, und meint damit »psychisch kranke Gefangene, die nicht einmal in der Lage sind, sich zu beschweren oder für ihre Rechte einzustehen«.

Der BR zitiert einen Gefangenen, der in einer eidesstattlichen Versicherung die Misshandlungen bezeugt: »Als ich schon an Händen und Füßen gefesselt war, schlugen und traten die Beamten weiter auf mich ein, darunter auch Tritte ins Gesicht sowie Schläge mit dem Knie ins Gesicht.« Über die genaue Dauer des drei- bis fünftägigen Aufenthalts, die der Gefangenen allein und nackt in dieser Zelle verbracht habe, könne er nichts Genaues sagen, »da ich aufgrund der ständigen Dunkelheit kein Zeitempfinden mehr hatte«. Die Aussagen von Häftlingen zeigen, dass Misshandlungen bereits stattgefunden hätten, bevor die im Fokus der Ermittlungen stehende stellvertretende Gefängnisleiterin ihren Posten antrat. Unter ihr hätten sich die Zustände allerdings verschlimmert, wie zwei ehemalige Häftlinge betonen.

Der rechtspolitische Sprecher der bayerischen SPD-Fraktion, Horst Arnold, zeigte sich unzufrieden darüber, dass die Staatsanwaltschaft es in ihren Vorermittlungen nicht geschafft habe, »Namen der vermeintlich Geschädigten« zu finden. Der zuständige Justizminister Georg Eisenreich (CSU) äußerte sich lediglich schriftlich und versprach, dem Landtag zum aktuellen Stand der Untersuchungen zu berichten.

Kritik kommt auch von der Gefangenengewerkschaft GG/BO. Gegenüber junge Welt äußerte sich Bundessprecher Manuel Matzke entsetzt über die Vorwürfe in der Hafteinrichtung. Die BgH-Zellen seien generell kritikwürdig. Gefangene darin »komplett nackt, ohne Matratze, ohne warme Mahlzeit« unterzubringen sei »menschenunwürdig«, so Matzke. Dass die Justiz darüber hinaus schon seit mindestens einem Jahr davon weiß, zeige, dass »das System nicht gewillt ist, so etwas aufzuklären«. Man müsse allerdings den Hut ziehen angesichts des Mutes, den die Ärztin aufbrachte, darüber zu sprechen. Schließlich zeigten andere Fälle, dass solche Aussagen häufig mit Repression beantwortet würden.

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